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Freilassung Gilad Schalits : Der Mensch als Wert und Ware

Fünf Jahre lang hielt ihn die Hamas in Geiselhaft. Nun wird der israelische Soldat Gilad Schalit gegen mehr als tausend inhaftierte Palästinenser eingetauscht. Denn in Israel gilt: Wir sind das Volk, und wir sind ein Volk.

Freilassung Gilad Schalits : Der Mensch als Wert und Ware

Eine Palästinenserin läuft im Gazastreifen an einem Wandbild des gefangenen israelischen Soldaten Gilad Schalit vorbei.Foto: dpa

Warum tauscht Israel einen Soldaten gegen mehr als tausend palästinensische Terroristen? Nein, nicht Terroristen, protestieren manche Leser, Freiheitskämpfer seien jene Palästinenser. Die Begriffswahl betrifft die Bewertung des zweiseitigen Konfliktes zwischen Israel und den Palästinensern, sie beantwortet aber nicht die Warum-Frage, die sich allein auf eine Seite bezieht, nämlich aufs Kalkül der israelischen Regierung. Aus deren Sicht sowie in den Augen der meisten Israelis sind jene Palästinenser, von denen viele viel Blut an den Händen haben, eindeutig Terroristen, Womit wir wieder bei der Frage wären, nicht der Antwort.

Ich habe in den vergangenen Tagen viele Erklärungen gehört und gelesen. Die meisten argumentieren taktisch und politisch. Etwa so: Benjamin Netanjahu wolle die israelischen Massen von ihren Sozialprotesten ablenken und die Aufmerksamkeit seiner Bürger umlenken, von der Sozial- zur Sicherheitspolitik. Der Erfolg des Gefangenenaustausches biete ihm eine goldene Gelegenheit. Ich frage: Ist es für Israels Sicherheit ein Erfolg, wenn tausend Terroristen freikommen, die möglicherweise bald Gewalt gegen Israelis anwenden? Auch das wird behauptet: Netanjahu & Co. wollten die Hamas in Gaza stärken, um somit Mahmoud Abbas im Westjordanland zu schwächen. Ich frage: Welchen Sinn hat die Schwächung eines ungefährlich Schwachen zugunsten eines gefährlich Starken? Absurd.

Diese und ähnliche Erklärungen verfehlen das Grundsätzliche. Sie reflektieren nicht das Wesen israelischer Politik und des über alle Parteigrenzen und jüdisch religiösen Trennungslinien hinausgehenden israelischen Selbstverständnisses. Man muss Israel verstehen, um zutreffend erklären zu können, weshalb ein „Bürger in Uniform“ gegen tausend Terroristen ausgetauscht wird.

Anders als zum Beispiel die deutsche Gesellschaft versteht sich die israelische zugleich auch als Gemeinschaft, als Solidargemeinschaft – trotz fundamentaler Gegensätze in fast allen Politik- und Lebensbereichen. Die fundamentalen Gegensätze wurden und werden nie vertuscht, sie sind an Heftigkeit, Giftigkeit und Perfidie kaum zu übertreffen. Dennoch besteht das Gefühl: „Wir sind das Volk, und wir sind ein Volk.“

Das jüdische Volk Israels ist durch die Allgemeinheit der Allgemeinen Wehrpflicht zugleich ein Volk in Waffen. Alle wehrfähigen jüdischen Bürger Israels tragen irgendwann einmal, länger oder kürzer, Uniform. Daraus folgt: Jeder Bürger – ob mit oder ohne Uniform, Offizier oder Mannschaftsgrad, hochspezialisierter Pilot oder einfacher Fußsoldat – weiß, dass es heute Gilad Schalit und dessen Familie trifft und morgen möglicherweise ihn oder sie und ihre Familien. Daraus folgt wiederum: Wenn ich mich für Schalit und seine Familie einsetze, setze ich mich für meine Familie und mich selbst ein. Letztlich sind wir als jüdische Staatsbürger Israels eine große Familie.

Weiter auf Seite 2: Ohne Druck und Volksbewegung bewegt sich auch in Israel nichts.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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