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Essay : Wie die Politik uns zu besseren Menschen machen will

Der Mensch tickt nicht nur rational. Die Politik nutzt das aus, indem sie an unser Gewissen und an unsere Instinkte appelliert. Das soll der Gesellschaft nutzen – doch der Einzelne weiß davon nur wenig.

Essay : Wie die Politik uns zu besseren Menschen machen will

Mit Abschreckung soll die Zahl der Raucher verringert werden.Foto: dpa

Ist Ihre Liste mit guten Vorsätzen für 2013 schon fertig? Hier noch ein paar Vorschläge. Wie wäre es mal mit was Solidem, sich einen Organspendeausweis zuzulegen zum Beispiel? Oder: Endlich einen Riester-Vertrag abschließen. Die Klassiker gehen natürlich immer: Mehr Sport. Weniger Fett und Süßes. Aufhören mit dem Rauchen. Ambitionierte nehmen gleich das ganze Menü: Ein besserer Mensch werden. Doch ganz egal, welche Vorsätze es auf die Liste schaffen, die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass sie Ende 2013 weitgehend unbearbeitet sind.

Das liegt daran, dass der Mensch ein kurzsichtiges Wesen ist. Menschen ziehen die Belohnung jetzt der Belohnung morgen vor, egal, wie ungleich kleiner die Sofortbereicherung ist. Deswegen essen wir zu viel Schokolade und sparen nicht für das Alter. Das über die Zeit angenaschte Übergewicht und die drohende Altersarmut können die meisten dank ihrer hervorragenden Verdrängungskünste ausblenden.

„Akrasia“, Willensschwäche, nannte Aristoteles das, ein Charakterfehler, der nicht nur dem Einzelnen, sondern auch der Gemeinschaft erhebliche Kosten verursacht. Zu viel Schokolade heute, teure Reha-Aufenthalte morgen. Zu wenig gespart fürs Alter, ein Rentenzuschuss morgen. Akrasia ist ein volkswirtschaftliches und damit ein politisches Problem. Deshalb hat auch die Regierung eine lange Liste guter Vorsätze für 2013 aufgestellt, nicht für sich, sondern im Namen der Bürger.

Wir sollen Energie sparen und mehr Kinder bekommen, weniger fliegen, datensparsam leben und weniger saufen. Kurz: Wir sollen bessere Menschen und damit bessere Bürger werden. Dieses staatliche Bürgerverbesserungsprogramm ist doppelt problematisch. Weil es nicht funktioniert. Und weil der Staat dafür tief in die Privatsphäre seiner Bürger hineinregieren muss.

Ein gutes Beispiel für beide Probleme ist die Familienpolitik. Nicht wenige Deutsche empfinden die ständige öffentliche Aufforderung, doch bitte mehr Kinder zu bekommen, als übergriffig. Die Wirkung bleibt sowieso gering, denn die Geburtenrate stagniert.

Dabei kann man wirklich nicht sagen, die Regierung hätte nicht versucht, das zu ändern. Sie wendet Milliardenbeträge auf, um Frauen und Familien zu bestechen. Vergeblich. Möglicherweise ist einfach das Modell vom Menschen, an dem sich diese Politik der materiellen Anreize orientiert, falsch. Der Homo oeconomicus, der Mensch, der rational denkt und stets seinen eigenen Nutzen sucht, hat zwar als Idee nichts von seiner Bedeutung verloren, ist aber von den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften einer „Realitätskur“ unterzogen worden.

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  • Wie die Politik uns zu besseren Menschen machen will
  • Arbeitnehmer lassen sich von einem hohen Bruttolohn täuschen.
  • Barack Obama begeisterte sich für die Verhaltensökonomie.
  • Der Mensch ist faul und ängstlich.
  • Ob 2013 wohl auch die Selbstmanipulation funktioniert?

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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