Heute so, morgen so: Müller ist Berlins Regierender Schlingermeister

Heute so, morgen so: Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (56, SPD)

Heute so, morgen so: Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (56, SPD)

Foto: Jörg Carstensen/dpa
Von: Stefan Peter

Berlin – Es gilt das zuletzt gesprochene Wort! Seit Beginn der Pandemie überrascht Michael Müller (56, SPD) mit häufig wechselnden Erkenntnissen. Mal drastischer Warner, mal verständnisvoller Landesvater.

DER REGIERENDE SCHLINGERMEISTER!

Freitagfrüh verteidigte Müller im ZDF-Morgenmagazin seine aktuelle Linie – gegen weitere Verschärfungen der Corona-Regeln.

„Wir haben schließlich einen Lockdown“, so der derzeitige Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK). Genauer: „Wir haben erhebliche Kontakt- oder Ausgangsbeschränkungen.“ Und den Warnungen einzelner Wissenschaftler setzt er entgegen: „Das, was viele befürchtet haben, dass wir bei einer 300er Inzidenz sind, ist nicht der Fall.“

Blick in die nahezu menschenleereFriedrichstraße AnfangJanuar

Blick in die nahezu menschenleere Friedrichstraße Anfang Januar

Foto: picture alliance / Eibner-Presse

Erst vor zwei Wochen, bei seiner Regierungserklärung am 25. März im Abgeordnetenhaus, klang das noch anders. Da verteidigte Müller sogar die zunächst geplante und dann gescheiterte Oster-Ruhe: „Es ist nicht wegzudiskutieren, dass inzwischen viele Jüngere auf den Intensivstationen landen.“

Wer die Bilder aus den Kliniken kenne, der schlafe nachts mit Maske. Energisch stellte der Regierende fest: „Es ist kein harter Lockdown, in dem wir uns jetzt befinden!“

Am Freitag war an der gleichen Stelle schonmehr los

Am Freitag war an der gleichen Stelle schon mehr los

Foto: Ufuk Ucta

Heute hü, morgen hott – das liegt allerdings nicht nur an Müller. Hinter verschlossenen Türen erläutert er durchaus klare(re) Vorstellungen zur Pandemie-Bekämpfung. Doch seine Koalitionspartner Grüne und vor allem die Linke lassen ihn gerne mal auflaufen (Beispiel Alkoholverbot).

Wenn der Schlingermeister die Stimmung zu seinen Gunsten drehen will, schreckt er vor drastischen Bildern nicht zurück. Im Dezember machte Müller vielen Berlinern richtig Angst.

Bei einer Rede im Abgeordnetenhaus wurde er geradezu panisch: „Jenseits vom Lebensmitteleinzelhandel müssen alle anderen Shoppingangebote geschlossen werden, es geht nicht anders“, kündigte er an. „Wie viele Tote sind uns ein Shoppingerlebnis wert, wie viele ein Restaurantbesuch, wie viele Tote ein Kinobesuch?“

Die Rede verfehlte nicht ihre Wirkung – immerhin lag der Inzidenzwert an diesem Tag bei 201. Doch als im Januar und Februar die Inzidenzzahlen spürbar sanken (auf fast 50), blieben die Läden weiterhin zu. Nun sind sie wieder deutlich höher, aber der Senat hält an Shopping fest – wenn auch nur mit Test und Termin!

Das ständige Hin & Her der Berliner Corona-Politik konnten auch Lehrer und Schüler Anfang Januar hautnah erleben. Der Senat beschloss die Rückkehr in die Schulen, was einen riesigen Aufschrei nach sich zog – aber Bildungssenatorin Sandra Scheeres (51, SPD) verteidigte trotzig die Pläne.

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Vor allem die Linkspartei war sauer, sparte im Parlament nicht mit Kritik am Senatsbeschluss. Wenig später gab‘s urplötzlich eine Telefonkonferenz mit Scheeres und den beiden SPD-Landeschefs Franziska Giffey (42) und Raed Saleh (43) – und die Pläne waren vom Tisch.

Müller am Donnerstag mit SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey (42) bei einem Wahlkampf-Termin in Charlottenburg

Müller am Donnerstag mit SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey (42) bei einem Wahlkampf-Termin in Charlottenburg

Foto: Christophe Gateau/dpa

Vor einigen Wochen kündigte der Senat Modellprojekte zur teilweisen Öffnung von Kultur, Gastronomie und Hotellerie an. Ein bisschen Optimismus machte sich breit. Doch diese Projekte wurden gestoppt oder gar nicht erst begonnen. Verwirrung und Enttäuschung bei den Betroffenen.

Covid-19-Erkrankungen in Berlin: Gemeldete Coronavirus-Fälle in Berlin (Hauptstadt) – Infografik

In Müllers Linie in der Corona-Bekämpfung sieht FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja (37) denn auch keinen erkennbaren Kurs mehr: „Heute so, morgen so. Seinen Aussagen kann man doch kaum noch vertrauen. Ich bin nach jeder Regierungserklärung entsetzt, wie wenig nachvollziehbare Substanz die Corona-Politik des Senats aufweist.“

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