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Erneut Ärger um die Documenta Fifteen : Weitere antisemitische Bilder aufgetaucht

Ein Bürger entdeckte weitere antisemitische Karikaturen im Fridericianum und meldete sie der Informationsstelle für Antisemitismus. Die kommt zu einem eindeutigen Ergebnis.

Erneut Ärger um die Documenta Fifteen : Weitere antisemitische Bilder aufgetaucht

Broschüre mit antisemitischen Darstellungen von 1988. So ist sie bei der Documenta ausgelegt.Foto: dpa

Auf der Documenta sind neue Bilder mit judenfeindlichen Inhalten aufgetaucht. Das berichteten am Mittwoch zunächst die „Jüdische Allgemeine„ und „Bild“. Es handelt sich um Broschüren mit Karikaturen, die das algerische Frauen-Kollektiv „Archives des Luttes des Femmes en Algerie“ (Archive des Kampfes der Frauen in Algerien) im Fridericianum, einem der Hauptausstellungsorte der Documenta, im Rahmen einer größeren Archivpräsentation ausgelegt hat.

Ein Besucher meldete die Inhalte an die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Hessen (RIAS Hessen). RIAS Hessen wiederum hat Fotos der Broschüren veröffentlicht und die Inhalte einer gründlichen Prüfung unterzogen. „Wir haben ausführlich recherchiert, um die Bilder in einen Kontext zu stellen“, sagt Susanne Urban, Leiterin der RIAS Hessen, dem Tagesspiegel. Die Interpretation der Bilder, die Aufklärung darüber sieht RIAS als seine Aufgabe an, nicht jedoch politisch bei der Documenta-Leitung oder dem Kuratorium zu intervenieren.

Auf den drei Bildausschnitten, die veröffentlich wurden, sieht man unter anderem eine Frau, die einem behelmten und mit einem Davidsstern gekennzeichneten Soldaten ein Knie in den Unterleib rammt. Im Hintergrund sieht man vier Füße, die äußeren mit arabischen Schriftzeichen bemalt, die inneren mit Davidstern. Die Szene soll eine Vergewaltigung darstellen. Ein Kind steht in der Ecke.

Entmenschlichte jüdische Soldaten

Auf einem anderen Bild zieht ein jüdischer Soldat mit Gewehr ein Kind am Ohr während im Hintergrund Hände aus einer Grube herausragen. Es wird insinuiert, dass jüdische Soldaten Kinder umbringen oder mit dem Tod bedrohen. Diese Bilder sind laut RIAS Hessen auch im Kontext alter antisemitischer Stereotype zu sehen.

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Laut einem Bericht der „Jüdischen Allgemeinen“ handelt es sich um eine 34 Jahre alte faksimilierte Broschüre, die das algerische Kollektiv „Presence des Femmes“ 1988 in einem Sonderheft zu Palästina herausbrachte. „Die betreffenden Zeichnungen, so RIAS Hessen, zeigten das Land Palästina, versehen mit Einordnungen, die dem Staat Israel seine Legitimität absprechen. Es seien darin Auszüge aus dem Heft ,Ghassan Kanafanis Kinder’ enthalten. Ghassan Kanafani war Autor und Sprecher der terroristischen „Volksfront zur Befreiung Palästinas“ (PLPF). Er starb 1972 bei einem Anschlag im Libanon. Die Geschichten entstanden laut RIAS zwischen 1962 und 1969, heißt es in der Jüdischen Allgemeinen.

Laut Susanne Urban wurde die Broschüre zunächst aus der Ausstellung entfernt, lag dann aber einige Tage später wieder an ihrem Ort.

Legitimität des Staates Israels wird in Frage gestellt

Nach der Einordnung von RIAS Hessen sind die Bilder klar antisemitisch, sie verlagerten „das Bild von „den Juden“ auf den „jüdischen Staat“. „Auffallend sei, dass die als israelische Soldaten gekennzeichneten Personen vor allem kleinere Jungen und Jugendliche bedrohen. Das Bild des „Kindermörders Israel“ klinge hier sehr deutlich an“, zitiert die Jüdische Allgemeine RIAS.

„Es ist wichtig zu erkennen, dass die Bilder eine Wirkung bei den Betrachtern haben, unsere Aufgabe ist es, Bilder des Antisemitismus zu erklären, sie zu dekonstruieren und aufzuzeigen, welche Macht von ihnen ausgeht.“ RIAS möchte Bilder wie diese in seiner Bildungsarbeit einsetzen.

Susanne Urban bedauert, dass die Bedenken der jüdischen Gemeinschaften von Seiten der Documenta nicht ernst genommen worden sind. Unter anderem hatte der Zentralrat der Juden in Deutschland früh gewarnt. Eine Überprüfung der Inhalte der Documenta durch Fachleute wurde zwar vom Documenta-Aufsichtsrat erst kürzlich erneut beschlossen, hat bis jetzt aber offenbar nicht begonnen.

Archivsammlung zur algerischen Freiheitsbewegung

Laut Documenta-Handbuch zeigt „Archives des Luttes des Femmes en Algerie“ eine „Chronik der Frauenbewegung und der Frauenmobilisierung in Algerien, einschließlich Interviews mit Aktivistinnen“. Gegründet wurde die Frauen-Initiative 2019 von der Anthropologin und Forscherin Awl Haouati mit dem Ziel, schriftliches und fotografisches Material von Aktivistinnen und Frauenvereinigungen für die Diaspora zugänglich zu machen. Im Fridericianum sind, laut Documenta-Handbuch, 60 Reproduktionen unterschiedlichen Materials zur Frauenrechtsbewegung in Algerien ausgestellt. Susanne Urban sagt: „Das zeigt, dass auch gut gemeinte, freiheitliche Bewegungen nicht frei sind von Antisemitismus.“

Das große Unbehagen bei der Documenta entsteht dadurch, dass einem Bilder mit antisemitischem Inhalt quasi untergejubelt werden. Ohne Kommentar, ohne Warnung, jedem bleibt es selbst überlassen, zu interpretieren, die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen. Das überfordert.

Laut dpa äußerte sich die Documenta am Mittwoch zunächst nicht zu den erneuten Vorwürfen. Die Stadt Kassel, deren Oberbürgermeister Christian Geselle (SPD) Aufsichtsratsvorsitzender der documenta ist, verwies auf die Geschäftsführung der Schau.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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