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Europas Green Deal droht zu scheitern : Die Kommissare sind machtlos gegen die nationalen Lobbyisten

Die Einschätzung von Erdgas als “nachhaltig” ist gute PR-Arbeit, aber Unsinn. Wie es nun mit dem Green Deal weitergehen muss. Ein Kommentar.

Europas Green Deal droht zu scheitern : Die Kommissare sind machtlos gegen die nationalen Lobbyisten

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der LeyenFoto: John Thys / Reuters

Als Ursula von der Leyen, Präsidentin der EU-Kommission, im Dezember 2019 den „Green Deal” für Europa ankündigte, wagte sie kühne Vergleiche. Mit einer ganzen Serie von neuen Gesetzen gelte es, „unsere Wirtschaft mit dem Planeten zu versöhnen”, versprach sie. Darum sei das Programm der „Beginn einer Reise” und zugleich Europas „man-on-the-moon moment”, vergleichbar also dem gewaltigen Unternehmen, mit dem die Amerikaner einst ihre Astronauten auf den Mond brachten.

Das klang gut und verhieß Hoffnung im Kampf gegen die drohende Heißzeit. Doch gut ein Jahr später zeichnet sich ab, dass Europas Klimaschutzrakete es nicht mal bis zur Startrampe schafft und nun zum Klima-Gipfel mit US-Präsident Biden mit leeren Händen dasteht. Denn die Regierenden in den EU-Hauptstädten verweigern sich dem Geist der großen gemeinsamen Anstrengung, den von der Leyen heraufbeschwören wollte. Stattdessen ergehen sie sich in der Verteidigung der fossilen Industrien im vermeintlich nationalen Interesse und stellen so die Schwäche dieser EU-Kommission bloß.

Jüngstes Beispiel ist der Machtkampf um die „Taxonomie“-Verordnung. Diese soll auflisten, welche Arten von Produktion nachweislich klimaverträglich sind. Ein damit erstelltes zuverlässiges Label für „grüne“ Investments würde hunderte Milliarden Euro in die richtigen Unternehmen lenken, und der Kapitalmarkt würde zu einem machtvollen Hebel für den Klimaschutz. Dafür berief die Kommission eigens eine Expertengruppe, die eine wissenschaftlich begründete Liste vorlegte. Die Nutzung fossiler Brennstoffe war darin selbstverständlich nicht genannt, und die Kommission folgte zunächst diesem Rat.

Auch an den anderen Fronten der Klimaschlacht steht es schlecht

Aber dann setzte die Gas-Industrie unter Führung der Staatskonzerne Equinor (Norwegen) und Gazprom (Russland) ihre ganze Lobbymacht ein, um die Mär vom Erdgas als „Brückentechnologie“ zu retten. Diese ist eigentlich längst widerlegt. Die Förderung des Brennstoffs setzt so viel des starken Treibhausgases Methan frei, dass Gaskraft ähnlich klimaschädlich wirkt wie Strom aus Kohle. Aber gleich neun EU-Regierungen von Polen bis Griechenland scheuen die Umstellung auf saubere Stromquellen und bestehen darauf, die Umrüstung ihrer Stromwirtschaft von Kohle auf Gas sei „nachhaltig“, egal was die Wissenschaft sagt. Aus Furcht vor einer Niederlage im Rat der nationalen Regierungen ließ von der Leyen daraufhin ihre Beamten einen windelweichen Kompromissvorschlag schreiben, der den besseren Gasmeilern doch noch den grünen Mantel verschaffen würde. Das stieß wiederum auf massiven Protest der von der Kommission selbst berufenen Fachleute. Mit der Einstufung von Gaskraft als „grün“ würde das ganze Vorhaben unglaubwürdig. Darum mussten die Kommissare das Projekt jetzt erst mal vertagen.

Ähnlich schlecht steht es an den anderen Fronten der Klimaschlacht. Mit rund 140 Milliarden Euro pro Jahr fördern die EU-Staaten bis heute den Verbrauch von fossilen Brennstoffen – eine Fehlsteuerung, die unmittelbar die EU-Klimaziele konterkariert, wie Klima-Kommissar Frans Timmermans beklagt. Doch die nationalen Verteidiger des Status Quo halten eisern daran fest, auch die deutschen. Nicht mal die jährlich 11,5 Milliarden Euro teuren Vergünstigungen für schmutzige Dieselautos mochte das Merkel-Kabinett kürzen. Auch die 60 Milliarden Euro schweren Agrarsubventionen sollen – anders als von der EU-Kommission gefordert – weiterhin zum größten Teil die klimaschädliche industrielle Landwirtschaft fördern.

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So offenbart das wichtigste Projekt der Kommission von der Leyen auch deren größte Schwäche: Gegen die nationalen Regierungen sind die Kommissare und ihre Präsidentin machtlos. Als Spitzenbeamte sind sie nur ernannt, nicht gewählt. Auf den Willen der Bürger können sie sich nicht berufen. Soll der Klimaschutz gelingen, braucht es aber zwingend europäische Führung gegen die nationale Kleinstaaterei. Wenn Europas Granden demnächst bei der lange versprochenen Zukunftskonferenz über die künftige Regierungsform der EU verhandeln, gehört das ganz oben auf die Tagesordnung. Scheitert der Green Deal, dann scheitert auch das Projekt Europa.

Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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