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Die Deutschen und ihr Englisch : “The devil lies in the detail”

Englisch made in Germany: Einige Gedanken zum Umgang mit einer vertraut-fremden Sprache. Wie und warum denglische Redewendungen so gerne rückübersetzt werden. Ein Essay.

Die Deutschen und ihr Englisch : "The devil lies in the detail"

Reklame für die Berliner Stadtreinigung (BSR).Foto: BSR

Neulich bekam ich ein ansprechendes Büchlein geschenkt: Simon Geraghty, der sich als „Irishman who lives and works in Germany“ vorstellt, hat es geschrieben und illustriert, und er nennt es schlicht „English for Germans“. Mithilfe eines deutschen Eierkopfs, den er „Hermann the German“ getauft hat, will uns der Ire helfen unser Englisch aufzubessern: „This book will help – die Lücken zu füllen – where your English is missing.“ Doch von welchen Lücken spricht Geraghty? Immerhin stellt er ja auch fest: “If you live in Germany you have a head full of English already”.

Die Antwort lautet: Trotzdem und deswegen – nonetheless and for that reason! Denn Geraghty hat ein wichtiges Problem deutschsprachiger Menschen erkannt, das er zugleich als Lernchance begreift: Unsere Köpfe sind voller Englisch. Trotzdem und deswegen wissen wir oft gar nicht mehr, wo uns im Englischen der Kopf steht!

Es geht hier nicht um das Englische im Deutschen, also die viel diskutierten, oft verschmähten und doch heiß geliebten Anglizismen, die wir in unserer eigenen Sprache verwenden. Manche sind so überflüssig wie „Rocket Science“, weil man genauso gut „Zauberei“ sagen kann. Und manche sind so unersetzlich wie der „Running Gag“: Als Kermit der Frosch einst in der ersten deutschen Ausgabe der „Muppet Show“ vom „durchlaufenden Witz“ sprach, klang das weder gut noch war es verständlich.

Anstatt den Verfall der deutschen Sprache durch Anglizismen zu beklagen, beschäftige ich mich lieber damit, wie wir bisweilen die englische Sprache verhunzen – zum Beispiel, wenn wir so sogenannte „Pseudoanglizismen“ arglos gegenüber englischsprachigen Menschen verwenden. Damit meine ich Begriffe wie „Claim“, „Joker“, „Partnerlook“, „Pullunder“ oder „Shakehands“.

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„Let the church in the village“

Sie sind die vielleicht anschaulichsten Beispiele für das Deutsche im Englischen, um das es mir hier geht. Zwar war unsere englische Sprachpraxis insgesamt wohl noch nie so gut wie heute, was unterschiedliche Umfragen auch belegen. Trotzdem und deswegen führt sie immer wieder zu bemerkenswerten Patzern und herrlichen – Achtung: Anglizismus! – „Performances“. Es sind die Momente, in denen Englisch unkontrolliert aus unseren vollen Köpfen purzelt.

Der Inbegriff dafür ist unser lustiges Filserenglisch (benannt nach den „Filserbriefen“ in der „Süddeutschen Zeitung“ und ursprünglich nach Ludwig Thomas Figur des Joseph Filser). Immer wieder kommt es vor, dass wir all unser englisches Wissen anstrengen, um kleine deutsche Weisheiten 1:1 zu übersetzen: „Please don’t make that extra“ anstatt „Please don’t do it on purpose“. „The tooth of time“ anstatt „the ravages of time“. „Let the church in the village“ anstatt „Quit dreaming“. Oder andersherum als wörtliche Verhörer: „Come over when you have got nothing on“ – was nicht bedeutet, dass wir rüber kommen sollen, wenn wir nackt sind, sondern: „Komm vorbei, wenn du Zeit hast.“

Nach mehr als 20 Jahren, in denen ich selbst zunächst als Schüler, später als Student und seitdem beruflich zwischen den Sprachräumen gependelt bin, teile ich ein bestimmtes Sprachgefühl, das in Wahrheit ein Störgefühl ist. Einerseits ist einem Englisch so vertraut und im Umgang selbstverständlich, dass man es gar nicht mehr als eine Fremdsprache bezeichnen kann. Typische Fremdsprachen wie Latein (zu tot), Urdu (zu entlegen) oder Finnisch (zu schwierig) lassen sich aus irgendwelchen persönlichen oder anerzogenen Gründen wählen oder abwählen. Wer hingegen im Ernst behauptet, heute ohne Englisch auszukommen, wirkt noch hinterwäldlerischer als ein Internetverweigerer.

Wie heißt nochmal Kupplung?

Andererseits ist uns Englisch nie in Fleisch und Blut übergegangen wie eine Muttersprache. Zwar verfüge ich über sehr viel Sprecherfahrung, die ich als Privileg betrachte. Aber wie den meisten von uns fehlte auch mir die Mutter, die von früh an für sprachliche Klarheit sorgen und die Unsicherheiten ausräumen konnte. Aus dieser durchwachsenen Gefühlslage heraus stellt sich uns allen die übergeordnete Frage, was Englisch überhaupt für uns ist. Eine vertraute Fremdsprache oder eine fremde Alltagssprache? Die Antwort lässt sich nicht mit einem Zeitungsartikel, in einem Buch oder von einer Sprachkommission finden. Es ist ein Thema, das wir gemeinsam diskutieren müssen!

Die Deutschen und ihr Englisch : "The devil lies in the detail"

Peter Littger: “The devil lies in the detail. Lustiges und Lehrreiches über unsere Lieblingsfremdsprache”. Kiepenheuer & Witsch,…Foto: KiWi

Zugleich stellen sich ständig sehr viele kleine Fragen, wenn wir in allen erdenklichen Lebenslagen Englisch sprechen: Wie schreibe ich einen Lebenslauf, und wie verhandle ich eine Rechnung? Wie lasse ich mich morgens wecken, wie beschreibe ich den Geschmack des Weins? Wie nennt man eine Kupplung, und was sind die Wehen einer Schwangeren? Wie mache ich einen Antrag, und wie mache ich Schluss? Es sind Fragen im Büro und in Geschäften. In Hotels und in Restaurants. In Autowerkstätten und in Krankenhäusern. Und nicht zu unterschätzen: vor, während und nach Beziehungen!

I am fluent in English

Diese unzähligen praktischen Unklarheiten sind es, die mich angespornt haben regelmäßig Texte über unser Englisch zu schreiben und sie unter die Überschrift „Fluent English“ zu stellen. Denn das ist heute unser Anspruch, den wir auch in unseren Lebensläufen vor uns hertragen: I am fluent in English. Und gerade weil wir so viel wissen – unsere Köpfe so voll sind, wie es Simon Geraghty beschreibt – produzieren wir oft recht fortgeschrittene Patzer, die wir nicht selten sehr selbstbewusst vortragen. Veranschaulichen lässt sich das mit einem Witz:

Kann hier jemand Deutsch? Meldet sich ein Engländer und ruft: Ja, mich!

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  • "The devil lies in the detail"
  • Läuft das Geplauder mal nicht reibungslos …

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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