Impfung, Lockdown, Intensivstationen - Wie wir das Coronavirus 2021 in den Griff bekommen könnten

Sa 02.01.21 | 10:02 Uhr
Symbolbild: Eine junge Frau erhält eine Impfung in einem Corona-Impfzentrum. (Quelle: dpa/Markus Scholz)
Bild: dpa/Markus Scholz

Das Coronavirus hat uns 2020 so viel beschäftigt wie kaum ein einzelnes Thema zuvor. Und auch wenn es einen Lichtblick für 2021 gibt dank der Impfung, einige Fragen bleiben offen. Hier ein paar vorläufige Antworten. Von Haluka Maier-Borst

Welche Impfstoffe werden zugelassen und reicht das aus?

Der Impfstoff von Biontech-Pfizer ist schon zugelassen und wird bereits verimpft. Das Vakzin von Moderna wird wohl am 6. Januar zugelassen. Und auch sonst gibt es Gründe für vorsichtigen Optimismus.

Sowohl der Impfstoff von Astrazeneca als auch der Impfstoff von Johnson & Johnson befinden sich bereits im Rollin- Review-Verfahren, bei dem laufend neue Studiendaten begutachtet werden. Beide Impfstoffe zeigten zudem in früheren Studienphasen positive Ergebnisse. Würden diese beiden Impfstoffe ebenfalls zugelassen, bekäme die EU und damit auch Deutschland wohl genug um den Bedarf zu decken.

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Ursprünglich hatte die EU sich 200 Millionen Dosen des Biontech-Impfstoffes gesichert und weitere 80 Millionen Dosen von Moderna. Das würde für 140 Millionen der rund 450 Millionen EU-Bürgerinnen und Bürger reichen, weil bei beiden Impfstoffen zwei Dosen notwendig sind pro Person.

Allerdings haben die EU und Deutschland inzwischen Optionen in den Verträgen gezogen und Nachverhandlungen abgeschlossen, um mehr dieser beiden Impfstoffe zu bekommen. Und man hat sich 400 Millionen Dosen des Astrazeneca-Impfstoffes gesichert und 200 Millionen des Impfstoffs von Johnson & Johnson, der im Idealfall sogar mit einer einmaligen Impfung auskommt. Die Vorteile dieser beiden Impftstoffe: Sie sind deutlich einfacher zu lagern und billiger.

Wie gut wirken die Impfstoffe? Was sind die Nebenwirkungen?

Die beiden Impfstoffe von Biontech-Pfizer und Moderna zeigten eine Wirksamkeit von rund 95 Prozent. Bei Astrazeneca ist die Lage etwas komplizierter: Bei brasilianischen Probanden, die zwei volle Dosen des Impfstoffs bekamen, lag die Effektivität bei 62 Prozent. Bei britischen Probanden, die versehentlich bei der ersten Impfung nur die halbe Dosis bekamen, lag die Effektivität bei 90 Prozent. Wegen dieser uneinheitlichen Verabreichung hat Astrazeneca beschlossen, so weit möglich die noch laufende Studienphase III umzustellen. Noch ungeimpfte Probanden sollen beim ersten Mal die halbe Dosis bekommen [pharmazeutische-zeitung.de].

Bei Johnson & Johnson derweil stehen noch genaue Daten zur Wirksamkeit aus. Lediglich bekannt ist, dass in früheren Studien der Phase I und II sich bei 98 Prozent der Probanden auf Sars-CoV-2 reagierende Antikörper im Blut fanden [jnj.com].

Doch egal welcher Impfstoff, es bleiben offene Fragen. Denn zwar wurden die Vakzine außerordentlich schnell dank vieler Probanden geprüft. Seltenere Nebenwirkungen werden sich aber wohl erst jetzt zeigen. Eine Nebenwirkung scheint in gewissen Fällen beim Biontech-Pfizer-Impfstoff ein anaphylaktischer Schock zu sein [sciencemag.com]. Möglicher Auslöser: Nanopartikel, die genutzt werden, um die mRNA in die Körperzellen zu schleusen. Und sie taucht häufiger auf als bei anderen Imfpungen – aber immer noch extrem selten.

