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  4. Verkehr: „Autohasserwahn“? Heftiger Zoff zwischen CDU und Grünen in Berlin

Zündstoff-Thema Verkehrspolitik: In Berlin entbrennt Mega-Streit über angeblichen "Autohasserwahn" der Grünen
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Radfahrer sind bei der Sternfahrt an der Siegessäule unterwegs.
Annette Riedl/dpa/Archivbild Radfahrer sind bei der Sternfahrt an der Siegessäule unterwegs.
Donnerstag, 19.08.2021, 18:40

Wird Berlin von weltfremden Autohassern regiert? Oder lebt die Opposition aus CDU, FDP und AfD in der Vergangenheit? Im Abgeordnetenhaus der Hauptstadt trafen am Donnerstag zwei äußerst verschiedene Visionen zur Zukunft des Verkehrs aufeinander.

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Rund fünf Wochen vor der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus hat die Opposition der rot-rot-grünen Koalition ein vernichtendes Zeugnis in der Verkehrspolitik ausgestellt. CDU, AfD und FDP sprachen am Donnerstag in einer Parlamentsdebatte von einer vor allem gegen Autofahrer gerichteten Politik, die auf Verbote, Gängelung, Umerziehung und irreale Visionen einer autofreien Stadt setze statt auf ein Miteinander aller Verkehrsträger.

„So kann es nicht weitergehen“, sagte der verkehrspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Oliver Friederici, und warf der Koalition „Autohasserwahn“ vor. SPD, Grüne und Linke verteidigten hingegen die Verkehrswende hin zu weniger Autolärm, Abgasen und tödlichen Unfällen und verwiesen auf viele Fortschritte seit 2016.

Friederici meinte, Rot-Rot-Grün, vor allem die Grünen, wollten die Menschen in Busse und Bahnen „zwingen“. Die Koalition weise blindwütig Radwege aus, erzeuge bewusst Staus etwa durch schlechte Ampelschaltungen, weise sinnlose Tempo-30-Zonen aus und sperre willkürlich Straßen für Autofahrer. Weltweit bauten Metropolen neue U-Bahnen. „Nur in Berlin geht das nicht.“ Friederici: „U-Bahn-Strecken müssen endlich schneller geplant und gebaut werden.“ Ferner sei die CDU für einen Ausbau des Bus-Verkehrs auch an den Stadträndern und bessere Verbindungen mit dem Brandenburger Umland.

Oliver Friederici, verkehrspolitische Sprecher der Berliner CDU-Fraktion, spricht im Abgeordnetenhaus.
Christoph Soeder/dpa Oliver Friederici, verkehrspolitische Sprecher der Berliner CDU-Fraktion, spricht im Abgeordnetenhaus.

„Bullerbü des Stillstandes“?

In dieselbe Kerbe schlug der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD, Frank-Christian Hansel. „Sie wollen den Bürgern der Hauptstadt aufzwingen, wie sie sich zu bewegen haben“, sagte er an die Adresse der Koalition. SPD, Grüne und Linke hätten die Stadt „um Tausende Parkplätze beraubt“ und Straßen zu Begegnungszonen umgebaut, die niemand brauche. Die für Autos gesperrte Friedrichstraße sei zur „Raserstrecke für Kampfradler“ geworden. Mit dieser „Autohasserpolitik“ müsse Schluss sein.

Der FDP-Verkehrsexperte Henner Schmidt warf Rot-Rot-Grün vor, aus Berlin ein „Bullerbü des Stillstandes“ machen zu wollen. Diese Vision vor allem der Grünen sei kitschig, piefig, spießig. Eine Metropole sei aber Tag und Nacht in Bewegung. „Freie, grüne, ruhige Straßen gibt es in der Großstadt nicht.“

Gespaltene Hauptstadt

Die Verkehrswende ist in Berlin ein heiß diskutiertes Thema. Nach einer Umfrage des Automobilclubs ADAC aus dem letzten Dezember ist es 56 Prozent der Berliner wichtig, auch in Zukunft in der Metropole Auto zu führen. Das bedeutet auch: Etwa die Hälfte der Bewohner der Stadt legt keinen großen Wert mehr darauf.

