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E-Scooter in den Städten : Roller rückwärts

Nach dem Boom beschränken weltweit Städte die Nutzung von E-Scootern wieder. Autofahrten ersetzen sie nur selten.

E-Scooter in den Städten : Roller rückwärts

Zonen für Berlin. Roller sollen bald nicht mehr überall abgestellt werden dürfen.Foto: imago images/Jürgen Ritter

Geht es bei den elektrischen Leih-Tretrollern nun ums Ganze? Immer mehr Städte planen Einschränkungen oder Verbote, um die Flut von Elektrogefährten auf Gehwegen und Straßen in den Griff zu bekommen – und um gegen Unfälle und Vandalismus vorzugehen.

E-Scooter in den Städten : Roller rückwärts

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In Oslo wird man ab September nachts zwischen 23 und 5 Uhr keine Tretroller mehr ausleihen können. Das beschloss der Stadtrat, nachdem Ärzte vorgerechnet hatten, dass sich damit Hunderte Verletzungen während des Sommers vermeiden ließen. Außerdem soll die Zahl der E-Scooter von rund 25.700 auf 8000 verringert werden. Auch in Köln regt sich Unmut gegen die Fahrzeuge. Die Stadt denkt über ein Nachtfahrverbot nach, nachdem in den späten Abend- und Nachtstunden vermehrt schwere Unfälle passierten – viele davon unter Alkoholeinfluss. Schlagzeilen machten auch die mehr als 500 E-Scooter, die von Randalierern auf den Grund des Rheins geworfen worden sein sollen und aus denen nun Chemikalien austreten.

Auch in Paris überlegt man nach mehreren Unfällen, die E-Scooter aus dem öffentlichen Raum zu verbannen. Im Juni war eine Fußgängerin nach einem Zusammenstoß mit einem Rollerfahrer gestorben. Wenn es weiter Probleme mit Geschwindigkeitsübertretungen und falsch abgestellten E-Scootern gebe, „prüfen wir die vollständige Abschaffung der Tretroller“, sagte der stellvertretende Bürgermeister David Belliard. Paris hat die Zahl der Anbieter auf drei beschränkt. Die Betreiber Lime, Dott und Tier haben dort insgesamt rund 15 000 E-Scooter stationiert. In Barcelona und New York gibt es ebenfalls strikte Vorgaben.

Berlin setzt auf erlaubnispflichtige Sondernutzung

Eine weitere Variante, um gegen die Gefährte vorzugehen, ist der Weg einer erlaubnispflichtigen Sondernutzung, wie ihn Berlin plant. Die Hauptstadt will das Straßengesetz so ändern, dass Anbieter eine Erlaubnis oder allgemeine Zulassung für das Aufstellen von stationsunabhängigen Rollern benötigen. Die Gesetzesnovelle befindet sich derzeit in der parlamentarischen Abstimmung des Abgeordnetenhauses. Nach Angaben der Senatsverwaltung soll die Änderung im September 2022 in Kraft treten und ihre volle Wirkung im September 2023 entfalten.

Was bei den Anbietern auf Empörung stößt: Die Verwaltung kann dann Zonen festlegen, in denen die Fahrzeuge nicht mehr abgestellt werden dürfen und außerdem dafür Gebühren erheben. Christoph Egels, Sprecher der Plattform Shared Mobility (PSM), kritisierte die Pläne bei einer Dena-Veranstaltung im Juni und drängte darauf, statt Verboten lieber Ziele zu formulieren. In der PSM sind die Verleiher Bird, Dott, Lime, Miles, Share Now, Spin, Tier, Voi und der Carsharing-Anbieter WeShare organisiert. Zu den aktuellen Diskussionen um Verbote wollte sich Egels auf Tagesspiegel-Anfrage nicht äußern.

Die Deutsche Energieagentur Dena warnt davor, die E-Roller aufgrund von negativen Nachrichten vorschnell zu verbannen. „Die Roller waren in Deutschland gerade mal ein Jahr am Markt, wenn man die Pandemie-Zeit ausklammert“, sagt Norman Wendt, Dena-Teamleiter Mobilität, im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Negative Effekte müssten zwar schnellstmöglich abgestellt werden. Bundesweit einheitliche Lösungen hält er aber für falsch. Die Städte sollten individuell entscheiden, wann der Nutzen und Mehrwert von Sharing für sie erreicht ist, und wann reguliert werden müsse.

