Aufregung um Escape-Spiel in Berlin: Hier wird Stasi-Knast-Ausbruch gespielt

Die vom Spiele-Anbieter nachempfundene Stasi-Zelle in einem Haus in Prenzlauer Berg. Hier sollen Hilfsmittel zur Flucht genutzt werden. Mit der Rückseite der Zahnbürste lässt sich beispielsweise ein Gitter an der Wand lösen

Die vom Spiele-Anbieter nachempfundene Stasi-Zelle in einem Haus in Prenzlauer Berg. Hier sollen Hilfsmittel zur Flucht genutzt werden. Mit der Rückseite der Zahnbürste lässt sich beispielsweise ein Gitter an der Wand lösen

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Von: Birgit Bürkner

Ausgerechnet zum 60. Jahrestag des Mauerbaus wird Ausbruch aus dem Stasi-Knast zum Spaß-Event …

Berlin – Abenteuer-Spiele, sogenannte Escape-Games, boomen in Berlin. Es handelt sich dabei um eine Art von Schnitzeljagd für Erwachsene. Bei einem Anbieter in Prenzlauer Berg kann man für 85 Euro aus einem vermeintlichen Stasi-Knast ausbrechen. Opferverbände verurteilen das Spiel.

Ein vermeintlicher Stasi-Knast-Raum im Escape-Game in Prenzlauer Berg in Berlin

Ein vermeintlicher Stasi-Knast-Raum im Escape-Game in Prenzlauer Berg in Berlin

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Ein Mitspieler beschreibt das Knast-Abenteuer. „Eine Mitarbeiterin sagt: ‘Du hast für Westdeutschland spioniert. Es gibt nichts, das dich entlasten kann.‘ Dann fällt die Tür mit einem lauten Knall ins Schloss. Der Raum ist klein. Ein Bett, ein Tisch, an den Wänden Porträts von Chruschtschow und Ulbricht. Ich kann schlecht atmen, bekomme Panik, eine ziemliche Stress-Situation... Im Vierfüßlergang quetsche ich mich durch stockdunkle Gänge, an meinen Händen und Knien klebt Staub."

Als „bizarr und unseriös“ bezeichnet Ex-Stasi-Häftling Peter Keup (63) die Szenerie. Er saß nach versuchter Republikflucht zehn Monate in Stasi-Haft in Dresden sowie im Zuchthaus Cottbus. In der Brandenburger Gedenkstätte ist er heute wissenschaftlicher Mitarbeiter. „Ein Abenteuer-Spiel in den Kontext vielfachen menschlichen Leids zu stellen, lehne ich ab“, so der Historiker.

Ex-Stasi-Häftling Peter Keup saß unter anderem im Cottbusser Zuchthaus. Im heute hier ansässigen Menschenrechtszentrum forscht er zu Haftbiografien

Ex-Stasi-Häftling Peter Keup saß unter anderem im Cottbusser Zuchthaus. Im heute hier ansässigen Menschenrechtszentrum forscht er zu Haftbiografien

Foto: LR

Die Stasi-Isolationshaft sei psychische Folter gewesen. „Ich durfte nicht sprechen, keine Fragen stellen, musste Verhöre tage- und nächtelang ertragen. Irgendwann ist man völlig kaputt.“

Und dann die Dunkelhaft. „Eine Neonröhre ging an und aus, 15 Stunden lang, das macht wahnsinnig.“

Er meint: „Ich würde jedem von dem Spiel abraten!“

Auch Dr. Helge Heidemeyer, Chef der Gedenkstätte Hohenschönhausen findet, Escape-Games seien keine Form der Aufarbeitung: „Um sich ernsthaft mit den Bedingungen eines Haftortes und der Aufarbeitung der Folgen der SED-Diktatur zu beschäftigen, ist ein Besuch der Gedenkstätte mehr als empfehlenswert.“

So sah eine Zelle im Stasi-Knast Hohenschönhausen aus, in dem von 1951 bis 1989 11.000 Gefangene Inhaftiert wurden

So sah eine Zelle im Stasi-Knast Hohenschönhausen aus, in dem von 1951 bis 1989 11.000 Gefangene Inhaftiert wurden

Foto: picture alliance / dpa I

Der Veranstalter des Spiels ließ eine BILD-Anfrage unbeantwortet.

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