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Festnahmen und Kündigung der Frauenrechts-Konvention : Erdogan setzt auf Autokratie

Der türkische Präsident Erdogan lässt Gegner festnehmen und kündigt Frauenrechts-Konvention auf – um seine Neuwahl-Chancen zu erhöhen.

Festnahmen und Kündigung der Frauenrechts-Konvention : Erdogan setzt auf Autokratie

Am Samstag demonstrierten auch in Istanbul zahlreiche Menschen gegen den Austritt der Türkei aus der Frauenrechts-Konvention.Foto: Emrah Gurel/AP/dpa

Für die Opposition in der Türkei kommen die Hiobsbotschaften Schlag auf Schlag. Am frühen Sonntagmorgen nahm die Polizei im Parlamentsgebäude von Ankara einen prominenten Kritiker von Präsident Recep Tayyip Erdogan fest. Der Menschenrechtler Ömer Faruk Gergerlioglu wurde im Schlafanzug abgeführt und durfte nicht einmal seine Schuhe anziehen. Am Vortag hatte Erdogan den Ausstieg der Türkei aus dem Frauenrechts-Abkommen des Europarates verkündet – und kurz zuvor hatte er das Verbot der Kurdenpartei HDP eingeleitet. Der Präsident plant nach Einschätzung von Beobachtern vorgezogene Neuwahlen.

Regulär stehen die nächsten Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in der Türkei erst in zwei Jahren an. Angesichts schlechter Umfragewerte für seine Partei AKP und ihre nationalistische Bündnispartnerin MHP könnte Erdogan laut Beobachtern jedoch die Flucht nach vorne antreten, um die Opposition mit vorgezogenen Wahlen auf dem falschen Fuß zu erwischen. Ein Verbot der HDP, der drittstärksten politischen Kraft im Land, würde die Opposition vor den Wahlen schwächen. Und Erdogan will sich bei einem AKP-Parteitag am Mittwoch in Ankara als Parteichef wiederwählen lassen und die AKP auf die nächste Wahl ausrichten.

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Dem Abgeordneten Gergerlioglu, einem der profiliertesten Menschenrechtspolitiker der Türkei, hatte das AKP-geführte Parlamentspräsidium wegen eines umstrittenen Gerichtsurteils sein Parlamentsmandat aberkannt. Aus Protest gegen den Beschluss harrte er seit der vergangenen Woche im Parlamentsgebäude aus. Bilder von seiner Festnahme am Sonntag zeigten, wie Gergerlioglu von Polizisten aus einer Toilette geholt wurde, wo er sich vor dem muslimischen Morgengebet waschen wollte. Nach seiner Freilassung am Nachmittag berichtete er, er sei von den Polizisten geschlagen worden.

Mit dem Vorgehen gegen Gergerlioglu und die HDP kommt die Regierung einer Forderung der Nationalisten nach, auf deren Unterstützung sie angewiesen ist. Mit dem Austritt aus der so genannten Istanbul-Konvention zum Schutz von Frauenrechten bedient Erdogan islamistische Kreise, die das Abkommen als westliches Instrument zur Unterwanderung der Familie ablehnen.

Erdogan entzog den Gezi-Park der oppositionsgeführten Istanbuler Stadtverwaltung

Erdogan hatte das Abkommen im Jahr 2011 als damaliger Ministerpräsident selbst unterschrieben und noch vor zwei Wochen die Ziele der Konvention verteidigt. Tausende Frauen gingen in mehreren Städten gegen Erdogans Entscheidung auf die Straße. Dagegen feierten Islamisten die Aufkündigung des Vertrags als Sieg.

In einem weiteren Schritt zur Schwächung der Opposition entzog der 67-Jährige den Gezi-Park in Istanbul der Stadtverwaltung und überschrieb ihm der Zentralgewalt. Regierungsgegner vermuten, Erdogan wolle damit verhindern, dass die oppositionsgeführte Istanbuler Stadtverwaltung mit einer Erweiterung des Parks an Popularität gewinnt. Pläne Erdogans zum Bau eines Einkaufszentrums in dem Park hatten 2013 landesweite Proteste ausgelöst.

Erdogan habe die Mehrheit verloren und setze darauf, „die Mehrheit zu unterdrücken“, um an der Macht zu bleiben, kommentiert Soner Cagaptay vom Washington-Institut für Nahost-Politik. Das erkläre das Abdriften der Türkei in die Autokratie, schreibt Cagaptay auf Twitter. Derzeit kommen AKP und MHP laut Umfragen zusammen nur auf 42 Prozent.

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Auch Erdogans überraschende Entlassung von Zentralbankchef Naci Agbal nach nur vier Monaten im Amt folgte laut Beobachtern wahltaktischen Überlegungen. Agbal hatte am Donnerstag die Leitzinsen erhöht, um die Inflation zu bekämpfen – zwei Tage später wurde er vom Präsidenten gefeuert. Erdogan dringt auf niedrige Zinsen, weil er die krisengeplagte Wirtschaft mit billigen Krediten versorgen will. Der Präsident wolle eine willfährige Zentralbank, die ihm teure Wahlgeschenke ermögliche, schrieb der Politologe Karabekir Akkoyunlu auf Twitter. „Es sieht so aus, als bereite Erdogan vorgezogene Neuwahlen vor.“

US-Präsident Joe Biden nannte Erdogans Rückzug aus dem Frauenrechts-Abkommen „tief enttäuschend“. Spitzenvertreter des Europarats – darunter Bundesaußenminister Heiko Maas als derzeitiger Vorsitzender des Ministerkomitees – erklärten, Erdogans Entscheidung entziehe „der Türkei und den türkischen Frauen ein wichtiges Instrument im Kampf gegen Gewalt“. Von europäischen Strafmaßnahmen ist kurz vor einem EU-Gipfel zur Türkei am Donnerstag aber keine Rede. Von der Leyen stellte Erdogan wenige Tage nach Einleitung des HDP-Verbotsprozesses sogar ihren Besuch in Aussicht.

Der im Exil lebende türkische Journalist Cengiz Candar kritisierte die EU-Haltung und verglich sie mit der Beschwichtigungspolitik Großbritanniens und Frankreichs gegenüber Hitler-Deutschland.

Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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