Wer war der Täter?: Mysteriöser Mord vor 34 Jahren in West-Berlin

V-Mann und Zuhälter Dieter H. (l.) und Manfred G. Meyer waren im Westberliner Sumpf unterwegs

V-Mann und Zuhälter Dieter H. (l.) und Manfred G. Meyer waren im Westberliner Sumpf unterwegs

Foto: privat
Von: Til BIermann

Berlin – Es war warm an diesem 11. Oktober 1987. Fast 20 Grad unter der geschlossenen Wolkendecke, die schwer über der Stadt hing. Für das alte Diamantenhändler-Ehepaar aus Tiergarten war es der letzte Tag ihres reichen Lebens. Sie wurden erschossen. Von ihrem eigenen Sohn hieß es in der Verurteilung.

Doch heute, 34 Jahre später, gibt es Berliner, die an der Schuld des damals verurteilten Mörders zweifeln.

„Tatsächlich gab es schon damals Hinweise, die auf einen anderen Täter hindeuteten“, sagt Marcel Rinkau (45). Er hatte Krüger jr. vor wenigen Jahren kennengelernt, arbeitet den Fall anhand alter Gerichtsakten noch einmal auf und veröffentlichte jetzt mit „Schuldig der Unschuld? Der Fall Ronald Krüger, wie er mein Leben veränderte“ ein Buch über den Fall.

Rückblick: Ernestina (81) und Gerhard Krüger (82) hatten Geld, viel Geld. Und einen Sohn, Ronald (damals 58), der es laut Gerichtsurteil nicht abwarten konnte, seine Eltern zu beerben. An diesem lauen Oktobertag setzte er in die Tat um, worüber er demnach schon oft zuvor nachgedacht hatte.

Gerhard und Ernestina Krüger zu Lebzeiten. Sie wurden im Oktober 1987 in ihrer Villa erschossen

Gerhard und Ernestina Krüger. Sie wurden im Oktober 1987 in ihrer Villa erschossen

Foto: privat

Schüsse peitschten am frühen Nachmittag durch die Villa. Dann waren die Eltern tot und der Weg zum Fünf-Millionen-Mark-Erbe frei. Ronald Krüger hatte es sich mit Gewalt genommen. Laut Staatsanwaltschaft lag das Motiv nahe: Schulden!

Sohnemann Ronald hatte seinen Eltern sogar eine erfundene Krebserkrankung vorgegaukelt, um ihnen Geld aus den Rippen zu leiern. Als sein Betrug kurz davor war aufzufliegen, drückte er ab. Dass der Mord am Berliner Millionärsehepaar nicht tagelang für Schlagzeilen sorgte, lag an einem anderen mysteriösen Todesfall, der ganz Deutschland zur selben Zeit erschütterte:

Denn ebenfalls am 11. Oktober 1987 fanden Reporter den ehemaligen schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Uwe Barschel (CDU) tot in der Badewanne in einem Genfer Hotelzimmer.

Solche Schriftstücke liefen damals bei der Polizei ein. Zeugen, die Dieter H. belasteten, wurden jedoch nicht ernst genommen

Solche Schriftstücke liefen damals bei der Polizei ein. Zeugen, die Dieter H. belasteten, wurden jedoch nicht ernst genommen

Foto: privat

Der zwielichtige Dieter H.

Während sich die Mythen bis heute um den Barschel-Tod ranken, schien der Berliner Krüger-Fall schnell geklärt. Schließlich hatte Krüger jr. seinem Kumpel Dieter H. († 74, Bordellbesitzer und V-Mann beim Staatsschutz) die Tat ausführlich gestanden – was H. heimlich in einem Bordell aufnahm und der Polizei steckte.

Ein Bericht 1988 über Dieter H. und einen CDU-Mann zeigt die Verstrickung des Kriminellen mit der Politik. Hier hatte H. offenbar Schmiergeld angenommen – aber nichts dafür getan

Ein Bericht 1988 über Dieter H. und einen CDU-Mann zeigt die Verstrickung des Kriminellen mit der Politik. Hier hatte H. offenbar Schmiergeld angenommen – aber nichts dafür getan. Laut Zeitzeugen wie Manfred G. Meyer hatte er aufgrund dieser Verstrickungen die Möglichkeit, Ermittlungen zu beeinflussen

Foto: privat

Nur: Krüger widerrief sein Geständnis vor Gericht und behauptete, Dieter H. sei der Täter gewesen. Der habe ihn bedroht und das Geständnis erzwungen. Das Gericht wies dies damals als eine Lüge ab.