Vor allem die Frage nach der Verkehrssicherheit treibt viele Hauptstädter um: Im Jahr 2020 sind 17 Radfahrer bei Unfällen mit Lastwagen oder Pkws ums Leben gekommen, das sind dreimal so viele wie 2019. Eine Initiative namens „Berlin autofrei“ sammelte für ein Volksbegehren mehr als 50.000 Unterschriften in drei Monaten – nötig wären 20.000 Signaturen in sechs Monaten gewesen.

Autos, LKW und Lieferfahrzeuge fahren auf dem Kaiserdamm in der Hauptstadt stadteinwärts.
Michael Kappeler/dpa/Archivbild Autos, LKW und Lieferfahrzeuge fahren auf dem Kaiserdamm in der Hauptstadt stadteinwärts.

Grüne: „Wilde Behauptungen“

Der Grünen-Verkehrspolitiker Harald Moritz wies die aus seiner Sicht „wilden Behauptungen“ der Opposition zurück. Die Verkehrswende sei in der Stadtgesellschaft angekommen, viele Menschen wollten sie. Daher setze seine Partei neben dem Ausbau des ÖPNV, in den so hohe Milliardensummen wie schon lange nicht mehr investiert würden, auf mehr Radwege, mehr Tempo 30, mehr autofreie Straßen.

Wie Moritz verwies auch der Linke-Politiker Kristian Ronneburg auf Erfolge der Koalition. „Wir haben dafür gesorgt, dass ÖPNV bezahlbar bleibt“, zählte er auf. Noch nie habe es so viele Investitionen und Personal für den Radverkehr gegeben: Neue, geschützte Radstreifen und Fahrradstraßen seien in den Kiezen entstanden. „Wir bauen auch den ÖPNV aus“, so Ronneburg und nannte eine Taktverdichtung und die Bestellung von 1500 neuen U-Bahn-Wagen als Beispiele. Aktivisten monieren allerdings seit Jahren, dass die Stadt Berlin ihren selbstgewählten Verpflichtungen zum Ausbau der Radwege deutlich hinterherhinkt. 

Auch die SPD kritisiert die Grünen

Der SPD-Politiker Tino Schopf verwies auf Deutschlands erstes Mobilitätsgesetz in Berlin. „Wir haben damit klare Prioritäten auf den ÖPNV gelegt.“ Das gelte auch für die schwächsten Verkehrsteilnehmer, also Fußgänger und Radfahrer. Schopf äußerte aber auch Kritik an der an der von der Grünen-Senatorin Regine Günther geführten Verkehrsverwaltung. Sie habe es nicht geschafft, den Ausbau der U-Bahn in Gang zu bringen und den Radwegeausbau zu beschleunigen. „Dies sind Verzögerungen, die wir uns künftig nicht leisten dürfen und leisten wollen.“

Regine Günther (Bündnis90/ Die Grünen), Senatorin für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz.
Annette Riedl/dpa/Archivbild Regine Günther (Bündnis90/ Die Grünen), Senatorin für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz.

Günther selbst machte im Parlament deutlich, dass sie keine Alternative zu einer ökologischen Verkehrswende sieht und verwies auf die globale Erderwärmung. „Nur wenn sich unsere Art und Weise des Wirtschaftens und des Lebens, nur wenn sich unsere Technologien und Strukturen so schnell und so deutlich verändern, haben wir eine Chance, die schlimmsten Klimaveränderungen aufzuhalten“, mahnte sie.

„Dies alles bedeutet, dass sich auch Berlin ändern muss.“ Dass betreffe die drei Bereiche Energienutzung, Stadtgestaltung und Mobilität. „Ein „Weiter wie bisher“ ist keine Option, es wäre unverantwortlich“, so Günther. Deshalb wolle sie die das Klima schädigenden Emissionen des Verkehrs bis spätestens 2045 auf Null zurückfahren. „Wir werden den Verbrennerantrieb in Berlin hinter uns lassen.“

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