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Der „Tatort“ aus Köln : Wutbürgers Panoramafahrt

Weil er sich ungerecht behandelt fühlt, droht ein ehemaliger Lehrer im Kölner „Tatort“, ein Rundfahrtboot in die Luft zu sprengen.

Der „Tatort“ aus Köln : Wutbürgers Panoramafahrt

Daniel Huberty (Stephan Kampwirth) fühlt sich ungerecht behandelt. Für sein Verhältnis mit einer Schülerin kam er ins Gefängnis….Foto: WDR/Thomas Kost

Bei dem Titel dieser „Tatort“-Folge handelt es sich wohl um einen kleinen Scherz. Nicht nur in Köln könnte man bei „Hubertys Rache“ unvermittelt an einen Moderator denken, der viele Jahre aus einem Fernsehstudio in dieser Stadt die „Sportschau“ präsentierte. Aber die WDR-Auftragsproduktion der Bavaria verweist dann doch nicht auf die WDR-Legende Ernst Huberty, sondern auf Humbert Humbert, eine Gestalt aus der Literatur-, nicht der Fernsehgeschichte.

Humbert ist der Ich-Erzähler in Vladimir Nabokovs Roman „Lolita“ und wie die Täterfigur im „Tatort“ ein gebildeter Mann, der eine Minderjährige missbrauchte. Gymnasiallehrer Daniel Huberty (Stephan Kampwirth) hatte ein Verhältnis mit der 14-jährigen Schülerin Jana (Mathilde Bundschuh), wurde verurteilt, hat seine Haftstrafe abgesessen, fühlt sich aber noch nach Jahren ungerecht behandelt – und droht nun ein Rundfahrtboot mitsamt der „Passagierenden“, wie Kapitän Körber (Guido Renner) über gendergerechte Sprache zu scherzen beliebt, in die Luft zu sprengen.

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„Jetzt genießen Sie aber erst mal das herrliche Panorama der schönsten Stadt der Welt“, sagt Körber über Lautsprecher, als die „Agrippina“ – ein Verweis auf die römische Stadtgründerin Kölns – ablegt. Wenig später übernimmt Huberty das Kommando, aber das Panorama dieser Stadt, die man, jedenfalls vom Fluss aus betrachtet, durchaus als schön bezeichnen kann, wird in der Inszenierung von Marcus Weiler ausgiebig gewürdigt.

[„Tatort – Hubertys Rache“, ARD, Sonntag, 20 Uhr 20]

Ein ARD-Thriller aus der Touristenperspektive gewissermaßen. Die Zeit läuft, die Bombe tickt. Huberty, der in der Nacht zuvor bereits den Techniker des Schiffs tötete, stellt Ultimaten und sorgt mit der Bemerkung, es befinde sich eine Vertrauensperson an Bord, für zusätzliche Verunsicherung. Das Sondereinsatzkommando legt auf den Geiselnehmer an. Außerdem lässt sich Kommissar Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) mit falscher Identität gegen mehrere Geiseln eintauschen und gerät dabei in Lebensgefahr, was seinen Kollegen und Freund Freddy Schenk (Dietmar Bär) enorm stresst. Das dramatische Szenario leidet freilich darunter, dass der Ausgang in einer Krimireihe mit wiederkehrenden Figuren nicht ganz so überraschend ist. Soviel darf verraten werden: Der WDR verliert nach dem Ausstieg von Anna Schudt aus dem Dortmunder Team keinen weiteren „Tatort“-Darsteller.

Nicht nur Thrill, sondern auch Zeitgeist

Es fällt nicht ganz leicht, einem ehemaligen Lehrer und Hobby-Geiselnehmer wie Huberty ein derartiges Spektakel zuzutrauen. Eva und Volker A. Zahn, die das Drehbuch schrieben, geht es nicht nur um Thrill, sondern auch um den Zeitgeist. Huberty gehöre zu jenen Menschen, „die es nicht ertragen oder akzeptieren, dass Regeln und Gesetze nicht exakt ihre ganz persönlichen Empfindungen, Bedürfnisse und Ansichten widerspiegeln“, werden sie vom WDR zitiert. Sie haben die Figur als „brandgefährliche Ausgabe eines enthemmten Wutbürgers“ angelegt, wobei Darsteller Stephan Kampwirth nicht den Fehler begeht, die Wut allzu offensichtlich auszuspielen. Huberty will scheinbar nur die Verantwortlichen für seine vermeintlich ungerechte Behandlung zur Rede stellen und sich rehabilitieren.

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Bereits an Bord befindet sich die nach dem Prozess gegen ihn beförderte Oberstaatsanwältin Svenja Poulsen (Christina Große), die damals die Höchststrafe forderte. Huberty wusste dank der sozialen Medien, dass sie den Geburtstag ihrer Tochter Amelie (Anna Bachmann) mit einem gemeinsamen Rhein-Ausflug feiern wollte. Nun soll die Polizei auch noch Janas Mutter, Hubertys Ex-Frau und deren neuen Partner sowie einen Immobilienhändler an Bord bringen. Rainer Piontek (Hannes Hellmann) hatte Hubertys Neubeginn torpediert, indem er den Mietvertrag für dessen Nachhilfeschule kündigte. Aber weil sich beide nicht persönlich kennen und weil von Piontek kein Foto im Netz zu finden ist, kann sich Ballauf als Hubertys ehemaligen Vermieter ausgeben.

Zwar bleibt es anfangs unklar, ob dem ehemaligen Lehrer an der einen oder anderen Stelle nicht vielleicht doch Unrecht widerfahren ist. Doch in einen echten Zwiespalt bringt der Film sein Publikum nicht. Mit einem Mann, der sich selbst als Opfer stilisiert und das eigene Verhalten nicht einmal im Ansatz hinterfragt, fällt jede Identifikation schwer. Am Ende gilt es dann, Hubertys verquere Weltsicht gerade zu rücken, was einwandfrei gelingt.

Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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