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Fünf Wochen nach dem Sieger : Beim Vendée Globe sind jetzt auch die Letzten im Ziel

Am Freitag endet das neunte Vendée Globe. An der Spitze war die Regatta umkämpft wie nie. Weiter hinten ging es um ganz andere Werte.

Fünf Wochen nach dem Sieger : Beim Vendée Globe sind jetzt auch die Letzten im Ziel

Die Aktion von Sam Davies war gut orchestriert. Als die Britin bei Tagesanbruch Les Sables d’Olonne erreichte, waren die Kaimauern…Foto: AFP

Für den Abschluss hat sich Sam Davies etwas Besonderes ausgedacht. Wenige Meilen vor dem Ziel biegt die britische Soloseglerin plötzlich von der Kurslinie ab, die sie direkt nach Les Sables d’Olonne und zum Endpunkt ihrer Weltreise führen würde. Nur wenige Menschen registrieren das Manöver. Denn einesteils bricht die Nacht über Frankreich herein, und da fällt das verspätete Eintreffen einer einsamen Seglerin nicht weiter auf. Andererseits ist das, was sich als große Geste entpuppen wird, am 25. Februar zuerst nur auf dem Tracker zu erkennen – als eine geschwungene rote Schleife, aus der im Laufe des Abends sich allmählich die Kontur eines Herzens ergibt.

Davies malt mit ihrem Kurs ein riesiges Dankeschön ins Meer. Es ist ihre Art, sich für die Unterstützung erkenntlich zu zeigen, die Ihren Trip erst ermöglichte. Da er an eine Spendenkampagne geknüpft war, um herzkranken Kindern lebensrettende Operationen zu ermöglichen, kann ihre „Initiatives-Coeur“-Kampagne am Ende sogar die Hilfe für 102 Kinder vermelden.

Eines davon trägt eine klobige, orangefarbene Rettungsweste, als Davies es am Bug ihrer Rennyacht auf den Arm nimmt, damit beide die jubelnden Ovationen der Menschen bei der Einfahrt in den Hafen von Les Sables entgegennehmen können.

Jeder, der ankommt, ist ein Sieger, lautet ein Grundsatz des Vendée Globe. Denn eine solche Reise von 27 000 Meilen zu beenden, ist für jeden, der sie auf sich nimmt, eine herkulische Aufgabe. Auch für den Finnen Ari Huusela, der am Donnerstag als Letzter eintraf nach 116 Tagen allein auf See. Obwohl es dem 58 Jahre alten Flugkapitän nicht auf Geschwindigkeit ankam, ist er der zweitschnellste Letzte, den es bei dieser Nonstopp-Umrundung der Erde bisher gab.

Sein Name wird vermutlich bald ebenso vergessen sein wie der all seiner Vorgänger, die bis zu 163 Tage (Jean-Francois Coste, 1990) und 158 Tage (Pasqual de Gregorio, 2001) benötigten und es bei dem einmaligen Versuch bewenden ließen. Es war ihr Lebensabenteuer, einen Beruf wollten sie nicht daraus machen. Jedenfalls schaffte es keiner von denen, die Letzter wurden, je wieder ins Ziel. Die allermeisten traten gar nicht wieder an.

Man darf es nicht als Fluch betrachten, dem Feld hinterhersegeln zu müssen

Außer Sébastien Destremau. Der vollendete die Tour du monde vor vier Jahren mit großem Rückstand, tröstete sein ständig wachsendes Publikum allerdings mit amüsanten Einblicken in sein schwimmendes Wrack, das er mit endlosen Tricks unerschütterlich vor dem Auseinanderfallen bewahrte. Jeden Tag meldete er sich mit derselben Begrüßung: „Willkommen im Büro.“

Als er nun abermals unterfinanziert und mit einem kaum konkurrenzfähigen Fahrzeug an den Start ging, hätte sich die Geschichte nur wiederholen können. In dem verzweifelten Bemühen, dennoch irgendwie originell zu erscheinen, baute er sich ein Öko-Verdeck aus Pappmaché, das sich bei dem stürmischen Wetter der ersten Tage sofort in seine Bestandteile auflöste. Die Probleme wurden danach nicht geringer. Als die elektronische Steuerung kollabierte, gab er auf und lief Neuseeland an.

Man darf es nicht als Fluch betrachten, dem Feld hinterhersegeln zu müssen. Für einige Nachzügler wie Jérémie Beyou, die als Favoriten gestartet waren, stellte sich die Rolle der abgeschlagenen Verfolger als Glücksfall heraus. So fehlte dem meist verbissen wirkenden 44-Jährigen nach etlichen Triumphen – zuletzt beim Volvo Ocean Race 2018, das er mit dem „Dongfeng“-Team gewann – eigentlich nur noch ein Vendée-Globe-Sieg, um seine seglerische Vita zu vollenden.

Fünf Wochen nach dem Sieger : Beim Vendée Globe sind jetzt auch die Letzten im Ziel

Isabelle Joschke hat es auch noch ins Ziel geschafft.Foto: AFP

Als er nach einem Schaden umkehren musste und mit neuntägiger Verspätung das Rennen wieder aufnahm, tat er das nicht gut gelaunt und zuversichtlich, sondern als einer, der sich einer Chance beraubt sah. „Es war nicht das Rennen, das ich erwartet hatte, das kann ich nicht leugnen“, sagt Beyou rückblickend. „Anfangs fiel es mir schwer, mich zu motivieren.“ Sein Sponsor Charal hatte ihn wohl auch gedrängt, seinen Versprechen nachzukommen. Immerhin hatte man ihm eines der besten und teuersten Boote der Flotte finanziert.

