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Eigentum verpflichtet : Was Stiftungsfirmen anders machen

Rund 200 Unternehmen in Deutschland behalten ihre Gewinne komplett ein statt sie auszuschütten. Eine neue Stiftung will diese Form des Wirtschaftens fördern.

Eigentum verpflichtet : Was Stiftungsfirmen anders machen

Sitz der Bosch-Stiftung ist das ehemalige Wohnhaus des Fabrikanten Robert Bosch.Foto: imago

Der Inhaber eines mittelständischen Holzbetriebs im Sauerland steht vor einem Problem. Er hat acht Geschwister, die Enkelgeneration umfasst bereits 21 Kinder. Und vielleicht werden es ja noch mehr. Wem also soll er sein Unternehmen vermachen, wenn er sich entschließt abzutreten? Für ihn und zahlreiche andere Firmeninhaber könnte bald eine neue Lösung entstehen: Verantwortungseigentum.

Am heutigen Montag gründet sich in Berlin die Stiftung Verantwortungseigentum. Sie will Unternehmen helfen, die diese Rechtsform anstreben und auf Hürden in der Gesetzgebung aufmerksam machen. „Verantwortungseigentum bedeutet, dass die Gewinne vornehmlich reinvestiert werden und das Vermögen an das Unternehmen gebunden bleibt“, erklärt Till Wagner, Leiter der neuen Stiftung. Das heißt, nicht mehr dem Eigentümer oder Investoren gehört das erwirtschaftete Vermögen; stattdessen arbeiten die Angestellten für den festgeschriebenen Zweck des Unternehmens und seine Entwicklung. „Das Vermögen gehört den Verantwortungseigentümern nur treuhänderisch“, erklärt Wagner weiter. Viel mehr ist es an festgesetzte Werte geknüpft. „Es ist also von der genetischen Familie unabhängig.“

Mag sie auch sperrig klingen, so ist die Wortneuschöpfung des Verantwortungseigentums aus Sicht von Wagner nötig. Schließlich gibt es Stiftungsunternehmen ja bereits, die aber gleichzeitig in Familienhand sein können und daher durchaus in die Tasche der Eigentümer wirtschaften. Und Stiftungsunternehmen, die gemeinnützig sind, klagen häufig über das unflexible Stiftungsrecht, das mit der schnelllebigen Wirtschaftswelt nicht vereinbar sei.

Eigentum verpflichtet : Was Stiftungsfirmen anders machen

„Vermögen ist von der genetischen Familie unabhängig“ , sagt Stiftungsleiter Till Wagner.Foto: promo

Ganz neu ist Verantwortungseigentum in Deutschland allerdings nicht. Rund 200 Unternehmen sind hierzulande in Verantwortungseigentum, die zusammen gut 270 Milliarden Euro umsetzen. Bekanntestes Beispiel ist Bosch. Die Traditionsfirma ist zwar als GmbH organisiert; 91,99 Prozent gehören aber der Robert Bosch Stiftung. Und die wiederum ist nicht der Gewinnmaximierung unterworfen, sondern orientiert sich nach eigener Darstellung an einem humanistischen Menschenbild, das Würde, Wohlergehen und gesellschaftliche Verantwortung des Einzelnen in den Mittelpunkt stellt. Seit 1964 hat die Stiftung mehr als 1,4 Milliarden Euro für gemeinnützige Projekte ausgegeben. Auch Unternehmen wie die Baumarktkette Globus oder die Bio-Kette Alnatura setzen auf Verantwortungseigentum.

Firmen dieser Größenordnung mögen in der Lage sein, derartige Strukturen aufzubauen. Mittelständler sind damit aber oft überfordert, denn einen vorgefertigten Weg sehen die Bundesgesetze nicht vor. „Unseren Erfahrungen nach dauert die Umwandlung in eine Stiftungskonstruktion oft mehrere Jahre und verursacht schnell Kosten von mehreren hunderttausend Euro“, sagt Wagner. „Wir setzen uns daher für eine rechtliche Vereinfachung ein.“

In Dänemark ist diese Unternehmensform recht verbreitet

Auch international gibt es solche Bestrebungen. In Dänemark etwa ist diese Unternehmensform bereits verbreiteter. Armin Steuernagel, der die weltweite Initiative „Purpose“ ins Leben gerufen hat, mit der Verantwortungseigentum gestärkt werden soll, schrieb im „Handelsblatt“: „Nachdem Deutschland vor 127 Jahren Rechtsgeschichte geschrieben und den Exportschlager GmbH erfunden hat, könnte Deutschland heute wieder Rechtsgeschichte schreiben mit einer Unternehmensform für Gründer, die in Verantwortungseigentum gründen wollen.“

Auch in der Politik ist das Thema mittlerweile angekommen. Mit Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hatten Wagner und sein Team bereits zwei Gespräche, er tritt ebenso wie die Parteivorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer bei der Gründungsveranstaltung an diesem Montag in der Kalkscheune auf. Grüne, FDP und Linke haben ebenfalls bereits Sympathie signalisiert. Und auch in der Wissenschaft wird das Konzept mit Interesse verfolgt. „Verantwortungseigentum ist eine spannende Option für Start-ups, vor allem aber Familienunternehmen, die ihre Fortexistenz von der Familiennachfolge unabhängig machen wollen“, erklärt Michael Hüther, Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln, im Gespräch mit dem Tagesspiegel.

Unternehmen würden dadurch langfristig unabhängig „von den Zufällen der Familiennachfolge ebenso wie von den kurzfristigen Irrationalitäten der Kapitalmärkte“. Um das Thema voranzubringen, so kündigt Wagner an, werde seine Stiftung auch Forschungs- und Bildungsprojekte in diesem Bereich fördern.

Doch sorgt es nicht für Streit, wenn ein Unternehmer seinen Kindern das traditionelle Erbe auf diesem Wege vorenthält? „In unserem Umfeld ist das noch nicht vorgekommen“, erklärt Till Wagner, der Leiter der neuen Stiftung. „Aber natürlich muss man mit der nötigen Sensibilität vorgehen.“ Viel häufiger ist allerdings wohl ein andere Konstellation: Laut einer IW-Studie gehen derzeit 16 Prozent der kleinen und mittelständischen Unternehmen davon aus, dass sie schließen müssen, wenn ihr Chef in den Ruhestand geht – es gibt schlicht keine Nachfolger. Das sind bundesweit 600000 Betriebe. Auch dieses Problem will Wagner mit seiner Stiftung lösen.

Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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