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Fürs Blaulicht begeistern : Tobias Schlegl wirbt mit einem Podcast für den Beruf des Rettungssanitäters

Als Moderator beim TV-Musiksender Viva wurde er bekannt. Dann schulte er um – und versucht jetzt, andere für den Job zu gewinnen

Fürs Blaulicht begeistern : Tobias Schlegl wirbt mit einem Podcast für den Beruf des Rettungssanitäters

Tobias Schlegl startet einen neuen Podcast.Foto: Georg Wendt/dpa

Tobias Schlegl erinnert sich noch genau an die erste Frage, die ihm gestellt wurde, als er seinen Ausbildungsvertrag zum Rettungssanitäter unterschrieb: „Ist Ihnen bewusst, dass Sie bei der Arbeit mit Viren und Bakterien in Kontakt kommen werden und fühlen Sie sich darauf vorbereitet?“

Das war vor viereinhalb Jahren, also deutlich vor der Corona-Pandemie. „Wir haben in der Ausbildung zwar Epidemien und Pandemien durchgenommen“, erzählt Schlegl am Telefon, „aber eher mit so einem Lächeln. Nach dem Motto: Das wird sowieso nicht eintreffen.“

Anfang 2021 besteht Schlegls Alltag teils aus 58-Stunden-Wochen, in denen Krankheit und Tod allgegenwärtig sind. Aber er erlebt auch „das tollste und intensivste Gefühl auf der Welt“, wie er sagt: Leben retten.

Er verbindet seine zwei Berufswelten

Über die Kunst des Lebensrettens und Schattenseiten, die mit ihr einhergehen, spricht Tobi Schlegl in seinem neuen Podcast „2Retter1Mikro“. Schlegl verbindet so die zwei Berufswelten, in denen er sich bewegt: Im Sommer 2016 hatte der erfolgreiche Fernseh- und Radiomoderator verkündet, Notfallsanitäter werden zu wollen. Er wollte „etwas wirklich Relevantes“ machen.

Schlegl wurde Mitte der Neunzigerjahre als Viva-Moderator bekannt und hatte in der Zwischenzeit viele TV- und Radioshows moderiert.
Er will seine Bekanntheit nutzen, und darauf aufmerksam machen, wie er und seine Sanitäterkolleg:innen mit der Arbeitsbelastung umgehen, was die Politik ihnen aus ihrer Sicht schuldig bleibt und wie ein jeder im Alltag Erste Hilfe leisten kann.

Sein Podcast solle keiner nur für Insider sein, sagt Schlegl. Deshalb unterhält er sich nicht nur in jeder Folge mit einem Kollegen oder einer Kollegin – als ersten Gesprächspartner etwa lud er sich einen Intensivpfleger und Rettungssanitäter in den Podcast ein. Sondern am Ende einer jeden Folge gibt Schlegl mit seinem Gesprächspartner auch einen Audio- Crashkurs in Erste Hilfe. Wie reanimiere ich als Laie eine bewusstlose Person? Wie vergewissere ich mich, dass sie noch atmet? Wie erkenne ich einen Schlaganfall?

Vor allem junge Leute sollen angesprochen werden

Und doch kommt der Podcast nicht ohne den harten Stoff des Retter-Alltags aus – oder wie es im Einspieler heißt: ohne die Geschichten aus dem „Blaulichtmilieu“. Denn „die härtesten und verrücktesten Geschichten schreibt das Leben selbst“, wie Schlegl zu Beginn mit seiner Moderatorenstimme verkündet.

Spätestens da ist ihm die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer:innen gewiss. Nur wenige Sekunden vorher wurden sie nämlich aus heiterem Himmel mit einem wie ein Hiphop-Beat anmutenden Sirenen-Jingle ins Hier und Jetzt gerissen.
Von Anfang an ist unschwer zu erkennen, dass Schlegl vor allem beim jungen Publikum landen – und Werbung für den Beruf des Rettungssanitäters machen will.

Da bleibt er aber, wie er sagt, realistisch. „Es wäre schön, wenn ich den Job jungen Menschen uneingeschränkt empfehlen könnte, aber das kann ich nicht.“

Warum nicht, thematisiert er auch ganz offen im Podcast: Der Job ist hart, die Überstunden häufen sich und eine bedingungslose, stetige psychologische Begleitung fehlt. Diese Missstände thematisiert Schlegl im Gespräch mit Kollegen.

