Zehntausende nach Corona nicht gesund: Wir sind arbeitsunfähig wegen Post-Covid

Rehas helfen

Ergotherapeutin Jeannette Schmidt (52) leidet seit Juli 2020 an Post-Covid. Gegen ihre Konzentrations-Störungen löst sie in der Rehaklinik Sommerfeld Rechen- und Koordinations-Aufgaben

Ergotherapeutin Jeannette Schmidt (52) leidet seit Juli 2020 an Post-Covid. Gegen ihre Konzentrations-Störungen löst sie in der Rehaklinik Sommerfeld Rechen- und Koordinations-Aufgaben

Foto: Ufuk Ucta
Von: Michael Sauerbier

Berlin/Postdam – Endlich negativ getestet, aber trotzdem nicht gesund: Jeder zehnte Corona-Patient bleibt auch nach der „Genesung“ krank, 33 000 in Berlin und Brandenburg. Jetzt bieten zwölf Kliniken im Umland spezielle Reha-Programme für die „Post-Covid“-Opfer an.

15 Stufen hat die Treppe von ihrem Keller zum Erdgeschoss. Doch schon auf dem Treppenabsatz muss Susanne Klimek (54) verschnaufen. „Dann bin ich erst mal erschöpft, kriege Atemnot“, sagt die Krankenpflegerin aus dem Vivantes-Klinikum Friedrichshain. Dort hatte sie sich im Januar auf der Geriatriestation mit Corona angesteckt.

Mit Fieber rund Schwäche lag Klimek erst zuhause, dann wegen Luftnot eine Woche im Krankenhaus. Doch auch nach der Entlassung ist sie arbeitsunfähig, zehn Monate schon.

Die Krankenschwester leidet unter „Post-Covid“. So nennt man Corona-Beschwerden, die länger zwölf Wochen andauern. Das lateinische Wort „post“ bedeutet „nach“. Treffen kann es jeden Infizierten.

„Die Altersspanne reicht von 18 bis 92“, sagt Dr. Annette Twietmeyer (52) von der Sana-Klinik Sommerfeld. Dort machen 33 Post-Covid-Patienten eine Reha-Behandlung. Die Nachfrage ist doppelt so groß. Aber Betten und Personal reichen nicht aus. Twietmeyer: „Die Warteliste reicht bis November.“

Susanne Klimek (54)macht in der Reha Bewegungstherapie. Die Krankenpflegerin hatte sich in der Klinik angesteckt

Susanne Klimek (54)macht in der Reha Bewegungstherapie. Die Krankenpflegerin hatte sich in der Klinik angesteckt

Foto: Ufuk Ucta

Susanne Klimek musste sechs Monate auf ihren Reha-Platz warten. Jetzt bekommt sie in der Sommerfeld-Klinik Brustmassagen, Atem- und Bewegungstherapie, Konzentrations-Training. „Ein mittelschwerer Fall“, sagt die Ärztin Twietmeyer, „Frau Klimek musste ja nicht beatmet werden.“

Die schlimmsten Nachwirkungen haben Intensiv-Patienten. „Wir sehen unglaubliche Druckgeschwüre von der langen Bauchlagerung“, berichtet die Ärztin, „viele Beatmete hatten Nahtod-Erlebnisse. Und nach der Entlassung hören sie oft den Vorwurf: Warum hast du dich angesteckt?!“

Doch auch den schweren Fällen kann sie helfen. Wie dem Arzt (51), der im Beatmungs-Koma 30 Kilo Gewicht verlor. „Danach war er schwach, hatte Luftnot, Schmerzen, Konzentrationsstörungen“, berichtet Twietmeyer, „vier Wochen Reha haben seine Belastbarkeit deutlich gesteigert. Er will wieder arbeiten. Nur für seine vernarbte Lunge konnten wir nicht viel tun.“

Den schwersten Verlauf haben Patienten mit starkem Übergewicht, stellt die Reha-Ärztin fest. Auch wer nur leichte Symptome hat, kann unter schweren Langzeitfolgen leiden. Vor allem Frauen zwischen 40 und 59 Jahren sind davon betroffen. Twietmeyer: „Post-Covid ist eine Multi-Organerkrankung, die den ganzen Körper und auch das Gehirn betrifft.“ Wie bei Jeannette Schmidt (52).

Die Ergotherapeutin hatte sich im Juli 2020 bei einem Patienten angesteckt. Nach der akuten Phase ging sie zunächst wieder arbeiten. Doch alle Versuche, im Job wieder Fuß zu fassen, scheiterten.

Chart: Entwicklung der Corona-Impfungen – Infografik

„Nach jeder Anstrengung war ich völlig fertig“, erzählt Schmidt, „ich kriegte meinen Alltag nicht mehr geregelt, konnte nur noch schlafen, mich nicht mehr konzentrieren.“

In der Reha löst sie nun mit ihrer Therapeutin Rechen- und Koordinations-Aufgaben. Dort, wo sie früher gearbeitet hat. „Ich bin schnell erschöpft, habe auch Wortfindungs-Störungen“, erzählt die quirlige Frau. Jetzt führt sie ein Belastungs-Tagebuch, um ihre Grenzen zu erkennen, sagt: „Ich steigere mich langsam.“

So lange wie Jeannette Schmidt soll niemand mehr auf einen Reha-Platz warten müssen. Auf der Internetseite „reha-land-brandenburg.de“ informiert das Potsdamer Gesundheitsministerium jetzt über Anträge, Leistungen und die zwölf Covid-Rehakliniken im Land. Den Antrag für die Behandlung stellt man mit Hilfe seines Arztes: Berufstätige bei ihrer Rentenversicherung, Rentner bei ihrer Krankasse.

Ministerin Ursula Nonnemacher (64, Grüne): „Viele Post-Covid-Patienten wissen noch gar nicht, dass sie einen Anspruch auf Reha-Leistungen haben.“

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