Normalerweise passiert ein solcher Schock bei einer von 1 Million Impfungen. In Amerika waren es nach ungefähr 300.000 Impfungen sechs Fälle. Entsprechend beobachten Forscherinnen und Forscher weiter, was während der Impfungen passiert. Dennoch gibt es keinen Grund für massive Beunruhigung.

Welche aktuellen Entwicklungen sind besorgniserregend?

Seit Wochen steigt der Anteil der älteren Erkrankten. Nun muss man diese Entwicklung mit Vorsicht interpretieren. Um die Laborkapazitäten besser zu nutzen, konzentriert sich die aktuelle Teststrategie vor allem auf die Alten und die Vulnerablen.

Doch die Tatsache, dass sich in immer mehr Gegenden die Lage auf den Intensivstationen zuspitzt, zeigt, dass der größere Anteil an Alten unter den erkannten Infizierten wohl nicht nur einer anderen Teststrategie geschuldet ist. Und noch ist keine Besserung der Lage in Sicht.

Wie viele Sorgen sollte einem die “britische” Mutation des Virus machen?

Die gute Nachricht: Nach allem, was man weiß, scheint die Mutation nicht tödlicher zu sein oder mehr schwere Verläufe zu verursachen. Auch erste vorsichtige Analysen deuten daraufhin, dass der Biontech-Pfizer-Impfstoff und auch der Moderna-Impfstoff wohl gegen die neue Variante wirken.

Die schlechte Nachricht: Es verdichten sich die Anzeichen, dass die Mutation wohl rund 50 Prozent ansteckender ist [github.io] und damit tatsächlich kurzfristig mehr Hospitalisierungen und mehr Tote verursachen kann.

Den scheinbaren Widerspruch hat der britische Epidemiologe Adam Kucharski von der London School of Hygiene & Tropical Medicine beispielhaft auf Twitter illustriert [twitter.com].

Wenn mit jeder Generationszeit sich fünfzig Prozent mehr Leute anstecken als bei den bisherigen Sars-CoV-2-Varianten, so sind nach zwei Generationen schon mehr als doppelt so viele Menschen angesteckt. Nach fünf Generationen (ungefähr einem Monat) wären das siebeneinhalb Mal so viele Infizierte wie bei den anderen Varianten. Selbst wenn also die Sterblichkeit bei demselben Wert bleibt: Wenn sich insgesamt siebeneinhalb Mal mehr Menschen anstecken, so sterben auch siebeneinhalb Mal mehr Menschen.

Wieso die neue Variante sich effektiver ausbreitet, darüber rätseln die Forscherinnen und Forscher noch. Für den Moment erscheinen unter anderem diese drei Mechanismen wahrscheinlich [vox.com]:

1. Das Spike-Protein des Virus hat sich so verändert, dass es leichter in Körperzellen eindringen kann.

2. Das Virus kann sich schneller im menschlichen Körper vermehren, so dass Menschen früher ansteckend werden.

3. Möglicherweise kann sich das Virus auch besser gegen die Immunantwort des Körpers stemmen und somit ebenfalls leichter Körperzellen befallen.

All das bedeutet aber auch: Masken, Abstand halten und das Reduzieren von Kontakten funktionieren weiterhin, wie die Epidemiologin Emma Hodcroft von der Universität Bern es gegenüber dem Magazin "New Scientist" erklärte [newscientist.com]. Virolog/innen und Epidemiolog/innen raten darum, die Zahl der Infizierten möglichst niedrig zu halten, um die weitere Ausbreitung dieser Mutation zu verhindern und auch dass sich weitere problematische Varianten entwickeln.

Wann wird der Lockdown enden?

Das ist und bleibt eine der schwierigsten Fragen. Es zeichnet sich aber wohl ab, dass die Zeit bis zum 10. Januar nicht ausreicht – wenn die aktuelle SARS-CoV-2-Verordnung außer Kraft tritt.

