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Der 1. FC Union kämpft gegen den Kater : Der Traum ist aus, es lebe der Traum

Der 1. FC Union muss den schmerzhaften Pokal-K.o. beim Feindbild in Leipzig schnell verarbeiten, denn mit Europa ist ein großes Ziel noch in Reichweite.

Der 1. FC Union kämpft gegen den Kater : Der Traum ist aus, es lebe der Traum

Die große Leere. Nach der tollen Leistung in Leipzig hatten die Spieler des 1. FC Union an dem späten K.o. schwer zu knabbern.Foto: IMAGO/Contrast

Am Tag danach ist in Leipzig immer noch zu erahnen, wie groß Unions Unterstützung am Vorabend war. Beim Frühstück im Hotel, auf dem Bahnsteig, im ICE Richtung Heimat, überall sind Anhänger der Berliner an ihren roten Fanartikeln zu erkennen. Anders als vor dem Spiel, als sie singend durch die Innenstadt zogen und auf einen Abend hofften, wie ihn die Frankfurter vor einer Woche in Barcelona erlebt haben, ist die Stimmung nun aber gedrückt, es fallen nicht viel Worte. Was soll man auch sagen nach solch einem Spiel? Viel Schlaf haben die Fans der besten Berliner Fußballmannschaft nicht bekommen, nach dem bitteren Ende ihres Pokaltraums haben viele der etwa 7000 Mitgereisten ihren Frust noch in den örtlichen Kneipen ertränkt.

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An den kommenden Samstag (15.30 Uhr, Sky), wenn Union in der Bundesliga gleich wieder im Leipziger Zentralstadion zu Gast ist, will noch niemand denken. Zu groß ist die Enttäuschung, das Finale in der eigenen Stadt nach einem herausragenden Spiel auf die denkbar unglücklichste Art und Weise verpasst zu haben. Chance auf das 2:0 verschenkt, umstrittener Elfmeter zum Ausgleich, Kopfballtor in der Nachspielzeit – es fehlte nicht viel zur Überraschung. „Wir haben das ganze Spiel daran geglaubt, jetzt fühlt es sich einfach leer an, es fühlt sich scheiße an“, bringt Abwehrchef Robin Knoche das Befinden von Spielern und Fans unmittelbar nach Abpfiff auf den Punkt.

Für die Anhänger ist die Niederlage doppelt schmerzhaft, weil der Gegner Rasenballsport Leipzig heißt, ein mit Brausemillionen in Österreich am Reißbrett erdachtes Fußballunternehmen. Wie groß der Kontrast zwischen den Fußballideen der beiden Klubs ist, wird auch am Mittwoch im Stadion sicht- und hörbar.

In den ersten 15 Minuten schweigen die Berliner Fans wie üblich als Protest gegen die Fußball-Franchise mit Standorten in Leipzig, Salzburg, New York und Sao Paulo. Danach übertönen sie, obwohl unter den 47.000 Zuschauern deutlich in der Unterzahl, die Gastgeber über weite Strecken. Als die Leipziger Fankurve den Einzug ins Finale feiert, dröhnen aus den Boxen abwechselnd die Stimme des Stadionanimateurs und die Beastie Boys, jeweils in der Lautstärke eines startenden Düsenjets. Dazu blinkt und leuchtet es überall. Wenn man sonst die eher puristische Spieltagsgestaltung im Stadion An der Alten Försterei gewöhnt ist, lässt sich diese Rummelatmosphäre nur schwerlich ertragen.

Der Gästeblock ist von der Haupttribüne dennoch zu hören. Unions Fans versuchen, die Mannschaft aufzumuntern, obwohl sie selbst Trost bräuchten. Als Trainer Urs Fischer etwa zehn Minuten nach Abpfiff über den Rasen zum Fernsehinterview schlurft, skandieren die Berliner Fans seinen Namen. Der Schweizer schaut hoch zur roten Wand im Gästeblock und applaudiert. „Ich möchte mich bei unseren Fans bedanken, sie haben das heute wieder zu einem Heimspiel gemacht“, sagt Mittelfeldspieler Rani Khedira, der vor ein paar Jahren selbst mal in Leipzig aktiv war.

Der 1. FC Union kämpft gegen den Kater : Der Traum ist aus, es lebe der Traum

Rote Wand. Etwa 7000 Unioner unterstützten ihre Mannschaft beim Pokalhalbfinale in Leipzig.Foto: Matthias Koch/Imago

An diesem Mittwochabend im April fühlt es sich an wie ein Ende und im DFB-Pokal ist es dies auch. Der Traum vom ersten Titel seit 1968 ist vorbei – doch der Traum von der zweiten Europapokalteilnahme in Folge lebt. Vier Spiele sind es noch und da sich der Pokalsieger aller Voraussicht nach über die Bundesliga für das internationale Geschäft qualifizieren wird, reicht wie im Vorjahr Rang sieben für die Conference League.

Wie baut man eine Mannschaft nach solch einer Niederlage wieder auf?

