Urteil da: Lebenslänglich für Putins Tiergarten-Killer

Berliner Gericht sicher: Russe (56) hat Georgier mitten in der Hauptstadt umgebracht

Der Killer: Laut Anklage ist sein Name Vadim Krasikov (55)

Der Killer: Laut Anklage ist sein Name Vadim Krasikov (55)

Foto: Polizei
Von: Anne Losensky

Berlin – Ein Mann wird mitten in Berlin erschossen. Mehr als ein Jahr haben Berliner Richter versucht, die Hintergründe zu klären. Nun wurde das Urteil gesprochen. Lebenslange Haft für Putins Tiergarten-Killer!

Die Richter folgten mit dem Strafmaß dem Antrag der Bundesanwaltschaft. Diese geht von einem „staatlichem Tötungsauftrag“ aus. Konkret: Die tödlichen Schüsse auf einen Georgier tschetschenischer Abstammung seien im Auftrag staatlicher Stellen Russlands erfolgt. „Die Tat war durch in Berlin stationierte Helfer akribisch vorbereitet“, sagte der Vorsitzende Richter Olas Arnoldi bei der Urteilsbegründung.

Blick in den Saal des Berliner Kammergerichts. Das Gericht sieht es als erwiesen, dass der Mord im Auftrag staatlicher Stellen Russlands erfolgt ist

Blick in den Saal des Berliner Kammergerichts. Das Gericht sieht es als erwiesen, dass der Mord im Auftrag staatlicher Stellen Russlands erfolgt ist

Foto: Christophe Gateau/AP

Zu den näheren Hintergründen der Tat sagte der Vorsitzende Richter Olaf Arnoldi zum Auftakt der Urteilsbegründung noch nichts. Aber: „Die Schuld wiegt besonders schwer“.

Das Gericht ist davon überzeugt, dass es sich bei dem angeklagten Russen um einen Offizier des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB handelt, dem weitere Auftragsmorde im Ausland zugeordnet werden.

Am 23. August 2019 kam im Tiergarten zu dem Auftragsmord

Am 23. August 2019 fielen die tödlichen Schüsse im Berliner Tiergarten

Foto: spreepicture

Mit all dem folgt das Gericht der Beurteilung der Bundesanwaltschaft. Es handele sich um eine politisch motivierte Tat, hatte Bundesanwalt Nikolaus Forschner zuvor in seinem mehrstündigen Plädoyer gesagt, das er am vorherigen Verhandlungstag gemeinsam mit seinem Kollegen Lars Malskies gehalten hatte. Der Angeklagte habe auf deutschem Boden einem „staatlichen Tötungsauftrag“ Folge geleistet.

Protokoll einer Hinrichtung„Ich hätte nie gedacht, dass sowas möglich ist“

Quelle: BILD

Die höchste deutsche Anklagebehörde hatte den Fall wegen des vermuteten politischen Hintergrundes übernommen. Diesen sieht sie nach rund 14 Monaten Verhandlung bestätigt.

Bei der Tat sei es um Vergeltung gegangen – für die Beteiligung des Georgiers am zweiten tschetschenischen Krieg und dessen „Feindschaft zum russischen Staat“. Der Angeklagte habe sich „in den Dienst einer Mission“ gestellt.

Mitten in BerlinMord im Auftrag von Putins Regierung!

Quelle: BILD

Die Verteidigung sah für die Version der Bundesanwaltschaft keine stichhaltigen Beweise. Sie stütze sich auf teils „höchst fragwürdige Beweismittel“, hatte Verteidiger Robert Unger in seinem Plädoyer gesagt. Dies gelte für die Identität des Angeklagten, aber auch für die von der Bundesanwaltschaft angenommene Verbindung zum russischen Staat.

Baerbock: „Schwerwiegende Verletzung deutschen Rechts“

Nachdem das Urteil am Mittwochvormittag gefallen war, äußerte sich Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne). Man habe den Botschafter Russlands Sergej Netschajew zu Gesprächen einbestellt und zwei Mitarbeiter der Botschaft zu „unerwünschten Personen“ erklärt, sagte sie am Nachmittag im Auswärtigen Amt. Ein solcher Schritt kommt einer Ausweisung der Diplomaten gleich.

Die Tat, die durch das Gericht als „Auftrag von staatlichen Stellen der Russischen Föderation“ bestätigt wurde, sei „eine schwerwiegende Verletzung deutschen Rechts“, sagte Baerbock weiter. „Die Bundesregierung wird alles tun, was nötig ist, um die Sicherheit in unserem Land und den Respekt unserer Rechtsordnung zu gewährleisten.“

► Erste Konsequenzen hatte die Bundesregierung schon gezogen, nachdem der Generalbundesanwalt die Ermittlungen aufgenommen hatte und der russischen Regierung mangelnde Kooperation vorgeworfen hatte. Zwei Mitarbeiter der russischen Botschaft in Berlin wurden deswegen ausgewiesen.

Der russische Präsident Wladimir Putin hatte daraufhin bei einer Pressekonferenz in Paris den ermordeten Georgier, der in der russischen Teilrepublik Tschetschenien aufseiten der Separatisten gekämpft haben soll, einen „Banditen“ und „Mörder“ genannt.

Diese Äußerungen hätten gezeigt, dass der getötete Georgier „bis in höchste Regierungskreise“ als Terrorist angesehen worden sei, erklärte die Bundesanwaltschaft in ihrem Plädoyer.

