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EM-Finale gegen England

Giorgio Chiellini ist das Herz der Italiener – aber aktuell ohne Klub

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Giorgio Chiellini (36) wird auch am Sonntag, vor seinem 112. Länderspiel, den Arm um Torwart Gianluigi Donnarumma (22) legen. Er wird die Augen schließen, und dann wird ihm wieder dieses Lausbuben-Grinsen übers Gesicht huschen, weil er weiß: Gleich darf ich singen.

Von Phillip Arens

Keiner zelebriert die Hymne „Il Canto degli Italiani“ („Das Lied der Italiener“) schöner. Keiner brüllt die ersten Worte „Fratelli d’Italia“ („Brüder Italiens“) lauter als „Chiello“.

Musik spielt generell eine wichtige Rolle beim besten Team dieser EM, das alle sechs Spiele gewann. Abwehrchef Chiellini verriet während des Turniers. „Auf unseren Busfahrten oder im Zug, vor und nach den Trainingseinheiten und Spielen, haben wir Spaß beim Musizieren. Unsere Playlist ist voll mit neapolitanischen Liedern. Ich musste erst mal den Refrain der Lieder lernen, um mitmachen zu können“, lachte der Mann aus der Toskana.

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Ein entspannter Giorgio Chiellini spricht am Tag vor dem EM-Finale auf der offiziellen Pressekonferenz (Foto: -/AFP)

Man kann sich ausmalen, wie die Azzurri erst singen werden, wenn sie heute England schlagen und zum zweiten Mal nach 1968 Europameister werden.

Für Chiellini wäre es die Krönung seiner unglaublichen Karriere. Er war Meister in der Serie C mit Livorno, Meister der Serie B mit Juve und wurde neunmal Meister der Serie A mit der „Alten Dame“. Dazu kamen je fünf Pokalsiege und Supercup-Gewinne.

Aber der große internationale Titel, der fehlt ihm. Noch …

Kurios: Aktuell ist Chiellini ohne Klub. Sein Vertrag in Turin lief am 30. Juni aus. Bislang hat der langjährige Kapitän noch nicht verlängert. Sein Team ist derzeit also die „Nazionale“, für die er seit der U15 in jeder Auswahl gespielt hat. Auch bei Olympia 2004 – damals holte er mit Italien Bronze.

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Auch vor dem EM-Finale am Sonntag werden Giorgio Chiellini (r.) und seine Team-Kollegen wieder voller Inbrunst die italienische Hymne „Il Canto degli Italiani“ singen (Foto: picture alliance / Newscom)

Fußball geht bei Chiellini nicht ohne Spaß. Das bekam die ganze Welt bei der Seitenwahl vor dem Elfmeterschießen im EM-Halbfinale gegen Spanien zu sehen, als er den sichtlich überforderten spanischen Kapitän Jordi Alba (32) foppte, knuffte und knuddelte. Für viele hatten die Italiener durch Chiellinis Aktion das Psychospiel schon vor dem ersten Schuss gewonnen.

Fußball ist für Capitano Giorgio aber vor allem eins: Leidenschaft.

Auf dem Platz ist er ein Verteidiger, an dem sich die Stürmer die Zähne ausbeißen – durchaus auch mal im wahrsten Sinne des Wortes. Legendär, wie Uruguays Luis Suárez (34) bei der WM 2014 verzweifelt seine Zähne in Chiellinis linke Schulter rammte.

In seiner 2020 erschienenen Autobiografie „Io, Giorgio“ („Ich, Giorgio“) schreibt Chiellini über diese Szene: „Um ehrlich zu sein, ich bewundere seine Gerissenheit. Wenn er das verlieren würde, wäre er nur noch ein gewöhnlicher Stürmer.“ Kein Wort des Grolls, stattdessen die klare, ungeschminkte Botschaft: Um Erfolg zu haben, muss man auch mal ein Drecksack sein.


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Chiellini ist kein eleganter Spieler, sondern ein Arbeiter. Einer, der eine Grätsche wie ein Tor feiert. Im EM-Eröffnungsspiel gegen die Türkei verhindert er beim Stand von 3:0 in der Nachspielzeit einen Gegentreffer, als er den Schuss von Burak Yilmaz (35) zur Ecke lenkt. Die Rettungstat wurde von ihm und seinen Kollegen bejubelt wie ein Siegtreffer …

Die verpasste WM-Quali 2018 war für das Land eine sportliche Katastrophe, die aber der Verband zum konsequenten Neuaufbau unter Trainer Roberto Mancini (56) nutzte. „Es bedeutet viel, bei der EM dabei zu sein“, sagte Chiellini vor dem EM-Start, „dass wir in der Qualifikation gescheitert sind, das bleibt für immer in einem drin. Aber wir haben in den letzten Jahren die Enttäuschung in den Willen umgewandelt, es besser zu machen.“

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Immer mit Leidenschaft dabei: Italiens Kapitän Giorgio Chiellini (Foto: ETTORE FERRARI/AFP)

Fußball ist Chiellinis Leben, aber es ist nicht alles in seinem Leben: Er studierte nebenbei BWL und schrieb 2017 seine Master-Arbeit an der Universität Turin. Thema: „Das Business-Modell des Juventus Football Club im internationalen Kontext“. Er schloss seinen Master mit der bestmöglichen Bewertung ab: Summa cum laude.

Chiellini – ein Akademiker, der es privat ruhig liebt. Die Hochzeit 2014 mit seiner Jugendliebe Carolina (sie haben zwei Töchter) war „stinknormal“, wie er es im „Blick“ einmal beschrieb: „Erst der kirchliche Teil in der Hafenstadt Livorno, dann die Party im Dörfchen Castagneto Carducci mitten in der Toskana. 250 geladene Gäste, italienisches Büffet, Pasta.“ Einziger Luxus: ein Feuerwerk.

Das nächste Feuerwerk soll es heute in Wembley geben – nach dem Sieg im EM-Finale über England. Wenn Capitano Chiellini den Pokal in den Abendhimmel von London stemmt …

Themen: Euro 2020 Euro 2021 Fußball-EM 2021 Italienische Nationalmannschaft
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