Berliner Covid-19-Intensivstation: Hier hofft man nur aufs Überleben

In Zimmer 7 versorgt eine Pflegerin einen der vier Erkrankten, die zurzeit auf der Station um ihr Leben kämpfen. Er wird beatmet, liegt im künstlichen Koma

In Zimmer 7 versorgt eine Pflegerin einen der vier Erkrankten, die zurzeit auf der Station um ihr Leben kämpfen. Er wird beatmet, liegt im künstlichen Koma

Foto: Olaf Selchow
Von: Björn Trautwein

Ein lautes Piepen dringt aus einem der Patientenzimmer auf den Flur und signalisiert, dass etwas nicht in Ordnung ist. Trotz des eindringenden Tons bricht im vierten Stock der Caritas-Klinik Maria Heimsuchung in Berlin-Pankow keine Hektik aus. Im Gegenteil.

Berlin – Der Kampf um das Leben gehört hier auf der Intensivtherapiestation zum Alltag. Alarm ist immer. Auch am vergangenen Donnerstag.

Konzentriert aber unaufgeregt wechselt Intensivpfleger René Uhl (36) das Zimmer, schaut nach der Patientin, die dort seit wenigen Tagen Sauerstoff erhält. Er spricht sie beruhigend an, sieht auf den vielen Monitoren, dass es keine akute Gefahr gibt und stellt den Alarm aus.

Die Frau ist 33 Jahre alt und die jüngste von vier Covid-19-Patienten, die hier um ihr Leben kämpfen. Noch einen Tag zuvor lag sie im künstlichen Koma, wurde beatmet, jetzt bekommt sie Unterstützung durch ein Maske. In wenigen Stunden kommt ein weiterer Patient in das Zimmer.

Bevor er in die Zimmer mit Covid-19-Patienten geht, schützt sich Pfleger Uhl mit Maske und Visier, zieht einen Schutzmantel und Handschuhe an. Seit Monaten sind Ärzte und Pfleger außerdem geimpft

Bevor er in die Zimmer mit Covid-19-Patienten geht, schützt sich Pfleger Uhl mit Maske und Visier, zieht einen Schutzmantel und Handschuhe an. Seit Monaten sind Ärzte und Pfleger außerdem geimpft

Foto: Olaf Selchow

Im Raum 7 daneben liegen ebenfalls zwei Covid-19-Erkrankte. Beide Anfang 60. „Bei einem ist es kein guter Verlauf“, sagt Chefarzt Dr. Thomas König (49) ernst. Sein Bettnachbar hingegen wird gerade von der Beatmung entwöhnt. In kurzen Pausen atmet er selbst, sitzt schnaufend auf einem Stuhl neben dem Bett. Danach bekommt er wieder Sauerstoff. Ein fünfter Patient wurde am Tag davor entlassen.

Pfleger René Uhl (36) bereitet die Medikamente für seine Patienten vor. Er arbeitet seit zehn Jahren auf der Station

Pfleger René Uhl (36) bereitet die Medikamente für seine Patienten vor. Er arbeitet seit zehn Jahren auf der Station

Foto: Olaf Selchow

Insgesamt liegen acht Patienten auf der Station. Vier weitere Betten sind für Notfälle. Wegen Corona arbeiten fünf statt vier Pfleger in einer Schicht. „Die Versorgung eines beatmeten Covid-Patienten ist einfach aufwendiger“, sagt Uhl. „Allein das Wenden einer Person erfordert fünf bis sechs Helfer. Insgesamt ist man zwei bis drei Stunden am Tag rein mit der Betreuung beschäftigt.“

„Wir sind alle im roten Bereich“

Wie alle hier hat er so viele Überstunden angesammelt, dass er sie schon nicht mehr zählt: „Wir sind alle im roten Bereich“. Urlaub hat er trotzdem noch keinen gebucht. „Man weiß ja nicht, ob man wegfahren kann“, sagt Uhl, „aber Erholung und Abwechslung wäre schon mal wichtig.“ Aber was ist das schon, wenn man die Patienten, die um ihr Leben ringen, seht?

Gemeldete Coronavirus-Patienten auf Intensivstationen in Krankenhäusern - Infografik

Seit über einem Jahr herrscht auf der Intensivtherapiestation im vierten Stock des Klinikums in Berlin-Pankow der Ausnahmezustand. Seitdem die ersten Covid-19-Patienten eingeliefert wurden. „An die Patienten der ersten Welle kann ich mich noch an jeden einzelnen erinnern“, sagt René Uhl, der stellvertretende Stationsleiter, „ich weiß noch alle Namen.“

„Die Situation verlangt uns alles ab“, meint auch Chefarzt Dr. König (49). „In den letzten sechs Monaten hatten wir immer zwischen vier und sechs Covid-Patienten“.

Chefarzt Dr. Thomas König (Mitte) bespricht mit Oberärztin Dr. Ursula Klintworth (47) die Behandlung der Patienten

Chefarzt Dr. Thomas König (Mitte) bespricht mit Oberärztin Dr. Ursula Klintworth (47) die Behandlung der Patienten

Foto: Olaf Selchow

Die meisten Patienten der dritten Welle sind zwischen 40 und 60 Jahre alt. „Durch die Impfungen haben wir keine Hochbetagten über 80 Jahre mehr“, so Dr. König. Doch die Jungen sind robuster, dadurch verlängern sich auch die Behandlungszeiten. Während normale Patienten im Schnitt ein bis drei Tage auf der Station liegen, sind es bei den Covid-Patienten mehrere Wochen.

„Niemand, der hier rauskommt, ist gleich gesund“

744 Covid-Erkrankte lagen am Donnerstag in Berlin im Krankenhaus, 334 auf einer Intensivstation, wie die vier hier in der Caritas-Klinik. 249 Patienten von ihnen wurden beatmet. Damit waren 27 Prozent der 1150 Berliner Intensivbetten mit Covid-Patienten belegt. Um jedes Leben wird gekämpft, trotzdem sind 3829 Berliner seit Ausbruch der Pandemie gestorben.

19 Tote waren es hier auf der Station. Die Zahl weiß Dr. König genau. „Vor allem am Anfang war es schlimm“, sagt er, „das war traumatisch, weil wir nicht wussten, wie wir behandeln müssen. Damals sind fast alle gestorben, jetzt sieht man Erfolge.“

Insgesamt arbeiten 25 Mediziner und 21 Pflegekräfte auf der Intesivpflegestation und der Rettungsstelle in Pankow

Insgesamt arbeiten 25 Mediziner und 21 Pflegekräfte auf der Intesivpflegestation und der Rettungsstelle in Pankow

Foto: Olaf Selchow

Das Cortison-Medikament Dexamethason gehört zu den wirksamsten Mitteln. Trotzdem: „Niemand, der hier rauskommt, ist gleich gesund“, sagt der Arzt, „viele brauchen noch Wochen oder Monate, um sich zu erholen.“ Der jüngste Tote war 41, die älteste geheilte Patientin war 88 Jahre alt.

Was wünschen sich der Arzt und der Pfleger? „Dass sich die Menschen verantwortungsvoll verhalten“, sagt Dr. König. „Solidarität heißt, dass wir alle aufpassen und damit vermeiden, dass Menschen sterben.“

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Quelle: BILD/RainWater Media
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