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In Sanssouci um Punkt 16.45 Uhr

So feierte der letzte deutsche Monarch Wilhelm II. Heiligabend

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In vielen Familien ist das Ritual des Ablaufs an Heiligabend jedes Jahr gleich. Und so hielt es auch Berlins letzter Kaiser Wilhelm II. (1859–1941). Wie der Monarch mit seiner Gattin Auguste Viktoria (1881–1921) und ihren sieben Kindern feierte, weiß der Schlösser-Experte Jörg Kirschstein (51).

Als Archivar durchforstete er zwei Jahre lang Dokumente zum Neuen Palais, veröffentlichte in einem Buch zum 250. Jubiläums des Prachtbaus auch einen kolorierten Druck von Fritz Grotemeyer (1864–1947) aus dem Jahr 1897, das die kaiserliche Weihnacht zeigt. „Den Druck hat eine Freundin von mir vor einigen Jahren bei Ebay entdeckt“, so Kirschstein.“

So zeichnete Fritz Grotemeyer das kaiserliche Weihnachten 1897: links mittig das Kaiserpaar, vor ihnen Prinzessin Viktoria Luise (5), Kronprinz Wilhelm (15) am Fahrrad, Eitel Friedrich (14) links neben ihm, Adalbert (13) trägt ein Schiff, Oskar (9) hält ein Buch, auf dem Boden sitzt Joachim (7) und auf dem Schaukelpferd August Wilhelm (10) (Foto: Privat)
So zeichnete Fritz Grotemeyer das kaiserliche Weihnachten 1897: links mittig das Kaiserpaar, vor ihnen Prinzessin Viktoria Luise (5), Kronprinz Wilhelm (15) am Fahrrad, Eitel Friedrich (14) links neben ihm, Adalbert (13) trägt ein Schiff, Oskar (9) hält ein Buch, auf dem Boden sitzt Joachim (7) und auf dem Schaukelpferd August Wilhelm (10) (Foto: Privat)

Man sieht die Preußen-Royals im prachtvollen Grottensaal des Neuen Palais in Sanssouci. „Darüber, wie der Abend ablief, gibt es Aufzeichnungen eines Kastellans, die in unserem Archiv aufbewahrt werden. Außerdem berichtet Prinzessin Viktoria Luise in ihren 1967 veröffentlichten Erinnerungen davon.“

„Zum Teil sind sogar noch die Speisekarten im Archiv erhalten“

Demnach wurden die Weihnachtsbäume jedes Jahr im nahe gelegenen Wildpark geschlagen, das Schmücken im Grottensaal überwachte das Kaiserpaar am 23. Dezember höchstselbst. Es gab für jedes Kind auf Wunsch von Kaiserin Augusta einen eigenen Baum, weiß Kirschstein: „Es wurde darauf geachtet, dass die Größe der Christbäume etwa dem Alter der Kinder entsprach.“ Auch das Kaiserpaar bekam jeweils eine Tanne, kleinere Bäume waren in den vier Fontänenbecken des Saales verteilt.

Der Grottensaal des Neuen Palais (klein) im Park Sanssouci war von 1890 bis 1917 der Schauplatz der kaiserlichen Weihnacht
Der Grottensaal des Neuen Palais (klein) im Park Sanssouci war von 1890 bis 1917 der Schauplatz der kaiserlichen Weihnacht (Foto: Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, bpk) Foto: Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, bpk

Die Feier am Heiligabend begann um 16 Uhr mit einem Weihnachtsdinner, an dem neben der Familie auch Hofdamen, Flügeladjutanten und Erzieher teilnahmen. „Zum Teil sind sogar noch die Speisekarten im Archiv erhalten“, so Kirschstein. „Es gab Karpfen blau, dann Schinkenauflauf mit grünem Spargel, gefolgt von der Weihnachtsgans.“ Das Dessert bestand unter anderem aus Mince Pie, einem Mürbegebäck mit Rosinen- und Apfelfüllung.

„Da die Mutter des Kaisers aus dem englischen Königshaus stammte, hatte sie einige Gebräuche aus ihrer Heimat mitgebracht, so auch einen Christmas Pudding, den es ebenfalls als Nachtisch gab“, weiß Kirschstein zu berichten.

Und was gab es geschenkt?

Punkt 16.45 Uhr begann die Bescherung, es öffneten sich die Türen zum Grottensaal, bei dem der Teppich zuvor entfernt wurde, damit kein Wachs darauf tropfen konnte. „Das Anzünden der Kerzen war ein besonderes Schauspiel“, so Kirschstein. Die Lichter auf den neun großen Weihnachtsbäumen fingen nämlich nacheinander an zu brennen, erzählt Kirschstein: „Die Dochte der Kronleuchter waren untereinander verbunden und auch mit den Kerzen der Christbäume. Die Lampiers mussten nur einen entzünden, und das Licht ging nacheinander auf die Bäume über.“ Im Vestibül standen allerdings Wassereimer für den Brandfall zum Löschen bereit.

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Aufnahme aus den 1890er-Jahren, Wilhelm II., Auguste Viktoria und die Kinder Wilhelm (re. neben dem Kaiser sitzend), Eitel Friedrich, Adalbert (stehend), Oskar, Joachim und August Wilhelm (unten, v. li.) und Prinzessin Viktoria Luise im weißen Kleid (Foto: picture alliance / Keystone)

Und was gab es geschenkt? „Das Bild zeigt eine recht bürgerliche Auswahl“, so Kirschstein. „Es gab Bücher, Spielzeug, eine Puppe für die Prinzessin, ein Fahrrad für den Kronprinzen.“ Gegen 19.15 Uhr war die Bescherung für die kleineren Kinder vorbei, „sie wurden ins Bett in die zweite Etage geschickt.“

Erwachsene trafen sich zu einer zweiten Abendtafel

Die Erwachsenen trafen sich um 20.30 Uhr zu einer zweiten Abendtafel im Grottensaal. „Hierbei wurden die Speisen durch einen unterirdischen Gang unter dem Ehrenhof aus den Wirtschaftsgebäuden zum Neuen Palais gefahren“, berichtet Experte Kirschstein. „Im Keller gab es Wärmeschränke aus Metall für die Teller und Platten. Den Gang hatte Kaiser Wilhelm II. 1889 selbst anlegen lassen, er fand es einer Residenz unwürdig, dass seine Gäste das Personal über den Hof laufen sahen.“ Um 23 Uhr war das Weihnachtsfest offiziell beendet.

Zum Gottesdienst ging die Kaiser-Familie erst am 25. Dezember. Entweder zur Garnisonkirche in Potsdam oder der Friedenskirche in Sansouci. Kirschstein erzählt: „Wenn das Wetter schön war, ging der Kaiser sogar zu Fuß zurück ins Schloss.“ Um danach weiter zu feiern, ganz en famille.

Themen: Kaiser Wilhelm Preußen Weihnachten
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