Dreimal wurde die Hoteliersfamilie enteignet : Klage eingereicht! Die Adlons wollen das Adlon zurück

Verwaltungsgericht prüft bereits die Rückübertragung

Eine große Liebe wie die von Hedda und Louis: US-Filmemacher Felix Adlon mit seiner Frau Nina, einer berühmten Wiener Opernsängerin, auf dem Balkon des Hotel Adlon

Eine große Liebe wie die von Hedda und Louis: US-Filmemacher Felix Adlon mit seiner Frau Nina, einer berühmten Wiener Opernsängerin, auf dem Balkon des Hotel Adlon

Foto: Stefanie Herbst
Von: Sylvia Jost

„Dreimal“, sagt er. „Dreimal haben sie uns enteignet.“ Uns – das ist seine Familie mit dem großen Namen: Adlon. Alle Welt glaube, dass ihnen das weltberühmte Hotel am Brandenburger Tor gehöre, selbst einige Mitarbeiter, sagt Felix Adlon (54). Doch tatsächlich sind sie Erben ohne Erbe.

Berlin – Der Ur-Ur-Enkel des Adlon-Erbauers klagt an: „Unsere Familie wurde erst von den Nazis enteignet, dann von den Russen. Und schließlich vom eigenen Rechtsstaat.“ DAS will Felix Adlon jetzt ändern. In BILD spricht er exklusiv über seine Pläne, das Adlon zurückzuholen!

„Meine Frau Nina und ich sind es unseren Kindern und meinen Ahnen schuldig, dieses Unrecht wieder gut zu machen“, sagt der Filmemacher. Denn jetzt könne er endlich beweisen, dass die Gründe für die Enteignung falsch waren: „Hedda und Louis Adlon waren keine Nationalsozialisten. Im Gegenteil: Sie waren im Widerstand – an der Seite der Stauffenberg-Attentäter vom 20. Juli!“

SS-Männer waren die eigentlichen Herren des Luxus-Hotels

Blick zurück: Das Nobelhotel, in dem in den 20ern die Welt zu Hause war, wurde mit Hitlers Machtergreifung 1933 immer mehr von den Nazis beschlagnahmt. Das Auswärtige Amt besetzte zwei Stockwerke, Telefone wurden verwanzt, um die Gespräche in andere Länder mitzuhören. „Finstere SS-Männer in schwarzen Uniformen riefen Befehle durch die Halle. Sie waren jetzt die eigentlichen Herren des Luxus-Hotels“, schrieb Hedda später in ihrem Buch „Hotel Adlon“.

Ab 1945 wurde das Haus nur noch als Lazarett genutzt – bis es am 4. Mai 1945 abbrannte. „Angezündet von den Russen“, davon ist Felix Adlon heute überzeugt.

Das Adlon nach dem Brand am 4. Mai 1945, der das Hotel auslöschte – zwei Tage NACH der Berliner Kapitulation

Das Adlon nach dem Brand am 4. Mai 1945, der das Hotel auslöschte – zwei Tage NACH der Berliner Kapitulation

Foto: .

Diese hatten wenige Tage zuvor, am 25. April, Hotelier Louis Adlon aus seinem Wohnhaus bei Potsdam verschleppt. Eine Angestellte hatte ihn „Herr Generaldirektor“ genannt. Und alles, was die Russen verstanden, war das Wort „General“…

Vom russischen Geheimdienst wurde er sieben Tage verhört und gefoltert. „Als sich herausstellte, dass er nichts wusste, wurde er in einem Lazarett zurückgelassen. Er schleppte sich noch Richtung Zuhause.“

Hedda und Louis Adlon kurz nach ihrer Hochzeit 1922

Hedda und Louis Adlon kurz nach ihrer Hochzeit 1922

Foto: Historiker Erik Flemming

Als Hedda ihre große Liebe fand, war Louis bereits tot. „Warum sollten sie meinen Ur-Großvater freilassen, wenn sie ihm irgendeine Verbindung zu den Nazis hätten nachweisen können?“, fragt sich Felix Adlon.

