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Diepgen & Momper

Soll Berlin Flüchtlinge aus Afghanistan aufnehmen?

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Einmal die Woche diskutieren in der B.Z. Berlins Ex-Regierende Eberhard Diepgen (CDU) und Walter Momper (SPD) über aktuelle Themen. Heute geht es um die Aufnahme von Flüchtlingen aus Afghanistan.

Eberhard Diepgen: Ja, wir haben nach dem Abzug weiter Verantwortung

Bei der Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland und der Europäischen Union müssen strikte Regeln eingehalten werden.

Selbstverständlich ist die Aufnahme von Menschen, die mit guten Argumenten Asyl beantragen. Richtig ist auch die zunächst vorübergehende Aufnahme von Kriegsflüchtlingen. Und ganz schwierig wird es bei der Völkerwanderung, die die besseren Lebensbedingungen in Deutschland zum Ziel hat. Deutschland wird sich dieser Zuwanderung nicht ganz verschließen können.

Aber alles in Maßen, weder wirtschaftlich noch psychologisch darf unsere Gesellschaft überfordert werden. Bei Afghanistan sehe ich das ganz anders. Deutschland und die NATO haben sich in diesem Land engagiert und haben im Ergebnis nichts erreicht.

Alle, die mit den westlichen Streitkräften und sonstigen Organisationen zusammengearbeitet haben, haben sie mit dem Abzug allein zurückgelassen und den Schikanen der Taliban ausgesetzt. Die werden offensichtlich nicht aufzuhalten sein Die Aufnahme der ehemaligen Mitarbeiter und ihrer engeren Familie sollte selbstverständlich sein.

Nicht ernst zu nehmen ist doch der Versuch des Auswärtigen Amtes, mit den Taliban einen menschenwürdigen Umgang mit den Betroffenen zu vereinbaren. Mich bedrückt und entsetzt der bürokratische Aufwand, der jetzt bei Einreiseanträgen ehemaliger Mitarbeiter getrieben wird. Wenn sich da ein paar reindrängeln, die es nicht verdient haben, geht die Welt auch nicht unter.

Aber ich gehe im Falle Afghanistan noch einen Schritt weiter. Mit der Intervention in Afghanistan hat der Westen auch nach dem wenig ruhmreichen Abzug weiter Verantwortung für die Menschen, denen die Verwirklichung einer ganz anderen Gesellschaft in Aussicht gestellt wurde.

Deutschland ist auch mitverantwortlich für all das, was jetzt auf die Menschen in diesem Land zukommt. Wir können nicht allein die Welt retten. Aber eine größere Zahl von Flüchtlingen aus Afghanistan müssen wir auch in Berlin aufnehmen.


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Walter Momper: Ja, das werden wir wohl müssen

Die Aufnahme von Flüchtlingen aus Afghanistan ist die ganz normale humanitäre Verpflichtung, denn den Flüchtlingen, die in ihrem Land von der Verfolgung durch die Taliban bedroht sind, muss geholfen werden.

Natürlich haben wir eine besondere Verpflichtung, ihnen zu helfen, weil die Bundeswehr in ihrer Zeit in Afghanistan viele heimische Menschen beschäftigt hat. Die Zahl der Toten durch Kampfhandlungen in Afghanistan ist schon jetzt deutlich angestiegen. Abschiebungen nach Afghanistan kommen wegen der Verfolgung dort gar nicht mehr infrage.

Nicht einmal für Afghanen, die in Deutschland straffällig geworden sind. Normalerweise würden die auf jeden Fall in ihr Heimatland abgeschoben. Bei den unklaren Verhältnissen, der Herrschaft der Taliban und der Drohung gegen die früheren Helfer der dort tätigen fremden Truppen ist das jedoch gar nicht möglich.

Wichtig ist auch die Aufnahme von unbegleiteten jugendlichen afghanischen Flüchtlingen aus Griechenland, die dort in den überfüllten Lagern, wie Moria, leben. Bisher sind die Zahlen der Aufnahmen in Deutschland je eher gering. Aber ich denke, die sollte man steigern. Auch wenn andere Länder sie nicht aufnehmen, so wäre es gut, wenn sie nach Deutschland kommen dürften und hier auf die Bundesländer nach dem üblichen Schlüssel verteilt werden.

Viele Städte und Gemeinden in Deutschland haben sich schon bereit erklärt, diese unbegleiteten jugendlichen Flüchtlinge aufzunehmen und bei sich zu integrieren. Das ist eine besondere humanitäre Aufgabe, der wir uns nicht verweigern dürfen.

Niemand weiß, was aus Afghanistan jetzt werden wird. Womöglich wird das Land in einen Bürgerkrieg stürzen und die Zahl der Flüchtlinge wird in die Tausenden gehen. Da sollten wir auch den Ländern helfen, die die Flüchtlinge in erster Linie aufnehmen, also der Türkei und dem Iran.

Die internationale Gemeinschaft kann nicht einfach abwarten, was passiert, sondern wir müssen helfen, so wie wir es mit der von uns entsandten Bundeswehr auch immer gewollt haben.

Themen: Afghanistan Eberhard Diepgen Flüchtlinge in Berlin Walter Momper
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