101-Jähriger angeklagt: SS-Wachmann hält Gericht zum Narren

Josef S. leugnet Dienst im KZ Sachsenhausen weiter – obwohl ein Brief das belegt

Elfter Prozesstag um KZ-Wächter Josef S., inzwischen 101 Jahre alt

Elfter Prozesstag um KZ-Wächter Josef S., inzwischen 101 Jahre alt

Foto: Ufuk Ucta
Von: MAtthias Lukaschewitsch

Brandenburg (Havel) – Die Ausflüchte und Ausreden, die der 101-jährige SS-Wachmann Josef S. im Prozess um das Morden im KZ Sachsenhausen vorbringt, werden immer schlimmer!

Auch am Donnerstag – am 11. Prozesstag – leugnete er wieder, dass er in der Vernichtungsmaschinerie von Sachsenhausen als SS-Scherge Dienst getan hat und an Mord in 3518 Fällen beteiligt gewesen sein soll.

Auf diesem Foto vom 29. Juli 1941, das den jungen Josef. S. mit 21 Jahren zeigt, will sich der greise Angeklagte nicht wiedererkennen

Kurz vor seinem Dienstantritt in der SS-Wachkompanie: Josef S. im Alter von 21 Jahren

Obwohl ein Brief, den Historiker Stefan Hördler vor Gericht präsentierte, das eindeutig belegt. In dem Dokument von 1942 schreiben die Eltern von Josef S. an eine Nazi-Dienststelle: „Wir müssen anmerken, dass unserer Sohn Josef zur Zeit bei der SS in Oranienburg tätig ist.“

Für die Eltern ging es in dem Brief um die Rückkehr nach Litauen, von wo sie zuvor als Litauendeutsche vor den russischen Besatzern geflüchtet waren.

Doch Josef S. schüttelte vehement den Kopf: „Nee, war ich nie nich bei der SS.“

Richter Udo Lechtermann konnte seinen Unmut kaum noch verbergen, fragte den greisen Angeklagten: „Wollen Sie also wirklich weiter behaupten, dass Sie nicht bei der SS in Sachsenhausen gedient haben?“

Als Josef S. starrsinnig bei seiner Version blieb, forderte der Richter ihn auf: „Dann sagen Sie doch endlich, wo Sie da waren. Ich denke, das wäre jetzt langsam angebracht!“

Der Angeklagte holte Luft für eine Antwort: Wollte er gestehen? Doch dann schnitt S.s Anwalt Stefan Waterkamp seinem Mandanten das Wort ab: „Ich bin dabei, das mit Herrn S. aufzuarbeiten und werde mit ihm zeitnah eine Stellungnahme ausarbeiten.“

Richter Lechtermann griff zum letzten Mittel, wollte wissen: „Herr S., haben Sie eine Tätowierung am linken Arm mit Ihrer Blutgruppe? Und falls ja, wo haben Sie die her?“ Antwort: „Neee, hab ich keine Tätowierung. Meine Blutgruppe weiß ich aber – ich habe A.“

Blutgruppen-Tattoos waren eine gängige Praxis bei der SS. Der Richter kündigte an: „Wir werden das von einem Gutachter überprüfen lassen, ob Sie am Arm oder Körper eine Tätowierung mit Ihrer Blutgruppe haben oder hatten, das kriegen wir raus!“

Selbstbewusst antwortete S. darauf: „Ja, können Sie machen, können Sie gucken, da ist nichts am Körper. Wie ist man denn da drangekommen?“ Der Richter winkte ab: „Das weiß man doch, Herr S., Sie auch.“

Fortsetzung ist am Freitag.

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