Sinnvoll wäre eine Ergänzung des ÖPNV

Das gelte auch für die Frage, ob der Scooter-Verleih stationsbasiert-, als Free-Floating-Modell oder aus einem Mix aus beidem passieren soll. Die diskutierten Verbote verunsicherten die Bürger, was letztlich eine Umstellung ihres Mobilitätsverhaltens verzögere. „Dann frage ich mich beispielsweise, ob ich mit dem Tretroller künftig noch vom S-Bahnhof direkt bis zur Arbeit fahren kann oder ihn stattdessen an einer dezentralen Verleihstation abgeben muss“, so Wendt. Auch die Zahl der Tretroller und Anbieter, und ob der Betrieb an Nachhaltigkeitskriterien geknüpft sein soll, müsse jeweils vor Ort reguliert werden. Eine Dena-Studie empfiehlt dies, um die Treibhausgas-Bilanz deutlich zu verbessern.

Die Daseinsberechtigung der Tretroller wird von Wissenschaftlern daran geknüpft, dass Menschen sie nutzen, um damit Fahrten mit dem Auto zu ersetzen. Aus Sicht von Miriam Dross, Leiterin Fachgebiet nachhaltige Mobilität im Umweltbundesamt, haben die E-Scooter nur dann einen Mehrwert, wenn sie als Ergänzung zum öffentlichen Nahverkehr genutzt werden: zum Beispiel auf der letzten Meile von der Endhaltestelle ins Umland.

Eine Untersuchung des Umweltbundesamtes von 2020 für Berlin ergibt eine große Bandbreite an möglichen Ergebnissen zu Verlagerungspotenzialen. So lasse der reine Umstieg vom Pkw auf ÖPNV und E-Tretroller auf Einsparpotenziale von circa 27 500 Tonnen CO2-Äquivalenten pro Jahr schließen. Hingegen würden durch einen Umstieg von Fußgängern zusätzliche Emissionen von rund 5000 Tonnen jährlich entstehen. Es fehle jedoch an repräsentativen Studien. Ähnlich uneinheitlich seien Umfrageergebnisse aus den USA und Frankreich.

Civey-Umfrage: Wenige Nutzer ersetzen Auto

Auch aus Sicht der Dena ist eine neutrale Bewertung der Verlagerungseffekte bisher kaum möglich, weil es an empirischen Daten fehlt. „Das ist immer noch eine große Unbekannte, weil wir auf die Datenlieferung der Rollerhersteller angewiesen sind“, sagt Norman Wendt. Diese hätten jedoch Bedenken, ihre Daten zu teilen – aus Wettbewerbs- und datenschutzrechtlichen Gründen. Es gebe inzwischen zwar einzelne Sharing-Betreiber, die dies erwägen, man suche aber noch nach einem gemeinsamen Ansatz. „Der Schritt zur Gründung eines Verbandes (PSM) macht uns Hoffnung, hier zukünftig valide Daten zu erhalten“, sagt Wendt.

Eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag von Tagesspiegel Background ergibt, das bisher nur 5,3 Prozent der Befragten schon mal eine Autofahrt mit einem E-Scooter in Kombination mit dem ÖPNV ersetzt haben. Die meisten davon (16 Prozent) stammen aus der Altersgruppe der 30- bis 39-Jährigen, gefolgt von den 18- bis 29-Jährigen (7,3 Prozent). Zudem leben die meisten in Großstädten (13,8 Prozent), während der Anteil auf dem Land knapp drei Prozent nicht überschreitet.

Bei den Zweifeln an dem tatsächlichen Nutzen der Tretroller als echtes Verkehrsmittel werden aus Sicht von Wendt jedoch zwei Themen miteinander vermischt. „Auch Pkw werden für illegale Autorennen genutzt und täglich erfolgen Hunderte Autounfälle durch Fehlverhalten der Nutzer.“ Dennoch verbiete niemand den Pkw. Wendt weist zudem darauf hin, dass auch ein Ausbau der Radinfrastruktur und angepasste Ampelphasen zu einer vermehrten Nutzung von Tretrollern führen werden. „Wenn Leute, die niemals selbst strampeln würden, dann zumindest auf Mikromobilitätslösungen umsteigen, haben wir für das Klima auf jeden Fall schon eine Menge gewonnen – wenn es gut gemacht ist.“

Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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