Doch mit der Zeit trat eine Wandlung ein. „Ich entdeckte eine Seite an mir, die entweder nicht existiert oder die ich tief in mir unterdrückt hatte.“ Da er zuvor immer hatte gewinnen wollen, so Beyou weiter, hatte er nie Freude beim Segeln empfunden. Nun entdeckte er, dass sowohl an die Belastungsgrenze zu gehen als auch Spaß zu haben, einander nicht ausschlossen. „Ich habe es geschafft, meine Versagensängste in dem Moment zu überwinden, in dem sie für mich am unerträglichsten waren. Das ist ein großer Sieg über mein altes Selbst.

Tatsächlich eröffnet das Abenteuerrennen eine menschliche Dimension, bei der die Platzierung am Ende nicht wichtig ist. Mag Beyous 13. Platz eine Delle in seiner Karriere darstellen, sein Durchhaltevermögen hat ihn auf eine andere Stufe gehoben. Er hatte erstmals eine berührende Geschichte zu erzählen. Und so geht es vielen Spätankommenden.

Sam Davies setzte das Rennen außer Konkurrenz fort

Auch Sam Davies hatte ihren Traum zerplatzen sehen, als ihre Kielstruktur nach einer Kollision Schaden erlitt. Sie ließ die Risse an der Kielaufhängung in Kapstadt reparieren so gut es ging. Dann machte sie sich auf den Weg, das Rennen außer Konkurrenz fortzusetzen. Blieb ihr eine Wahl?

Die Britin, die seit Jahren in Frankreich lebt und einen Sohn mit ihrem Lebensgefährten und Vendée-Globe-Teilnehmer Romain Attanasio hat, wäre sicher auch zuhause willkommen gewesen. Sie hatte ihren sportlichen Erfolg jedoch an das Überleben herzkranker Kinder geheftet. Solange sie unterwegs sein würde, profitierten auch diese Kinder wie bei einem Spendenlauf von der Unterstützung, die sie erhielt. Jede Meile zählte.

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Auch wenn nun die Anstrengung und Müdigkeit, die es bedeutet, eine Rennyacht von 18 Metern über die Weltmeere zu steuern, nicht mehr durch den Konkurrenzkampf erträglicher gemacht wurde. „Ohne Adrenalin ist es schwerer, nachts um drei für einen Segelwechsel aufzustehen“, sagt Davies hinterher. „Ich brauchte eine Weile, um herauszufinden, wie es sein würde, aber dann hatte ich einen Durchbruch.“

In Les Sables d’Olonne waren die Kaimauern gesäumt von Tausenden ihretwegen. Dabei hatte sie nichts weiter getan bei ihrer dritten Vendée-Globe-Teilnahme, als einen Kreis zu schließen. „Es ist immer großartig, einen Kreis zu schließen“, hatte Beyou gesagt. Schon einen Tag zuvor war der Empfang für die ebenfalls ausgeschiedene Deutsch-Französin Isabelle Joschke nicht weniger euphorisch ausgefallen als für die Führenden, die Ende Januar eingetroffen waren, unter ihnen der deutsche Segler Boris Herrmann, der Fünfter wurde.

Fünf Wochen nach dem Sieger : Beim Vendée Globe sind jetzt auch die Letzten im Ziel

Sam Davies wurde von vielen Fans begeistert empfangen.Foto: AFP

Sicher, Sam Davies’ Aktion war gut orchestriert. Der herzförmige Extrakurs überbrückte die Zeit bis Tagesanbruch, wenn die Stadt erwachen und zum Kanal strömen würde, wie sie das für jeden Ankömmling tut. Auch ging die Geste nicht auf sie zurück, sondern auf ihren Vorgänger bei „Initiatives-Coeur“, Tanguy de Lamotte, der die Spendenkampagne gegründet und beim Vendée Globe 2017 selbst ein Herz ins Meer gesegelt hatte.

Dennoch steht es für die überwundenen Qualen. Und derer gab es einige zu überstehen für Alexia Barrier, die sich schwer am Rücken verletzte, für Pip Hare, die wochenlang von einer allergischen Reaktion gepeinigt wurde, oder für all die anderen, die ihren Booten immer weniger zumuten konnten, je näher sie dem Ziel und den Winterstürmen der nördlichen Hemisphäre kamen.

Nie zuvor war die Altersspanne der Boote mit 22 Jahren so groß wie diesmal. Die „Stark“ von Ari Huusela, Baujahr 2007, hat den Belastungen ebenso standgehalten wie die zwölf anderen Boote dieser Generation. Huusela mied allerdings die stürmischeren Regionen des Südens, genoss jeden Tag einen Espresso und machte ein Bild von sich. 113 Ansichten eines glücklichen Finnen mit Vollbart.

Als das Rennen am 80. Tag seinen Sieger kürte, da hatte Huusela die Falkland Inseln gerade hinter sich gelassen. Während der Rest der Nachzügler sich auf der Schlussetappe befand, hing er über Tage in einer klebrigen Flaute fest. „Für mich“, sagte er einmal, „könnte es ewig so weitergehen.“ Aber dann gingen ihm die Desserts aus.

Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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