Von den Sowjets wieder enteignet

Das einzige, was man ihnen ankreiden konnte: Das Ehepaar Adlon war 1941 in die NSDAP eingetreten. „Erst 1941“, betont Felix Adlon, „als der politische Druck zu groß wurde.“

Die Parteimitgliedschaft wurde dennoch zum Verhängnis: 1949 setzten die Sowjets das Adlon-Grundstück auf die sogenannte „Liste 3“ des „Gesetzes zur Einziehung von Vermögenswerten der Kriegsverbrecher und Nationalsozialisten“. Enteignet, zum 2. Mal!

Widerspruch? Erfolglos! 1957 schloss Hedda mit der jüdischen Hoteliersfamilie Kempinski einen Vertrag: Sollte Deutschland wiedervereint werden, dürfe Kempinski wieder ein „Hotel Adlon“ am selben Platze errichten.

Rückübertragung „demnächst möglich"

Gleich nach der Wiedervereinigung 1990 stellten Heddas Erben einen Antrag auf Rückübertragung des Grundstücks. „In mehreren Schreiben wurden uns versichert, dass dies demnächst möglich‘ sei“, so Felix Adlon.

Währenddessen kaufte Kempinski das Grundstück vom Berliner Senat, verkaufte es weiter an einen Investor und klingelte bei Felix‘ Vater Percy an: Man wolle mit ihm das Adlon wiederaufbauen. „Mein Vater war schon mitten in der Planung für die Innenausstattung, als 1996 der Traum zerplatzte“, erinnert sich Felix Adlon.

Das heutige Hotel Adlon am Pariser Platz

Das heutige Hotel Adlon am Pariser Platz

Foto: picture alliance / Bildagentur-o

Rückübertragung abgelehnt! Mit Verweis auf die „besatzungshoheitliche Enteignung“ (Liste 3). Zum dritten Mal enteignet!

Ein Jahr später wurde das neue Adlon eröffnet – „mit uns nur als Werbeträger“, so der Nachfahre bitter.

Nach 20 Jahren Akten entdeckt

Fast 20 Jahre sollte es dauern, bis ein Brief alles wieder in Frage stellte: 2015 wurde plötzlich der Antrag aus den 90er Jahren auf Rückübertragung des Adlon-Betriebsvermögens (u.a. Mobiliar) beantwortet – mit einer Ausgleichszahlung über 62.807,10 Euro. „Warum das? Wir waren doch als Nazis enteignet worden?“, fragte sich Felix Adlon.

Felix Adlon in der Lobby des Hotel Adlon

Felix Adlon in der Lobby des Hotel Adlon

Foto: Stefanie Herbst

Er beantragte Akteneinsicht beim Berliner Finanzsenat. „Gleich im ersten Ordner fand ich die Dokumente, die die Bundesregierung in den 90ern unter Verschluss gehalten hatte!“ Unter anderem eidesstattliche Versicherungen von der Witwe des Berliner Stadtkommandanten, Generalleutnant Paul von Hase – einem der Haupttäter des Attentats auf Hitler am 20. Juli 1944.

Darin schrieb sie: „Herr und Frau Adlon gehörten seit 1941 gezwungenermaßen der Partei an. Es solle kein Verdacht auf das Hotel Adlon fallen, da die Gestapo ihre Agenten öfters hinschickte.“ Und: Ihr Mann hätte „stets offen über den Nationalsozialismus mit Herrn und Frau Adlon sprechen können, da er wusste, dass sie zu den erbittersten (sic) Feinden des Nationalsozialismus gehörten.“ Laut Margarethe von Hase hätten sich die Verschwörer „fast täglich“ vor den Augen der Nazis im Hotel Adlon getroffen. Dort hätten sie „vielfach Besprechungen der Widerstandsbewegung stattfinden lassen, an denen sie selbst teilnahmen.“

BUMM!

