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Führung in der Corona-Krise : Mut steht nicht im Protokoll

In der Merkelwelt gilt, was im Protokoll steht. Aber das Mitschreiben macht langsam und träge. Die Kolumne Spiegelstrich.

Führung in der Corona-Krise : Mut steht nicht im Protokoll

Angela Merkel und Olaf Scholz. Und wenn hier grade etwas Mutiges beschlossen würde – wer schreibt’s ins Protokoll?Foto: Kay Nietfeld, dpa

Klaus Brinkbäumer ist Programmdirektor des Mitteldeutschen Rundfunks in Leipzig. Sie erreichen ihn unter Klaus.Brinkbaeumer@extern.tagesspiegel.de, auf Twitter unter @Brinkbaeumer.

– Die Frage „Ist das eine alte Hand?“ kannte ich vor der Krise nicht. Gemeint: ob eine virtuelle Hand nach dem Redebeitrag noch oder schon wieder erhoben ist. Das Adjektiv „coronös“ setzt sich gemächlich durch; weil das Zersetzende mitklingt? Erstmals lese ich „Nasenpimmel“, was ich begrenzt schlüssig finde: wenn die Nase unbedeckt ist.

– Mitten in der Pandemie nach Leipzig zu ziehen, bedeutete erste Wochen im Hotel, ohne auch nur eine Begegnung mit einem Menschen (abgesehen vom Check-in).

Die Kneipen und Cafés der gerühmten „KarLi“ (Karl-Liebknecht- Straße) sehen verrammelt so aus, als könne das Leipziger Leben einst glamourös gewesen sein oder dereinst werden. Vergangenheit und Zukunft sind die Zeiten der Pandemie, starr steht die Gegenwart. Lebenszeit verrinnt trotzdem.

– Eine Schwäche der Merkelwelt liegt in der Protokollführung. Da sitzt die Runde der Kanzlerin digitalisiert zusammen, man redet geordnet, aber nicht immer: Oft ruft’s und schimpft’s von irgendwoher. Als gesagt und beschlossen gilt nur, was im Protokoll landet, doch nicht alles Wichtige landet dort. Manchmal werden Dinge, die im Gespräch noch leuchteten, im Ergebnisprotokoll zur Banalität: Gerade noch originelle Sätze stehen auf einmal verfloskelt da, nun zu Recht ignoriert.

Führung in der Corona-Krise : Mut steht nicht im Protokoll

Tagesspiegel-Kolumnist Klaus Brinkbäumer.Foto: Tobias Everke

– Zudem: Die meisten Teilnehmer haben ihre Telefone neben sich liegen, und nicht wenige berichten live an die Außenwelt; manche verdrehen das soeben Gehörte und erklären Ungesagtes zu Gesagtem. Was nach außen dringt, gilt gleichfalls als beschlossen, das sei die Macht der Parallelprotokolle, so sagt es ein Ministerpräsident.

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– Zudem: Protokollführung gilt als seriös, da sie sortiert. Sie bürokratisiert auch, sie verlangsamt. In einer Krise wie dieser bräuchte es ungekannte Entscheidungen, schnelle, folglich Mut und davon reichlich.

Dafür zu sorgen, dass Konkurrenten von Biontech sofort und überall hülfen, den Biontech-Impfstoff zu produzieren, das passt nicht zu Merkel, Scholz, Spahn und dem Protokollwesen. Patente freizugeben, damit die gesamte Welt geimpft werden könne, das wäre auch so eine Entscheidung: gegen die Regeln der Marktwirtschaft und juristisch heikel, damit teuer. Was hat nach einem coronösen Jahr Priorität?

Das Ziel der Digitalisierung war eigentlich mehr Freiheit

– Jens Spahn will Geimpften „Freiheitsrechte zurückgeben“, was schenkend, aristokratisch, begnadigend klingt.

– Und wie leben und arbeiten wir, wenn wir nun alles zu Hause tun? Permanent erreichbar zu sein, via Slack und Zoom und Mail und WhatsApp, erschöpft die Menschheit, obwohl einst das Gegenteil bezweckt war: Mehr Effektivität, darum mehr Freiheit und mehr Freude, das war das Ziel der Digitalisierung.

Der Informatiker Cal Newport schreibt in „A World Without Email“, dass unsere Gesellschaften die Möglichkeiten gegenwärtiger Technologie kein bisschen verstanden hätten: „deep work“, schnell, kondensiert, konzentriert, sei möglich und wäre sinnstiftend, wir jedoch machten uns fertig durch niemals endende Ablenkung.

Und noch mehr Betrug in Trumps Wahlkampf

– Der Stuttgarter Oberbürgermeister schützt das Recht jener Zehntausend, die, gröhlend und Journalisten attackierend, die Pandemie verlängern; dieses Recht ist ihm mehr wert als das Recht der Alten und ihrer Kinder und Enkel, die einander seit einem Jahr nicht nahe sein dürfen.

– Neues von Trump: Im Wahlkampf von 2020 hat der ehemalige Präsident jene Menschen betrogen, die glaubten, er kämpfe für sie. Der 87-jährige Rentner Ron Wilson aus Illinois spendete 200 Dollar. Auf Trumps Webseite waren unauffindbar Einverständniserklärungen versteckt und natürlich automatisiert angekreuzt, was Trump wöchentliche, dann tägliche Abbuchungen ermöglichte. 1,2 Milliarden Dollar kamen dadurch zusammen, 2300 von Ron Wilson.

Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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