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Tatverdächtiger freigelassen

Justiz-Hammer! Berliner Gericht verbietet Nutzung von „EncroChat“-Daten

Das Landgericht Berlin
Das Landgericht Berlin Foto: jka

Justiz-Hammer! Ein Berliner Gericht hat erstmals die Verwendung abgefangener Nachrichten aus dem Verschlüssungsdienst „Encrochat“ in einem Prozess verboten – damit stellt es sich gegen Entscheidungen anderer Gerichte in Deutschland.

Zunächst hatte der „Spiegel“ über die umstrittene Entscheidung berichtet. Demnach hatte das Landgericht Berlin am Donnerstag die Eröffnung eines Hauptverfahrens gegen einen mutmaßlichen Drogenhändler (31) abgelehnt – abgefangene „Encrochat“-Daten unterlägen einem Verwertungsverbot. Die Anklage der Staatsanwaltschaft stützte sich fast komplett auf diese Kommunikation.

Die Gerichts-Argumentation: Die Handy-Spionage wurde ohne den „erforderlichen konkreten Tatverdacht“ durchgeführt. Der alleinige Besitz des Krypto-Handys sei kein ausreichender Ermittlungsgrund. Schließlich reiche es nicht für eine Wohnungsdurchsuchung wegen Einbruchs, wenn jemand mit einer Brechstange herumlaufe, argumentierte das Gericht.

Heißt: Das heimliche Abschöpfen der Nachrichten sei rechtlich falsch gewesen und ein schwerer Eingriff in das Persönlichkeitsrecht. Deshalb dürfen die Daten nicht verwendet werden – und Kriminelle nun auf Straffreiheit hoffen.

Ein Kriminalbeamter sagte dem „Spiegel“: „Sollte diese Entscheidung des Landgerichts Bestand haben und zukünftig als Vorbild in anderen Verfahren gelten, können wir den Laden auch gleich dichtmachen“.

Denn: Die Entscheidung könnte den Kampf gegen die organisierte Kriminalität deutlich erschweren. Hunderte mutmaßliche Kriminelle können nun auf Straffreiheit hoffen.

Bis zum Juli 2020 war „EncroChat“ die App, mit der die Unterwelt am liebsten kommunizierte. Abhörsicher und nicht von der Polizei zu orten, ermöglichte es der Messenger-Dienst mithilfe modifizierter Mobiltelefone („Krypto-Handys“) Verbrechern, ihre schmutzigen Geschäfte im Geheimen zu koordinieren. Bis die französische Polizei die Verschlüsselung knackte und ein Spionageprogramm auf Handys mit dem Chat-Programm installierte, um mitzulesen.

Der Polizei in den Niederlanden und Frankreich war es gelungen, mehr als 20 Millionen geheimer Nachrichten abzuschöpfen. 60 000 Teilnehmer hätten den aufwendig verschlüsselten Chatdienst genutzt.

Staatsanwaltschaft will gegen Entscheidung vorgehen

Die Berliner Staatsanwaltschaft will die Entscheidung nicht hinnehmen. Sie werde mit Rechtsmitteln dagegen vorgehen, kündigte sie am Freitagabend über Twitter an.

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Die Entscheidung des Landgerichts von Donnerstag stehe im Gegensatz zu allen bisherigen Entscheidungen von Oberlandesgerichten. Daher wolle man eine „Überprüfung durch das Kammergericht herbeiführen“.

Alleine in den vergangenen sieben Tagen urteilten ZWEI Instanzen FÜR die Nutzung der Encrochat-Daten:

► Erst am Freitag, also am Tag NACH der Berliner Entscheidung, verurteilte das Magdeburger Landgericht zwei Drogenhändler zu langjährigen Haftstrafen. Die Ermittlungsbehörden waren den beiden auf durch Encrochat-Chats auf die Spur gekommen.

► Vor einer Woche erhob die Staatsanwaltschaft Dresden ein Verfahren gegen einen Mann (41). Auf den mutmaßlichen Drogenhändler wurden französische Ermittlungsbehörden aufmerksam – wieder durch die Entschlüsselung von Encrochat-Kommunikationen.

Friedrich Fülscher, Strafverteidiger in Kiel, verteidigte gegenüber der „Die Welt“ die Berliner Entscheidung: „Die Entscheidung der Berliner Richter mag bei einigen Bürgern Unbehagen auslösen. Sie ist jedoch ein Bekenntnis zur Rechtsstaatlichkeit. Ein Rütteln an unseren Grundrechten wäre für unseren Rechtsstaat weniger leicht zu ertragen als einige Straftäter vom Haken zu lassen“.

Themen: Gericht Landgericht Privatsphäre
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