„Tatsächlich deuteten die Hinweise auf H. als Täter hin“, so Marcel Rinkau zu BILD. 2012 war Krüger nach 24 Jahren aus der Haft entlassen worden. „Bis zuletzt hat er gesagt, dass er die Morde nicht begangen hat. Auch als er schon frei war“, sagt Rinkau. „Es hat ihn geplagt.“

Das Buch „Schuldig der Unschuld? Der Fall Ronald Krüger, wie er mein Leben veränderte“ ist auch bei „Amazon“ erhältlich

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Foto: Marcel Rinkau/PR

In den alten Gerichtsakten taucht eine Zeugin auf, die 1988 aussagte, sie habe Bordellbesitzer Dieter H. kurz nach dem Tod der Krügers in einer Kneipe getroffen: „Während unserer Unterhaltung an der Theke zeigte uns Herr Dieter H. 5 oder 6 Diamanten“, sagte sie.

Diamanten, die aus dem Besitz der Eltern Krügers gestammt haben sollen. Ein anderer Zeuge sagte aus, dass H. Krüger zum Mord angestiftet haben soll, das habe er nach der Tat bei einem Gespräch belauscht.

Dieter H. war eine zwielichtige Gestalt. Der Ex-Fremdenlegionär war bestens vernetzt, galt als Auftragskiller.

Roland Krüger kurz vor seinem Tod im Jahr 2015

Ronald Krüger kurz vor seinem Tod im Jahr 2015

Foto: privat

„H. war der Schütze“

Auch Zeitzeuge Manfred G. Meyer (69), der alle Beteiligten kannte und tief im kriminellen Westberliner Sumpf unterwegs war, sagt: „Dass H. der Todesschütze ist, steht für mich fest. Ronald Krüger wollte dazugehören, trug einen Al-Capone-Hut, aber war ein Weichei, der hätte das gar nicht hinbekommen. Wahrscheinlich haben die gemeinsame Sache gemacht. H. war der Schütze, da lege ich meine rechte Hand für ins Feuer.“

Manfred G. Meyer heute. Er kennt 1000 Geschichten aus dem Westberliner Sumpf

Manfred G. Meyer heute. Er kennt 1000 Geschichten aus dem Westberliner Sumpf

Foto: Til Biermann

Meyer berichtet, wie eng H. damals mit korrupten Ermittlern der Berliner Polizei verbunden war, was eine Verurteilung behindert hätte. Was für ein kaltblütiger Auftragsmörder der war. Tatsächlich war H. laut mehreren Zeitzeugen und Dokumenten als Killer für Exil-Libyer unterwegs, die den Diktator Muammar al-Gaddafi stürzen wollten. „An den Fliegenfänger bringen“, habe H. seine Tötungen genannt.

Nach der Wende kam H. nochmals in die Medien, weil er 2009 angeklagt worden war, seine eigene 14-jährige Tochter sexuell missbraucht zu haben und in die Prostitution verkauft zu haben. Er wurde zu vier Jahren Haft verurteilt.

Und was sagt H.? Er wohnte in einem Häuschen in Spandau, aber verstarb kurz bevor BILD ihn anfragen konnte. Eine Frau geht ans Telefon, die sich selbst als eine „enge Kontaktperson“ bezeichnet. Sie sagt: „Herr H. ist leider kürzlich verstorben. Aufgrund der Tatsache, dass er in Zusammenarbeit mit der Polizei viele Geständnisse aufgenommen hat, hatte er viele Feinde, die ihm Schlechtes wollten. An den Anschuldigungen ist nichts dran. Im Übrigen waren auch die Aussagen der angeblichen Tochter zum Missbrauch Falschaussagen.“

2015 nahm sich Ronald Krüger das Leben. Marcel Rinkau, der Krüger vor seinem Tod in einer Klinik kennengelernt hat und von diesem als Erbe eingesetzt wurde, hat nun gemeinsam mit einem Autoren ein Buch über den Fall geschrieben. Er glaubt fest an die Unschuld seines Freundes.

Die ganze Wahrheit ist wohl mit Dieter H. ins Grab gegangen.

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