Zum einen sind die aktuellen, gemeldeten Fallzahlen deutlich höher, als sie beim ersten Lockdown im Frühjahr 2020 waren. Und das obwohl derzeit sowohl eine hohe Testpositivtätsquote als auch eine Änderung der Teststrategie vermuten lassen, dass die Dunkelziffer an Infektionen hoch ist.

Zum anderen ist auch die Mobilität der Menschen im zweiten Lockdown deutlich weniger zurückgegangen als im ersten Lockdown. Erst jetzt erreicht die Mobilität ein ähnlich niedriges Niveau wie im Frühjahr. Wie sehr allerdings ein Feiertagseffekt hier mit hineinspielt, bleibt abzuwarten.

Dennoch muss man vorsichtig bei der Interpretation all dieser Indikatoren sein. Es gibt Studien, die nahelegen, dass auch bei einer niedrigen Testpositivitätsquote durchaus ein großer Teil an Infektionen unerkannt bleiben kann [nature.com]. Und natürlich ist die Lage aktuell eine andere dank Schnelltests, die es im Frühjahr nicht gab. Möglich ist zum Beispiel, dass aktuell die Positivitätsquote so hoch ist, weil viele PCR-Tests nur noch gemacht werden, um positive Ergebnisse von Schnelltests gegenzuprüfen.

Des Weiteren muss ein Anstieg der Mobilität nicht notwendigerweise heißen, dass mehr Menschen sich anstecken. Das zeigte das Ende des ersten Lockdowns im Frühjahr. Die Mobilität stieg und die Zahl der Neuinfektionen blieb trotzdem niedrig. Denn hypothetisch angenommen, wenn alle doppelt so viel draußen joggen, aber anderen Leute aus dem Weg gehen, würde das Mehr an Bewegung nicht mit mehr Situationen für Infektionen einher gehen.

Nicht zuletzt weiß man bei aller verbleibenden Ungewissheit inzwischen wesentlich mehr über das Virus als im Frühjahr. Wie es sich überträgt, welche Situationen besonders risikoreich sind und welche Faktoren schwere Verläufe wahrscheinlicher machen.

Dennoch: Vieles deutet daraufhin, dass die Lage aktuell in vielen Punkten dramatischer ist als im Frühjahr und es nur langsamer gelingt, die Zahl der Neuinfektionen zu drücken. Entsprechend werden wohl massive Einschränkungen vorerst anhalten.

Wann wird es wieder Normalität geben?

Die Impfungen laufen bereits, trotzdem wird es eine ganze Weile dauern, bis diese einen tatsächlichen Effekt auf das Infektionsgeschehen haben. Aktuell ist auch unklar, ob die Impfstoffe nur eine eigene Erkrankung verhindern oder ob sie auch verhindern, dass man andere anstecken kann. Entsprechend sollten auch Geimpfte vorerst Mund-Nase-Schutz tragen, um andere zu schützen wie zum Beispiel Expert/innen auf der Webseite der "New York Times" erklären [nyt.com].

Somit bleibt es schwierig zu sagen, wann genau wieviel Normalität wieder möglich ist. Sollte sich herausstellen, dass Impfungen auch das Weitertragen des Virus stoppen, wäre dies wohl früher der Fall. Sollte das Vakzin wirklich nur die Geimpften schützen, würde das die positive Entwicklung verlangsamen.

Hinzu kommt die Frage, welchen Maßstab man genau als ausreichende Immunität ansieht. Geht es darum, erstmal alle besonders Gefährdeten zu schützen, würde der Wert bei ungefähr 40 Prozent der Bevölkerung liegen. Das ist zumindest laut Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) der Bevölkerungsanteil der Risikogruppen [t-online.de]. Setzt man den Wert dagegen bei der Herdenimmunität an, so könnte der Wert bei rund 75 Prozent liegen [sciencemag.com].

Trotzdem gehen Experten und Expertinnen vorsichtig davon aus, dass der Winter 2021 deutlich normaler verlaufen wird als der aktuelle.

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