Nach Amokfahrt in Berlin: Kreise als stummes Zeugnis einer Wahnsinnstat

Die gelben Kreise auf dem Pflaster Ecke Rankestraße/Tauentzien markieren, wo Opfer und persönliche Dinge gelegen haben

Die gelben Kreise auf dem Pflaster Ecke Rankestraße/Tauentzien markieren, wo Opfer und persönliche Dinge gelegen haben

Foto: FABRIZIO BENSCH/REUTERS
Von: Claudia Lux und Theresa zachäus

Berlin – Es sieht aus, als hätten Kinder versucht, aufs Pflaster Seifenblasen zu malen. Diese gelben Kreise sind das, was vom Grauen übrig blieb. An diesem Ort starben eine Lehrerin (51), wurden so viele ihrer Schüler verletzt. Sechs kämpfen immer noch um ihr Leben.

Polizisten haben mit den Kreisen markiert, wo die Opfer des Amok-Fahrers lagen. Ein stummes Zeugnis der Wahnsinnstat am Mittwoch, als Gor H. (29) mit dem silbernen Renault Clio seiner Schwester an der Ecke Rankestraße/Tauentzien auf den Bürgersteig raste. Um 10.26 Uhr, mitten hinein in die 10. Klasse aus Bad Arolsen, die ihre Abschlussfahrt nach Berlin machte.

Gor H. (29) raste am Mittwoch über Ku’damm und Tauentzien, hinterließ zahlreiche Opfer und ein Trümmerfeld

Gor H. (29) raste am Mittwoch über Ku’damm und Tauentzien, hinterließ zahlreiche Opfer und ein Trümmerfeld

Foto: Johannes Boie

16-jährige Mädchen und Jungen, für die aus der fröhlichen Zeit endlose Tage der Tränen wurden. Junge Menschen vor dem Aufbruch in einen neuen Lebensabschnitt, die ansehen mussten, wie ihre Lehrerin zu Tode kam, ihr Lehrer schwer verletzt wurde, ihre Freunde blutend auf dem Gehweg lagen. Bilder, die sie nie vergessen werden, Verletzungen, die nie heilen.

Der katholische Erzbischof Heiner Koch (67) hat alle Berliner Schulen am Freitag um 10.30 Uhr zur Schweigeminute aufgerufen. Ein Akt des Mit-Leidens und der Menschlichkeit. „Besonders erschreckt und erschüttert hat mich“, sagt Koch, „dass eine Schulklasse Opfer der Amok-Fahrt wurde.“

Gor H. raste in MenschenmengeHier kommt der Amok-Fahrer vom Verhör

Quelle: Reuters, AP, Privat, Spreepicture
Trauer am Tag nach dem Amoklauf: Passanten legen an einem Ampelmast Blumen ab

Trauer am Tag nach dem Amoklauf: Passanten legen an einem Ampelmast Blumen ab

Foto: FABRIZIO BENSCH/REUTERS

Am Ort der Trauer gleich gegenüber der Gedächtniskirche haben Passanten an zwei Fußgängerampeln Blumen und Kerzen abgelegt. Die Autos fahren wieder, Berliner und Touristen gehen den Ku’damm entlang. Auch über die gelben Kreise. Die, die wissen, was hier passiert ist, bleiben einen Moment stehen.

„Als ich meinen Laden aufmachte, war gerade alles vorbei“, sagt Yunus Emre Baris (24), Verkäufer im Dönerladen am Tauentzien, „das bedrückende Gefühl, dem Tod so nah gewesen zu sein, hat mich verändert. Ich bin zutiefst dankbar, dass ich noch lebe.“

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Zeuge: „Da war kein Leben mehr in ihr“

Sadik R. (47), Lkw-Fahrer aus Spandau, ist am Tag danach mit seinem Cousin an den Tatort zurückgekehrt. Sie reden. Über die grausamen Bilder, die Todesangst, die Schreie. Er war Zeuge. „Ich habe gesehen, wie der Mann über die Frau rübergefahren ist“, sagt er, „sie ist über die Straße geschleudert und er ist noch einmal über sie rübergefahren. Da war kein Leben mehr in ihr.“

Auch Innenministerin Nancy Faeser (51, SPD) ist gekommen. Sie ging am Donnerstag dort vor einem Strauß langstieliger roter Rosen in die Knie; still, bewegt, trauernd.

Nancy Faeser kniet an einer Laterne, an der Menschen Blumen abgelegt haben

Nancy Faeser kniet an einer Laterne, an der Menschen Blumen abgelegt haben

Foto: Sabrina Szameitat/dpa

Für sie mehr als die „tief empfundene Anteilnahme der Bundesregierung“. Faeser stammt aus Hessen. Wie die tote Lehrerin Tanja H. Wie viele der 32 Verletzten.

Es geht so schnell. In Sekunden bricht eine Welt zusammen. Wieder am Breitscheidplatz. Wieder im Herzen Berlins. Wieder eine Wunde.

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Quelle: BILD
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