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Millionen-Segen für Mieter, die mit der DieseEG Genossenschaft ihr Haus kauften, zum Beispiel in der Boxhagener Straße

© Kai-Uwe Heinrich

350 Seiten nebst „Sondervoten“ von FDP und CDU: Untersuchungsausschuss legt Abschlussbericht zur Berliner „Diese eG“ vor

Die FDP nennt den Bericht des Untersuchungsausschusses zur „Diese eG“-Affäre „mit Koalitionsmehrheit aufgeweicht“. Der Ausschuss-Chef sieht keine Fehler.

Die Affäre um die neu gegründete kapitalschwache Genossenschaft "Diese eG", zu deren Gunsten zwei Berliner Bezirke das Vorkaufsrecht für sieben Wohnhäuser ausübten, ist vom Parlament aufgearbeitet. 350 Seiten mit Anlagen stark ist der Abschlussbericht zum "4. Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der spekulativen Immobiliengeschäfte der Diese eG".

Geeinigt haben sich die Obmänner aller Parteien nicht darauf: FDP und CDU haben deshalb ihre jeweils eigenen Narrative der Affäre niedergelegt und "Sondervoten" veröffentlicht. Der Bericht ist gleichsam die Sicht der rot-rot-grünen Koalition in Berlin. Aus Sicht von FDP-Obmann im Ausschuss Bernd Schlömer "mit Koalitionsmehrheit aufgeweicht“.

Beide Fraktionen sehen massive Verfehlungen und hohe Risiken beim Erwerb der Wohnhäuser durch die kurz zuvor gegründete Genossenschaft, die nicht einmal das erforderliche Eigenkapital für den Bezug von Förderungen in der Kasse hatte – und die staatlichen Hilfen trotzdem erhielt.

"Es gibt keinen Verstoß gegen Förderrichtlinien. Auch keine Anpassung. Es wurden innerhalb der Richtlinien Parameter für die Wirtschaftlichkeit der Häuser angepasst und auf den genossenschaftlichen Bereich zugeschnitten", sagte der Vorsitzende des Ausschusses, Frank Zimmermann, am Donnerstag bei der Vorstellung des Abschlussberichts.

Dem SPD-Politiker zufolge hätten sich alle Beteiligten "im Rahmen des Rechts bewegt". Vorwürfe mutmaßlicher "Untreue, Insolvenzverschleppung" seien durch die Staatsanwaltschaft geprüft und die Verfahren eingestellt worden. Die Senatsverwaltung für Finanzen, die landeseigene Förderbank IBB und der Innensenator hätten ihre "Pflicht erfüllt". Und "die finanziellen Risiken für das Land werden nicht eintreten". Der Ausschuss-Chef sieht gleichsam keine Fehler.

"Legal, illegal, scheißegal"

Mit diesem Fazit stand Zimmermann ziemlich alleine da. Nicht mal sein Partei-Kollege Christian Hochgrebe teilte diese Einschätzung. In der Affäre um die Ausübung des Vorkaufsrechts für sechs Häuser in Kreuzberg und eins in Schöneberg habe insbesondere der Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, Florian Schmidt (Grüne), "in Wildwestmanier" Immobilien zugunsten der Genossenschaft gekauft, obwohl diese Geschäfte "nicht gedeckt durch den Haushaltsgesetzgeber" gewesen seien.

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Nur durch die Erhöhung der Förderdarlehen und das "beherzte Eingreifen von Wohnen-Senator Sebastian Scheel" sei die Übernahme gerettet worden. Dazu seien die Darlehen für die Diese eG "erhöht worden". Dies sei "notwendig und richtig" gewesen.

"Legal, illegal, scheißegal", sagte Stefan Evers (CDU), das sei die "Motivation" der Koalition bei der Ausschüttung der gesamten landeseigenen Fördermittel für alle Berliner Genossenschaften an eine einzelne, nämlich an die Diese eG. Die Ausübung des Vorkaufsrechts zugunsten der neu gegründeten Genossenschaft hätte niemals erfolgen dürfen.

Nur weil bei der Diese eG alle sonst geltenden Prüfkriterien außer Acht gelassen worden seien, hätten die Förderungen fließen können. Als Beispiel hierfür nannte Evers das zur Förderung erforderliche eigene Kapital in Millionenhöhe, das nicht auf den Konten der Diese eG lag – gegeben habe es dies nur als "Scheinkapital". Es sei "getrickst, getäuscht, manipuliert" worden, um das politisch erwünschte Ziel einer Rettung der Diese eG zu erreichen. "Die Hauptlast haben nun die Mieter zu tragen".

Schmidt unter Beschuss

Das wollen die Grünen, deren Bezirksbaustadträte Florian Schmidt und Jörg Oltmann in der Affäre unter Beschuss stehen, nicht auf sich sitzen lassen. Andreas Otto sagte: Die privaten Käufer der später per Vorkaufsrecht "geretteten" Wohnhäuser hätten sich beharrlich geweigert, einen "Abwendungsvertrag" über verträgliche Mieten und Instandsetzungen sowie ein gedeihliches Miteinander zu unterzeichnen. Ob dies "Freunde der FDP oder Sponsoren der CDU sind, weiß ich nicht", sagte Otto.

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Weil auch keine landeseigene Firma oder sonstige Genossenschaft die Häuser übernehmen wollten, sei die Entscheidung gefallen: "Dann lass uns eine Genossenschaft gründen". Dadurch hätten "ganz konkrete Haushalte gerettet werden können". Dass die Neugründer Geld aus allen möglichen Quellen suchen mussten, sei eben so wie bei jedem anderen, der eine Immobilie kaufen will: Da würden auch Freunde, die Oma und jeder sonst Erreichbare angezapft.

"Zuschüsse, die nicht existierten"

Nur, dass jeder andere Kaufwillige dabei nicht auf die Gnade finanzierender Banken und unerwartete Zuschüsse rechnen darf, machte Bernd Schlömer (FDP) deutlich. Die Diese eG habe bei ihrer Finanzierung "mit Zuschüssen gerechnet, die nicht existieren", sie habe "am Mietendeckel vorbeigerechnet" beim Schönrechnen ihrer Einnahmen.

Die Förderbank habe mit "immer höheren Krediten" verhindert, dass die Unwirtschaftlichkeit der Immobilien offenkundig werde. Mit demselben Ziel seien die Förderzuschüsse "aufgestockt" worden. Und weil die Förderbank IBB da nicht mehr mitgehen wollte, habe sie sich "von der Wirtschaftlichkeitsberechnung freistellen lassen". Die Senatsverwaltung für Wohnen habe das dann selber übernehmen müssen.

Die präzise Kritik der Opposition an den Rechentricks zugunsten der Diese eG in der politisch links geführten Senatsverwaltung für Wohnen ließ letztlich die Erklärung der Obmänner von Rot-Rot-Grün ins Leere laufen, wonach sich das Parlament den ganzen Ausschuss hätte sparen können, wie Andreas Otto (Grüne) und Mikael Nelken (Linke) sagten. Zumal sie die Antwort auf die Frage schuldig blieben, wie Schlömer (FDP) anmahnte: "Ob die aufgeweichten Parameter für die Berechnung einer angeblichen Wirtschaftlichkeit auch für alle Genossenschaften ab jetzt gelten".

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