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Dokureihe zum Fall Peggy Knobloch : Schauer über Lichtenberg

Eine ZDF-Dokureihe rollt einen der komplexesten Entführungsfälle der Republik auf. Dabei wird ein Ort in einem vergessenen Winkel von Bayern markiert.

Dokureihe zum Fall Peggy Knobloch : Schauer über Lichtenberg

Irrungen und Wirrungen. Auch die „Abendzeitung“ Nürnberg verfolgte nach dem 7. Mai 2001 die Suche nach Peggy Knobloch. Das…Foto: ZDF und divers

Es dauert sechs Dreiviertelstunden, bis die Eingangsfrage in die Schlussfrage mündet: Wer hat Peggy Knobloch getötet? Einer der bekanntesten Kriminalfälle in Deutschland ist ein „Cold Case“. Am 7. Mai 2001 verschwindet das neunjährige Mädchen aus dem oberfränkischen Lichtenberg spurlos. Eine große, erst lokale, dann regionale, schließlich deutschlandweite Suche beginnt. Die Polizei kann keine Spur von dem Kind finden.

Der Lichtenberger Gastwirtssohn Ulvi Kulac gerät in den Fokus der Ermittler. Er legt ein Geständnis ab, Peggy Knobloch aber bleibt unauffindbar. Der geistig Behinderte Kulac wird angeklagt und verurteilt. Ist er wirklich der Mörder? Nicht wenige zweifeln daran. Eine Frau, Gudrun Rödel, ist von seiner Unschuld überzeugt.

Zusammen mit dem Anwalt Michael Euler erreicht sie, was nur in drei Prozent der Fälle erreicht wird: ein Wiederaufnahmeverfahren. Ulvi Kulac wird freigesprochen. Eine neue Sonderkommission wird gebildet, Ermittler und Journalisten – Peggys Verschwinden erfährt von Anfang an enge Medienbegleitung – gehen Spuren nach, die auf neue Verdächtige deuten.

2016 geschieht eine Sensation: Peggys Leichnam wird von einem Pilzsammler in einem Waldstück im thüringischen Saale-Orla-Kreis gefunden. Noch eine Sensation schließt sich an. Am Fundort des Skeletts wird eine DNA-Spur des NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt entdeckt. Die Polizei nennt die Spur dann eine „Trugspur“, es bleibt offen, wie Böhnhardts DNA dorthin gelangen konnte.

Anfang 2018 wird Manuel S. verhaftet. Der Mann aus Lichtenberg gesteht, die Leiche zum Fundort gebracht zu haben. Die Ermittler glauben, dass er als „Täter oder Mittäter“ an Peggys Tötung beteiligt gewesen sein könnte. Ende 2018 widerruft Manuel S. sein Teilgeständnis, er wird aus der U-Haft entlassen. Im Oktober 2020 stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren insgesamt ein.

Die ZDF-Produktion „Höllental“, so heißt eine Gegend nahe Lichtenberg, folgt dem bald 20-jährigen Fall so chronologisch wie akribisch (“Höllental“, ZDF, Freitag, 23 Uhr 15; Montag, 0 Uhr 10; 18. Januar, 0 Uhr 20, jeweils zwei Folgen. Ab 8. Januar komplett in der ZDF-Mediathek).

Im True-Crime-Format versammelt Marie Wilke (Buch und Regie) mit großem Rechercheehrgeiz jede Menge an Dokumenten und Fotos, sie holen Polizisten, Journalisten und Betroffene vor die Kamera. Ermittler und Medienleute sind eindeutig in der Überzahl, Familienangehörige, Verwandte, gar Verdächtige geraten nur über Aussagen und Akten ins Blickfeld.

„Die Hoffnung stirbt zuletzt“

Trotzdem entsteht beim Zuschauer nie das Gefühl, er werde von den Machern „geführt“, sprich hier werde ein filmischer Prozess aufgemacht, der auf Teufel komm raus einen Täter benennen möchte. Die Serie zeigt, mit welchem Aufwand die Behörden gesucht haben. Das bayerische Innenministerium machte ordentlich Druck. Gerade bei Ulvi Kulac musste, insbesondere bei seiner Unterstützerin Gudrun Rödel, der Eindruck entstehen, dass die Fahnder ein Geständnis quasi herbeigeführt hatten.

Nicht nur bei der „Trugspur“ zu Uwe Böhnhardt gab es in der engagierten, bald verzweifelten Suche nach dem Täter unvorhersehbare Wendungen, Irrungen und Wirrungen. Es wird klar, wie sehr der Fall die Beteiligten beschäftigt, ja berührt hat. Was Wunder, das Verschwinden, das Urteil, die Wiederaufnahme, die neuen Verdächtigen haben die Ermittler in Hof und Bayreuth, haben die Journalisten von „Frankenpost“, „Süddeutscher Zeitung“, von BR und MDR in Atem gehalten.

Lichtenberg und seine 1200 Einwohner, auch das wird in den Statements von Bürgermeister und Bürgern offenkundig, wird der Fall der ermordeten Peggy Knobloch weiter und weiter beschäftigen. Der Ort, gelegen in einem vergessenen Winkel von Bayern und von überschaubarer Attraktivität, ist markiert, um das böse Wort „stigmatisiert“ zu vermeiden.

Die sechs Teile befördern diesen Eindruck. Mehr als einmal fliegt die Kameradrohne über stumme Wälder, einsame Straßen und das verschattete Lichtenberg. Straßen, Innenräume, sämtliche Originalschauplätze sind entleert von Autos und Menschen.

Die Hyperrealität der Bilder (Kamera: Alexander Gheorghiu) wird mit Erzählungen gefüllt. Der Zuschauer kann sehen, was er sehen will, sich den zahlreichen Versionen vom Tatgeschehen anschließen oder sie verwerfen. Die Wirklichkeit in so einem komplexen Fall mit so vielen Fragezeichen ist hybrid. Und die Wahrheit gleich mit.

„Höllental“ entfaltet so einen besonderen Sog. Begleitet von einer sphärisch dräuenden Musik (Uwe Bossenz) rückt das Mordrätsel dem Zuschauer sehr nahe, er wird Teil der Fahndung, der Berichterstattung, der Spekulationen. Mit leichtem Schauer gleitet er über das dunkle Lichtenberg, den dunklen Wald, das dunkle Höllental mit. „Die Hoffnung stirbt zuletzt“, sagt Willi Dürrbeck, Leitender Ermittler Soko Peggy. Gott sei Dank, raunt es im Zuschauer.

Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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