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Gescheiterte Verhandlungen um Rahmenvertrag mit EU : Warum das „Rosinenpicken“ der Schweiz nicht funktionierte

Die Schweiz will Zugang zum EU-Binnenmarkt, aber die Regeln der EU nicht akzeptieren. Deshalb waren die Gespräche mit Brüssel zum Scheitern verurteilt.

Gescheiterte Verhandlungen um Rahmenvertrag mit EU : Warum das „Rosinenpicken“ der Schweiz nicht funktionierte

Das Verhältnis zwischen der Schweiz und der EU wird noch komplizierter, als es ohnehin schon ist.Foto: Michael Stahl/dpa

Es ist kein harter Bruch, der sich im Verhältnis zwischen der EU und der Schweiz abgespielt hat. Aber dennoch drohen nun neue wirtschaftliche Barrieren, nachdem die Bundesregierung in Bern am Mittwoch die Verhandlungen über ein Rahmenabkommen mit der EU beendet hat. Angesichts der geplatzten Gespräche nach sieben Jahren sagte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) beim Treffen der EU-Außenminister am Donnerstag in Lissabon, der Abbruch der Verhandlungen sei „ein wirklich heftiger Rückschlag“.

Dennoch führt das Ende der Gespräche in Brüssel keinesfalls zu einem Schockzustand, wie er seinerzeit nach dem britischen EU-Referendum im Jahr 2016 herrschte. Der Grund: Weil die Schweiz kein Mitglied der EU ist, kann man auch jetzt nicht von einem „Schwexit“ sprechen. Bei Großbritannien, das Ende Januar 2020 seine EU-Mitgliedschaft  nach 47 Jahren beendete, war das anders. Die Briten mussten anschließend zum Beginn dieses Jahres ein Verzollungssystem überhaupt erst neu aufbauen, wie es in der Schweiz schon lange existiert.

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In der Praxis zeigt sich der Unterschied für die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland etwa beim Gang zur Post. Wer ein Päckchen in die Schweiz verschickt, muss von jeher eine Zollinhaltserklärung beifügen. Erst seit Jahresbeginn wird eine solche Erklärung neuerdings auch für Sendungen nach Großbritannien benötigt.

Schweiz lehnte auch Mitgliedschaft im EWR ab

Die Schweiz legt schon seit Jahrzehnten großen Wert auf ihre Eigenständigkeit. Nicht nur ließen sich für eine EU-Mitgliedschaft keine politischen Mehrheiten finden. Auch lehnten die Eidgenossen 1992 bei einem Referendum mehrheitlich die Mitgliedschaft im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) ab – einem eher lockeren Verbund, dem neben den EU-Staaten noch weitere Länder wie Norwegen angehören.

Damit die Schweiz aber trotz des Sonderweges  weit gehend ungehindert auf den EU-Binnenmarkt exportieren kann, gibt es seit Jahrzehnten ein Geflecht von bilateralen Verträgen zwischen Brüssel und Bern. Dieses System wollte die EU modernisieren und den neuen Rahmenvertrag zur Voraussetzung für weitere Einzelabkommen mit der Schweiz machen.

Handel mit Medizinprodukten gerät ins Stocken

Nach  dem Scheitern der Gespräche liegt das wirtschaftliche Risiko in erster Linie bei der Schweiz, für die die EU der wichtigste Handelspartner ist. Beim Export drohen der Schweiz nun zusätzliche bürokratische Hürden. Im Detail wird dies bereits beim Handel mit Medizinprodukten sichtbar. Hier müssen  Schweizer Unternehmen von nun an mit Nachteilen auf dem EU-Binnenmarkt kalkulieren. Dies liegt daran, dass die EU ein entsprechendes Abkommen über Produktstandards nicht mehr verlängert. Zudem könnte die Schweiz vom europäischen Strommarkt ausgeschlossen werden.

Umgekehrt ist allerdings die wirtschaftsstarke Schweiz auch für die EU von einiger Bedeutung. Unter den Handelspartnern der Gemeinschaft  steht die Eidgenossenschaft hinter den USA, China und Großbritannien auf Platz vier. Aus diesem Grund hatte sich EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen wie schon ihr Vorgänger Jean-Claude Juncker bei den Gesprächen persönlich für das Rahmenabkommen eingesetzt.

Im Grunde ging es bei den geplatzten Verhandlungen um einen Konflikt, wie man ihn auch von den – erfolgreich zu Ende geführten – Post-Brexit-Gesprächen kennt: Ähnlich wie Großbritannien wollte die Schweiz bei den Gesprächen ein Maximum beim Zugang zum EU-Binnenmarkt herausholen, ohne dafür den Preis in der Form der Einhaltung bestimmter EU-Regeln zu zahlen.

Streit um Unionsbürgerrichtlinie

So stritten Bern und Brüssel unter anderem bis zuletzt um die so genannte EU-Unionsbürgerrichtlinie. Falls die EU-Richtlinie in der Schweiz wie von Brüssel gewünscht umgesetzt worden wäre, hätte sich die Eidgenossenschaft voraussichtlich auf Mehrkosten bei der Auszahlung von Sozialhilfe an dort ansässige EU-Bürger einstellen müssen. Vor allem die rechtspopulistische Schweizerische Volkspartei (SVP) hatte Stimmung gegen eine solche Neuregelung gemacht.

Unterdessen muss die Schweiz damit rechnen, nicht mehr voll am EU-Forschungsprogramm „Horizon Europe“ beteiligt zu werden. EU-Kommissionssprecher Eric Mamer erklärte am Donnerstag, es sei schon vor den geplatzten Verhandlungen klar gewesen, dass eine Teilnahme der Eidgenossenschaft am Programm „im Licht der gesamten Beziehung mit der Schweiz“ zu bewerten sei. Nach dem Aus der Verhandlungen über das Rahmenabkommen kann man das Verhältnis beider Seiten jedenfalls nur als eisig bezeichnen.

 

Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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