Doch auch die finanziell und imagetechnisch weitaus lukrativere Europa League liegt in Reichweite. Die Reisen nach Haifa und Prag im vergangenen Herbst haben bei den Berlinern Lust auf mehr geweckt, die nach Rotterdam eher weniger. Union international war dennoch ein großes Erlebnis für Fans, Verein und Spieler.

Die Chancen auf eine Wiederauflage sind gut, als Sechster befinden sich die Berliner in einem Dreikampf mit den knapp dahinter platzierten Teams aus Köln und Hoffenheim. Union spielt im eigenen Stadion, wo die Mannschaft seit Menschengedenken nur gegen Bayern München und Borussia Dortmund verloren hat, noch gegen Absteiger Greuther Fürth und den VfL Bochum. Dazwischen reisen die Berliner zum direkten Konkurrenten und Pokalfinalisten nach Freiburg. Doch erst mal geht es am Samstag schon wieder gegen Leipzig.

Wie baut man eine Fußballmannschaft nach solch einem Tiefschlag in der Nachspielzeit innerhalb weniger Tage wieder auf, vor allem wenn es gleich wieder zurück an den Ort des Geschehens geht? Oder ist es vielleicht sogar besser, die Enttäuschung sofort zu konfrontieren, um gar nicht erst ins Grübeln zu kommen?

Mit solcher Küchenpsychologie braucht man Fischer nicht zu kommen. Doch natürlich macht sich der Trainer seine Gedanken, wie er die Mannschaft wieder aufbauen kann. Physisch vermutlich mit einer gewissen Rotation, mental ist dies deutlich schwieriger. Doch Fischer und Christopher Trimmel präsentieren schon kurz nach Abpfiff einen ersten Ansatz, den sie die gesamte Saison und eigentlich die komplette gemeinsame Zeit in Berlin immer wieder mantraartig wiederholen. „Uns ist die Art und Weise wichtig und die hat gestimmt“, sagt der Kapitän. „Natürlich ist es eine Riesenenttäuschung, aber ich bin sehr stolz.“

Der 1. FC Union kämpft gegen den Kater : Der Traum ist aus, es lebe der Traum

Raus mit Applaus. Urs Fischer wird von den Fans gefeiert und bedankt sich artig für die Unterstützung.Foto: Matthias Koch/Imago

Fischer glaubt ebenfalls nicht an einen nachhaltigen Schaden durch das bittere Pokalaus. Die Stimmung in der Kabine sei natürlich nicht gut gewesen, sagt der Trainer, aber mit einer gewissen Distanz werde seine Mannschaft realisieren, was sie für eine großartige Leistung gezeigt hätte. „Das wird der Trumpf sein, um wieder aufzustehen.“

Komplimente bekommen die Berliner am Mittwochabend nicht nur von ihrem Trainer, sondern auch vom Gegner. „Union hat ein Riesenspiel gemacht. Was die laufen, ist der Wahnsinn!“, sagt Domenico Tedesco. Seine Mannschaft war mit dem Selbstbewusstsein aus 14 Spielen ohne Niederlage in das Halbfinale gegangen und wirkte lange Zeit doch wie der Außenseiter, der Probleme mit der Größe der Aufgabe hat. Eine „fürchterliche erste Halbzeit“ attestierte Leipzigs Trainer seiner Mannschaft und war nach dem Spiel sichtlich glücklich, dass es dennoch zum dritten Finaleinzug in vier Jahren reichte.

„Wenn man sieht, wie Union spielt, wird das am Samstag wieder ein Brett“

Die Sachsen sind als einzige deutsche Mannschaft noch in drei Wettbewerben vertreten und haben in DFB-Pokal und Europa League gute Chancen auf den ersten Titel ihrer noch jungen Geschichte. Dennoch sollte sich Union nicht allzu große Hoffnungen darauf machen, dass Rasenballsport das Spiel am Samstag nicht ernst nimmt.

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In der Bundesliga ist wohl keine Mannschaft in der Breite so gut aufgestellt wie Leipzig: Wenn man es sich leisten kann, Spieler wie Emil Forsberg, Yussuf Poulsen oder Kevin Kampl auf die Bank zu setzen, spricht das eine deutliche Sprache. Außerdem geht es für die Sachsen noch um die Champions-League-Qualifikation. „Wir stehen unter Zugzwang. Wenn man sieht, wie Union spielt, wird das am Samstag wieder ein Brett“, sagt Tedesco.

In der bisherigen Saison mit ihren vielen Englischen Wochen ist es Union meist beeindruckend gut gelungen, Enttäuschungen und Müdigkeit in kürzester Zeit zu verarbeiten. Das ist auch jetzt wieder die wichtigste Aufgabe für Fischer und sein Team. Die Aufbauarbeit hat schon unmittelbar nach dem Spiel begonnen, mit dem Gang vor den prall gefüllten Gästeblock. Am Samstag werden deutlich weniger Fans die Reise nach Sachsen antreten, der Verein rechnet mit etwa 2500. Es ist schließlich nicht immer Pokalhalbfinale – und das Leipziger Zentralstadion steht bei den Berlinern trotz der kurzen Anfahrtszeit ohnehin ziemlich weit unten auf der Liste der liebsten Reiseziele.

Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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