Polizei beendet „Parteigründung“ in Berlin: Ihre Corona-Show lief live im Internet

Viele Menschen stehen vor der „Scotch & Sofa“-Bar. Die meisten tragen keinen Schutzmasken und stehen viel zu eng zusammen

Viele Menschen stehen vor der „Scotch & Sofa“-Bar. Die meisten tragen keinen Schutzmasken und stehen viel zu eng zusammen

Foto: spreepicture
Von: Leoni Rossow, Dirk Böttger und Maren Wittge

Berlin – Es war eine verstörende Veranstaltung, die auch live auf Youtube übertragen wurde: Am Donnerstagabend trafen sich 28 Personen in einer Bar in Prenzlauer Berg. Ihr Vorhaben: Eine Partei gegen die Corona-Politik der Regierung zu gründen …

Moderiert wurde die Aktion im „Scotch & Sofa“ an der Kollwitzstraße von der Berliner Hutmacherin Rike Feuerstein, die bei „Querdenker“-Demos oft als Viviane Fischer, Anwältin für Wirtschaftsrecht, auftritt und dem Rechtsanwalt Dr. Reiner Füllmich.

Fischer behauptet, die Gefahr durch Corona sei „der einer Grippe sehr, sehr ähnlich“ und die Politik würde wegen eines „höchstwahrscheinlich gar nicht bestehenden Notstandes” die Demokratie abbauen.

Füllmich behauptet, es gebe konkrete Hinweise, wonach Menschen nach Impfungen sterben und sich jeder impfende Arzt der Körperverletzung schuldig mache.

Ein Polizei-Mannschaftswagen an der Kollwitzstraße. Mehrere Anrufer hatten die Beamten alarmiert

Ein Polizei-Mannschaftswagen an der Kollwitzstraße. Mehrere Anrufer hatten die Beamten alarmiert

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Eingeladen hatte sie Sören P., der Inhaber der Bar, um von den Juristen bei der „Parteigründung“ unterstützt zu werden. „Meiner Meinung nach wird unter dieser Regierung und unter diesen Regelungen kein Lokal existieren können“, sagte er zu BILD, „ich gebe mir und dem ,Scotch & Sofa‘ noch drei Wochen, dann bin ich komplett pleite.“

Gegen 20.10 Uhr wurde die Polizei schließlich durch mehrere anonyme Hinweise alarmiert. „Eine Parteigründung muss nicht angemeldet werden“, betont ein Polizeisprecher. „Aber eine Veranstaltung, wie sie dort stattfand, unterliegt den aktuellen Vorgaben des Infektionsschutzgesetzes und diese wurden missachtet.“

Überwiegend hätten die Teilnehmer keine Mund-Nasen-Bedeckung getragen und die verordneten Mindestabstände nicht eingehalten. Deswegen sei die Veranstaltung aufgelöst worden.

Bei dem Event soll es sich um eine Parteigründung der Querdenker-Szene gehandelt haben

Bei dem Event soll es sich um eine Parteigründung der Querdenker-Szene gehandelt haben

Besitzer Sören P.: „Wir wollten provozieren und auf das Fehlverhalten der Regierung aufmerksam machen.“ P. habe nach der Aktion mehrere Morddrohungen erhalten …

Gegen die neun Teilnehmerinnen und 19 Teilnehmer (32 bis 69 Jahre) wurden Ermittlungsverfahren eingeleitet – unter anderem wegen Verstoßes gegen die Infektionsschutzverordnung, das Versammlungsgesetz und versuchte Körperverletzung. 

► Am Freitagabend musste die Polizei eine erneute Versammlung von Gegnern der Corona-Gesetze in der Kneipe stoppen. Bis zu 40 Personen hatten sich meist vor der Bar versammelt, sagte ein Polizeisprecher. Nur wenige Personen, darunter der Besitzer der Bar „Scotch & Sofa“, hielten sich im Innenraum auf. Es soll auch hier wieder zu massiven Verstößen gegen die Corona-Hygiene-Regeln gekommen sein.

Was passiert mit unseren Emotionen? Das sagt der Psychologe

„Als Menschen haben wir sechs Emotionen. In Corona-Zeiten kochen vor allem Wut und Trauer in uns hoch. Wir werden eingeschränkt, können geliebte Menschen nicht mehr sehen oder unsere Firma geht pleite“, sagt Psychologe Dr. Christian Lüdke (60). „Das führt zuerst zu Angst und dann zu Depressionen – die häufigsten Belastungsformen in der jetzigen Pandemie. Die Depression ist dann der Verlust aller Emotionen. Man fühlt einfach nichts mehr.

► Das Handeln von Gruppen wie jener, die sich in der Bar versammelte, ist leicht zu erklären. Es handelt sich oft um Menschen, die keinen Platz in der Gesellschaft für sich finden und keine Anerkennung bekommen. Sie tun sich mit anderen zusammen, die ein ebenso geschlossenes Weltbild haben. So bilden sie eine Gruppenidentität und finden einfache Lösungen für komplexe Themen. Dann geht es darum, zu polarisieren und Aufmerksamkeit zu erzeugen.

Polizisten zwischen Teilnehmern der Live-Stream-Veranstaltung vor der Bar in Prenzlauer Berg

Polizisten zwischen Teilnehmern der Live-Stream-Veranstaltung vor der Bar in Prenzlauer Berg

Foto: spreepicture

Nach dem Motto: Wenn wir nicht anerkannt werden, dann wollen wir verachtet werden. Jedes Mittel ist denen Recht. Im besten Fall ziehen sie andere Menschen auf ihre Seite und verunsichern Medien und Politik“, so Christian Lüdke (60).

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