Felix Adlon grub weiter, fand einen Zeitzeugen: den jüngsten Sohn des Generalleutnants, Friedrich-Wilhelm von Hase. „Ich war damals 7. Wir wohnten in der Wehrmachtkommandantur, nur 800 Meter vom Adlon. Meine Eltern gingen oft dorthin, sie waren mit den Adlons eng befreundet“, erinnert sich der heute 84-Jährige im Gespräch mit BILD noch genau.

„Mein großer Bruder war dabei, als sie sich am Vorabend des 20. Juli mit den Adlons trafen und ein letztes Glas Sekt tranken. Mein Vater glaubte nicht an den Erfolg des Staatsstreichs…“

Der Generalleutnant wurde hingerichtet, seine Frau und die beiden älteren Kinder inhaftiert. Sippenhaft! Der kleine Friedrich-Wilhelm kam mit den Stauffenberg-Kindern in ein Umerziehungsheim nach Bad Sachsa im Harz.

Auf den Tag genau 75 Jahre später traf er sich mit Felix Adlon und seiner Frau Nina an dem Ort, an dem sich ihre Vorfahren zum letzten Mal sahen: im Adlon.

Die Adlons trafen den Zeitzeugen Friedrich-Wilhelm von Hase im Adlon – genau 75 Jahre nach dem Treffen ihrer Vorfahren

Die Adlons trafen den Zeitzeugen Friedrich-Wilhelm von Hase im Adlon – genau 75 Jahre nach dem Treffen ihrer Vorfahren

Foto: privat

„Ich konnte vor Rührung kaum sprechen“, erinnert sich Felix Adlon. „Zum ersten Mal hörte ich von einem Zeitzeugen, dass meine Vorfahren keine Nazis waren!“

Nicht anfechtbar?

Mit diesen und weiteren Beweisen für die unrechtmäßige Enteignung will Felix Adlon den Fall nun neu aufrollen. Er reichte Klage ein. Das Problem: Bisher scheiterten alle Verfahren an der „Liste 3“: Sie gilt als nicht anfechtbar. Angeblich hätte es die Sowjetunion 1990 zur Bedingung für die Deutsche Einheit gemacht, dass das von ihr beschlagnahmte Nazi-Eigentum nicht zurückgegeben werden dürfe.

Doch: „Das ist falsch“, sagt Adlon-Anwalt Wolfgang Peters zu BILD.

„Es steht in keinem Vertrag, keinem Dokument drin, dass es eine solche Bedingung gab. Das wurde von der Bundesregierung damals nur behauptet.“

Als Zeugen benennt er u.a. den damaligen Präsidenten der Sowjetunion Michail Gorbatschow (91), der dies öffentlich als „absurd“ bezeichnet hatte!

Der Präsident der Sowjetunion Michail Gorbatschow (Mi.) mit Bundeskanzler Helmut Kohl (re.) und Außenminister Hans-Dietrich Genscher (li.)

Der Präsident der Sowjetunion Michail Gorbatschow (Mi.) mit Bundeskanzler Helmut Kohl (re.) und Außenminister Hans-Dietrich Genscher (li.)

Foto: AP

Peters Strategie: „Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder, wir beweisen, dass die Adlons keine Nazis waren, sondern faktisch von den Nazis enteignet wurden – denn in Fällen von Enteignungen durch die Nazis wurde meist zurückübertragen. Oder wir kippen die Rechtsprechung zur Liste 3!“

Letzteres würde Jahre dauern. Aber er ist zuversichtlich: Mit Schreiben vom 22. Februar 2022 teilte das Verwaltungsgericht mit, dass es jetzt in die Prüfung eingestiegen ist…

Dieser Fall ist purer Zündstoff. Fiele die „Liste 3“, müsste die Bundesregierung auch einige andere Vermögen zurückgeben – in Milliardenhöhe!

Felix und Nina Adlon in ihrer Lieblingssuite mit Blick aufs Brandenburger Tor

Felix und Nina Adlon in ihrer Lieblingssuite mit Blick aufs Brandenburger Tor

Foto: Lorenz Adlon
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