Nun das Urteil. Das kritisierte der russische Botschafter in Deutschland, Sergej Netschajew, als „politisch motiviert“. Er habe Kenntnis davon erhalten, dass das Gericht daran festhalte, dass „russische staatliche Strukturen“ hinter dem Mord stünden, teilte der Diplomat am Mittwoch Staatsmedien in Moskau zufolge mit.

„Wir halten dieses Urteil für nicht objektiv, für eine politisch motivierte Entscheidung, die die ohnehin nicht einfachen russisch-deutschen Beziehungen weiter ernsthaft belastet.“

Der Mord

23. August 2019, Tornike K. (40) wird im Kleinen Tiergarten mit drei Schüssen hingerichtet, ein Georgier tschetschenischer Abstammung, der seit Ende 2016 als Asylbewerber in Deutschland lebte. Freiheitskämpfer für die einen – in den Augen Russlands ein tschetschenischer Terrorist.

Spätestens im Juli 2019 gab es den Entschluss von staatlichen Stellen, Tornike K. zu liquidieren. Dieser Auftrag wurde dem Angeklagten erteilt und der Mord geplant.

Die Planung

Spätestens Anfang/Mitte Juli 2019 habe es Kenntnis vom Aufenthaltsort des späteren Opfers gegeben. Am 18. Juli 19 stellt die Verwaltung in Irkutsk (Russland) einen Reisepass aus – ohne biometrische Daten. Ein Bauunternehmen aus St. Petersburg weist Vadim Krasikov als Bauingenieur aus – dabei hat die Firma nur einen Mitarbeiter, den Buchhalter.

Am 26. Juli 2019 reist Vadim Krasikov nach Petersburg, beantragt mit druckfrischem Reisepass, fingierter Arbeitgeberbescheinigung und falscher Wohnadresse ein Visum als Sokolow. Dann fliegt er von Moskau nach Paris, lässt sich vor Sehenswürdigkeiten fotografieren.

Am 20. August 2019 fliegt Vadim Krasikov für drei Tage nach Warschau. Wieder Sightseeing und viele Fotos.

Map/Karte: Mord im Tiergarten

Derweil wird die Tat in der Hauptstadt durch stationierte Helfer akribisch vorbereitet. So hatte einer die Lebensgewohnheiten des Opfers ausgespäht, wusste, wo der Mann wohnt, dass er freitags zur Moschee ging. Einer besorgte drei Sätze Kleidung – für vor, während und nach der Tat. Einer besorgte die Tatwaffe mit Schalldämpfer, Gesamtlänge etwa 40 cm. Ebenfalls geplant wurde die mögliche Flucht mit einem E-Roller. Dieser wurde am 22. August 2019 von einem Tathelfer in der Nähe der Lessingbrücke abgestellt.

Am 22./23. August 2019 begibt sich der Killer von Warschau nach Berlin. Gepäck und Handy lässt er im Hotel in Warschau zurück. Denn schon am 25. August will er zurück nach Moskau fliegen. Doch es kommt anders...

Der Tattag

23. August 2019, der Tattag: Es ist Freitag, 30 Grad, viele Menschen sind im Kleinen Tiergarten. Mit Mountainbike und unauffälliger Kleidung begibt sich der Killer in die Berliner Grünanlage. Er folgte seinem Opfer auf dem Fahrrad.

Dann nähert sich der Killer von hinten und schießt Tornike K. ins linke Schulterblatt. Das Opfer taumelt, ist schwer verwundet. Es fällt ein weiterer Schuss, mittig in den Hinterkopf. Das Projektil tritt an der rechten Wange aus. Das Opfer fällt zu Boden. Der Angeklagte rutscht vom Rad, zieht sich Hautabschürfungen zu. Vadim Krasikov läuft um das Opfer herum, gibt mit ausgestrecktem Arm noch einen Schuss ab, wieder in den Kopf. Beide Kopfschüsse sind tödlich. Zeugen sagen später, es habe wie eine kaltblütige Hinrichtung gewirkt.

Von zwei Kugeln getroffen! Den ersten Anschlag überlebte das Opfer noch

Quelle: BILD

Die Schüsse hinterlassen an der Kleidung von Vadim Krasikov Schmauchspuren. Er steckt die Schusswaffe in den Rucksack, flieht dann mit dem Rad zur Lessingbrücke. Dort hält er an, geht in ein Gebüsch am Spreeufer. Er zieht sich um, rasiert sich den Bart ab. Statt dunkler Kleidung trägt er nun ein rosafarbenes Shirt und eine kurze Hose. Die andere Kleidung wirft er in die Spree, ebenso wie das Fahrrad.

Wäre der Killer nicht gesehen worden, wäre der Plan vielleicht aufgegangen. Aber so war es nicht: Zwei junge Männer beobachteten Krasikov und sein Verhalten kam ihnen suspekt vor. Um 12.06 Uhr ging ein Notruf bei der Polizei ein.

Da war der Killer gerade zu Fuß unterwegs, wollte mit dem planmäßig abgestellten E-Roller weiter flüchten. Doch nun sah er sich von Polizisten umstellt. Um 12.10 Uhr wird der Killer festgenommen. Bei sich hat er noch den Reisepass, ausgestellt auf den Namen Sokolow. Außerdem: 3700 Euro und 110 Zloty.

Rad und Tatkleidung werden aus der Spree gefischt, ebenso wie die Tatwaffe. Der zweifelsfreie Tatnachweis. Eine Mordkommission übernimmt die Ermittlungen.

Die Blutspur des Kremls„Putin schwor alle Freiheitskämpfer auszuschalten“

Quelle: BILD
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