Proteste zeigten Wirkung: Berlin verschiebt die Teil-Öffnung der Schulen!

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD)

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD)

Foto: dpa
Von: Hildburg Bruns und Stefan Peter

„Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern, nichts hindert mich, weiser zu werden.“ (Konrad Adenauer)

Berlin – Doppelte Rolle rückwärts! Nach der heftigen Kritik sind die Pläne des Senats zur schrittweisen Öffnung der Schulen trotz Corona schon wieder vom Tisch.

Im Abgeordnetenhaus hatten am Donnerstag der Regierende Bürgermeister Michael Müller (56, SPD) und Bildungssenatorin Sandra Scheeres (50, SPD) die Pläne verteidigt. Auch am Freitag wies die Bildungsverwaltung tagsüber jede Kritik an der für Montag vorgesehenen Öffnung zurück.

Doch Punkt 18 Uhr meldete sich die Behörde mit einer Pressemitteilung. Titel: „Keine Präsenzpflicht an Schulen vor dem 25. Januar“. Damit ist der Senat wieder auf der Position angelangt, die Müller am Mittwochmorgen in der ARD verkündet hatte, aber anschließend in der Senatssondersitzung wieder über den Haufen warf...

Wie kam die neuerliche Kehrtwende zustande?

Wie kam die neuerliche Kehrtwende zustande? Gestern Nachmittag gab es eine dreistündige Telefonkonferenz von Müller, Scheeres und den beiden SPD-Landeschefs Franziska Giffey (42) und Raed Saleh (43). Giffey anschließend zu BILD: „Bei allem richtigen Bemühen um Bildungsgerechtigkeit darf die Rückkehr zum Präsenzunterricht nicht vorschnell erfolgen.“

Saleh begründet das Hin und Her so: „Wegen der steigenden Infektionszahlen und der schlechten Nachrichten aus England zu erhöhten Ansteckungsrisiken haben wir, wie gestern auch Brandenburg, umgesteuert.“

Für die Senatspläne, die Schulen zu öffnen, gab es zwar auch Lob – etwa von der Vereinigung „Familien in der Krise“. Es hagelte aber ebenfalls lautstarke Kritik. Denn: Seit Wochen steigen trotz Knallhart-Lockdowns die Infektionszahlen.

Das Ernst-Abbe-Gymnasium an der Sonnenallee (Neukölln) veröffentlichte einen Offenen Brief an Müller und Scheeres, unterschrieben von 44 Lehrern. Darin der Appell: „Wir jedenfalls sind nicht länger willens, uns selbst und unsere Familien zu gefährden. Lassen Sie die Schulen im Distanzbetrieb!“

Andreas Steiner, Leiter der Fichtenberg-Oberschule in Steglitz schrieb eine Mail an Eltern, Lehrer und Schüler. Er sehe sich „nach reiflicher Überlegung außerstande die Schule bereits ab kommendem Montag wieder für den Präsenzunterricht zu öffnen. Als Schulleiter kann ich nicht die Gesundheit der Schüler und Lehrkräfte riskieren.“

Schulleiter Stephen Kelly (43). Er hatte sich vehement gegen die Öffnungspläne ausgesprochen

Schulleiter Stephen Kelly (43). Er hatte sich vehement gegen die Öffnungspläne ausgesprochen

Foto: Olaf Selchow

Stephen Kelly (43), Leiter der Klax-Schule an der Neumannstraße (Pankow) kündigte gegenüber der B.Z. an, ab Montag lediglich die 12. und 13. Klassen zu unterrichten sowie eine Notbetreuung zu organisieren. Sein Vorwurf: „Die Politik spielt mit der Gesundheit der Schüler und Lehrer. Das kann ich nicht ertragen.“

In der Bildungsverwaltung wollte man von derlei Kritik am Nachmittag nichts wissen, kündigte „Gespräche mit der Schulaufsicht“ an. Dann die plötzliche Kehrtwende.

„Ich freue mich, dass der große Druck etwas gebracht hat“, so CDU-Bildungsexperte Dirk Stettner (51). Absurd sei, dass der Senat überhaupt erst eine Öffnung beschlossen hat. „Der Regierende Bürgermeister hat sich von der Bildungssenatorin wie ein Stier am Nasenring durch die Arena ziehen lassen.“

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Linke-Politikerin Regina Kittler (65) twitterte erleichtert: "Proteste & Argumente bedacht, beraten & Änderung herbeigeführt: Ich bin erleichtert."

Keine Präsenzpflicht vor dem 25. Januar

Das schulisch angeleitete Lernen zu Hause für Schüler der Klassen 1 bis 9 sowie für einige höhere Klassenstufen wird bis mindestens 25. Januar verlängert. Bis dahin gilt keine Präsenzpflicht.

Für die Abschlussklassen 10, 12 und 13 an Gymnasien und Sekundarschulen sollen ab Montag Präsenzangebote in kleinen Gruppen möglich sein. Ob Wechselunterricht mit Lernen zu Hause und in der Schule angeboten wird oder alles über Homeschooling läuft, sollen die jeweiligen Schulen mit den Elternvertretern selbst entscheiden.

Am 19. Januar will der Senat entscheiden, wie es ab 25. Januar mit dem Schulbetrieb an Grundschulen weitergeht.

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