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Ein Staatsanwalt packt aus

Im Knast herrscht das Gesetz von Drogen und Gewalt

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Gewalt unter Knackis, Angriffe auf Bedienstete, Gefängnisausbrüche: Personalmangel und fehlende Ausstattung. Laut Oberstaatsanwalt Ralph Knispel (60) hat das auf die Berliner Vollzugsanstalten verheerende Auswirkungen.

„Die Einrichtungen dienen sowohl dem Schutz der Allgemeinheit als auch der Resozialisierung von Gefangenen. Am Erreichen beider Vollzugsziele hapert es teils in erschreckendem Maße“, schreibt Knispel in seinem Buch „Rechtsstaat am Ende“.

Ist auch der Knast am Ende?

2700 Mitarbeiter seien bei aktuell 3297 Insassen in Berliner Anstalten tätig, erwidert ein Sprecher von Justizsenator Dirk Behrendt (49, Grüne) auf B.Z.-Anfrage: „Wir haben einen Personalmangel von mehreren hundert Stellen von CDU-Justizsenator Heilmann übernommen. Wir bilden deshalb verstärkt aus, was dazu führt, dass wir den Personalmangel konstant abbauen und den Justizvollzug weiter stärken.“

Oberstaatsanwalt Ralph Knispel (60) beklagt in seinem Buch „Rechtsstaat am Ende“ auch die Zustände in Berliner Gefängnissen
Oberstaatsanwalt Ralph Knispel (60) beklagt in seinem Buch „Rechtsstaat am Ende“ auch die Zustände in Berliner Gefängnissen (Foto: Ullstein)

Aber: Allein 2018 wurden 918 Delikte innerhalb von Berliner Haftanstalten verzeichnet, bis September 2019 waren es bereits 705 Taten – die Dunkelziffer dürfte um einiges höher sein, so Knispel.

Hunderte Handys würden in die Zellen geschmuggelt – die umstrittenen Handy-Blocker werden aber ausschließlich in der Jugendstrafanstalt Plötzensee erfolgreich angewandt.

Mit speziell ausgebildeten Hunden werden Berliner Gefängniszellen regelmäßig nach Drogen und Telefonen durchsucht, um zu verhindern, dass Gefangene sie in Haftanstalten einschleusen. Die Einsätze von Drogenspürhunden seien laut der Senatsverwaltung für Justiz zuletzt verdreifacht worden (Foto: dpa)
Mit speziell ausgebildeten Hunden werden Berliner Gefängniszellen regelmäßig nach Drogen und Telefonen durchsucht, um zu verhindern, dass Gefangene sie in Haftanstalten einschleusen. Die Einsätze von Drogenspürhunden seien laut der Senatsverwaltung für Justiz zuletzt verdreifacht worden (Foto: dpa)

Und auch der Drogenhandel hinter Gittern boomt. Demnach gelte ein Viertel der Häftlinge als drogen- oder medikamentenabhängig.

Inzwischen würden deswegen vermehrt Kontrollen, auch mit Drogenspürhunden, durchgeführt.


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Und die Gewalt explodiert. Sowohl unter den Gefangenen als auch gegen Bedienstete.

In der JVA Tegel versuchte ein Häftling 2015 einen „Mitgefangenen zu töten – er vermutete, der andere würde hinter seinem Rücken schlecht über ihn reden“.

Im Werkbetrieb bastelten Insassen der JVA Heidering 2018 eine täuschend echt aussehende Pistole (Foto: Privat)
Im Werkbetrieb bastelten Insassen der JVA Heidering 2018 eine täuschend echt aussehende Pistole (Foto: Privat)

In der JVA Charlottenburg wurde ebenfalls 2015 eine Beamtin mit einem Küchenmesser attackiert. Häftlinge mussten die Frau retten, weil kein weiterer Bediensteter in der Nähe war.

Knispel zitiert den Vorsitzenden der „Gewerkschaft Strafvollzug Landesverband Berlin e. V.“ Thomas Goiny: „Dass Häftlinge einer Beamtin zu Hilfe kommen müssen, kommt einer Kapitulation vor dem System in den Haftanstalten gleich, das sich durch jahrelange Personaleinsparungen etabliert hat.“

Im Nato-Zaun der JVA Moabit hängt noch eine Jacke. Im Mai 2014 gelang zwei Insassen die Flucht aus der Anstalt. Die Häftlinge sägten die Gitterstäbe auf, seilten sich an Bettlaken und Tüchern ab. Die Wachtürme? Seit Jahren nicht besetzt. Die wegen Mordes und Betruges verurteilten Gefangenen wurden erst Wochen nach dem Ausbruch gefasst (Foto: Olaf Wagner)
Im Nato-Zaun der JVA Moabit hängt noch eine Jacke. Im Mai 2014 gelang zwei Insassen die Flucht aus der Anstalt. Die Häftlinge sägten die Gitterstäbe auf, seilten sich an Bettlaken und Tüchern ab. Die Wachtürme? Seit Jahren nicht besetzt. Die wegen Mordes und Betruges verurteilten Gefangenen wurden erst Wochen nach dem Ausbruch gefasst (Foto: Olaf Wagner)

Immer wieder käme es außerdem zu Ausbrüchen. Über die damit einhergehende Gefahr für die Bevölkerung schreibt Knispel: „Es darf nicht sein, dass strukturelle und personelle Schwachstellen die Flucht von Häftlingen begünstigen, darunter zum großen Teil Personen, die wegen schwerer und schwerster Straftaten – darunter Gewalt- und Sexualverbrechen – einsitzen.“

Themen: Dirk Behrendt Gefängnis Gewalt justiz Ralph Knispel Staatsanwalt
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