Prozess nach mildem Urteil neu aufgelegt: Tödlicher U-Bahn-Stoß – zehn Jahre Haft für Mörder

Zakaria L. (28) aus Marokko stieß einen Flüchtling aus dem Iran (30) am 29. Oktober 2019 am U-Bahnhof Kottbusser Tor vor die U8

Zakaria L. (28) aus Marokko stieß einen Flüchtling aus dem Iran (30) am 29. Oktober 2019 am U-Bahnhof Kottbusser Tor vor die U8

Foto: Olaf Wagner

Vier Jahre und drei Monate für einen tödlichen Stoß vor eine Berliner U-Bahn. „Ich gehe in Revision“, sagt Staatsanwältin Antonia Ernst direkt nach dem milden Urteil Ende Mai 2020 zu BILD. Sie hielt den Täter für einen Mörder und forderte lebenslange Haft.

Berlin – Das Berliner Landgericht verhängte am Donnerstag in einem neu aufgelegten Prozess zehn Jahre Gefängnis gegen den 28-jährigen Angeklagten Zakaria L. und ordnete zudem seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt an. Heimtückisch habe er das Opfer angegriffen, begründete der Vorsitzende Richter.

In einem ersten Prozess hatte eine andere Kammer des Landgerichts im Mai 2020 auf versuchte Körperverletzung mit Todesfolge entschieden und eine Strafe von vier Jahren und drei Monaten Haft verhängt. Auf Revision der Staatsanwaltschaft und der Nebenklage hat der Bundesgerichtshof (BGH) das damalige Urteil aufgehoben.

DIE TAT. U-Bahnhof Kottbusser Tor, 29. Oktober 2019. Zakaria L. (28) aus Marokko stößt einen Flüchtling aus dem Iran (30) vor die U8. Vorher hatte er vergeblich versucht, Drogen bei einem Dealer zu kaufen. Das Opfer war dessen Begleiter.

So könnte sich die Szene am U-Bahnhof Kottbusser Tor abgespielt haben

So könnte sich die Szene am U-Bahnhof Kottbusser Tor abgespielt haben

Foto: arne s. reismueller

Der 30-Jährige habe sich nach dem Streit schlendernd entfernt und sich laut Videoaufnahmen vom U-Bahnhof auch nicht mehr umgedreht, als der Angeklagte von hinten angegriffen habe, hieß es nun im Urteil.

DER TÄTER. Seit 2017 in Europa. Seit Sommer 2019 in Berlin. Illegal, ausreisepflichtig. Unterkunft am Wannsee. So sah sein Tag aus: „10 Uhr aufgestanden. 12 Uhr gegessen. Flasche Wodka. Zum Kottbusser Tor. Bier und Whiskey. Kokain und Tabletten. Dann waren meine Drogen alle.“

DAS ERSTE URTEIL. Zakaria L. sei kein Mörder, fand das Gericht. Verurteilte versuchte Körperverletzung mit Todesfolge. Erst ein paar Jahre Knast, dann Entziehungsanstalt.

Diese Einschätzungen seien rechtsfehlerhaft, hatte im März 2021 der Bundesgerichtshof entschieden.

DAS ZWEITE URTEIL. Im jetzigen Prozess plädierte die Staatsanwaltschaft auf lebenslange Haft. Die Verteidigerin forderte vier Jahre Haft und erklärte, einen Tötungsvorsatz habe es nicht gegeben. Am Ende stehen zehn Jahre Haft für Zakaria L. und die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt.

„Mit voller Wucht schubste er den arg- und wehrlosen Mann, der den Streit für beendet hielt, in das Gleisbett“, sagte der Vorsitzende Richter. Dabei sei ihm bewusst gewesen, dass regelmäßig Züge in den Bahnhof einfahren. Der Angeklagte habe mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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