Zwölf-Stunden-Schichten sind durchaus erlaubt

Dabei wird es politisch: Schlegl hat konkrete Forderungen und wünscht sich eine Reform des Arbeitszeitgesetzes. Zwar ist die Arbeitszeit von Rettungssanitätern dem Gesetz zufolge auf maximal zehn Stunden am Tag begrenzt. Doch es gibt Ausnahmeregelungen: Wenn das Unternehmen aus dem öffentlichen Haushalt finanziert wird, sind auch Zwölf-Stunden-Schichten erlaubt.

Solche Ausnahmen gehören verboten, findet Schlegl. Eine Reform des Arbeitszeitgesetzes würde langfristig auch den Personalnotstand beheben, glaubt er: „Würden wir die Arbeitszeit runterschrauben, würden die Menschen nicht nach zwei bis drei Jahren aus dem Beruf verschwinden. Das würde sich rechnen.“

Außerdem hätten Rettungskräfte dann mehr Luft, psychisch belastende Einsätze zu verarbeiten. Das sei die große Gemeinsamkeit, die alle Retter verbinde: „Alle haben Einsätze, die sie nie vergessen werden. Besonders, wenn Kinder im Spiel sind.“

Der Einsatz, den Schlegl nicht vergessen wird, ging nicht gut aus. Er wurde gerufen, weil ein Kleinkind ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten hatte. „Ich könnte die Bilder immer abrufen, wenn ich wollte“, erzählt er.

Krankes und Kaputtes schiebe die Gesellschaft ab

Seit Beginn der Pandemie setzt sich breite Gesellschaft wohl auch öfter mit dem Tod auseinander. Schlegl sieht da einen großen Nachholbedarf – obwohl er die Ignoranz gegenüber dem Tod genau kennt: „Vorher habe ich in einer Journalismus-Welt gelebt. Tod hat da keine Rolle gespielt. Und jetzt ist er plötzlich immer da.“

Das Kranke und Kaputte werde in unserer Gesellschaft abgeschoben in die Krankenhäuser. „Es ist ja schließlich eine Ungeheuerlichkeit, dass wir alle sterben“, sagt Schlegl gespielt empört.

Doch auch wenn viele den Tod in all seiner Omnipräsenz zu verdrängen versuchen, tun die meisten Deutschen nicht genug, um ihn zu verhindern. Wenn es nach Tobias Schlegl ginge, müsste jede:r alle fünf Jahre einen Erste-Hilfe-Kurs machen.

Wir kommen mit dem Einsatzwagen schon vom Prinzip her immer zu spät, weil wir ein paar Minuten zum Einsatzort brauchen.“ Deshalb wagt er in seinem Podcast auch „ein kleines Experiment“, wie er sagt: „Wir arbeiten nur mit Sprache und versuchen, ein Kopfkino hervorzurufen.“

Die erste Hörerin hat sich schon angemeldet

Doch kann Erste-Hilfe-Nachhilfe ohne optische Unterstützung gelingen? Natürlich wäre es wünschenswert, wenn Hörer:innen dabei ihr Smartphone rausholen und googeln, ergänzt Schlegl.

Und noch wünschenswerter wäre es, wenn der Podcast jemanden dazu motiviert, einen Erste-Hilfe-Kurs zu machen. Damit steckt Schlegl sein Ziel gar nicht mal so hoch: Eine erste Hörerin hat er schon überzeugt. Sie schrieb ihm in den sozialen Medien an: „Endlich mal was mit Sinn und nicht irgendein Geschwafel…Habe mich direkt zum Erste-Hilfe-Kurs angemeldet“ und schickte einen Screenshot der Online-Anmeldung mit.

Allein dafür hätte sich der Podcast schon gelohnt, kommentierte Schlegl auf Twitter. Inzwischen ist bereits die Folge zweite Folge veröffentlicht worden, diesmal spricht Tobias Schlegl mit einem Notfallsanitäter. Danach begibt er sich wieder in seinen anderen Job, wo er nur Retter ist, ganz ohne Mikro.

Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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