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Deckeln, vorkaufen, enteignen? : Rot-Rot-Grün begeht Harakiri in der Mietenpolitik – Schluss mit dem Radikalkurs

Erst kippt der Mietendeckel, jetzt stoppt das Bundesverwaltungsgericht Berlins Vorkaufspraxis. Die Koalition muss innehalten. Für Träumereien ist keine Zeit. Ein Kommentar. 

Deckeln, vorkaufen, enteignen? : Rot-Rot-Grün begeht Harakiri in der Mietenpolitik – Schluss mit dem Radikalkurs

Umstritten: Florian Schmidt (Grüne), Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg. Foto: Doris Spiekermann-Klaas

Das stelle sich jede und jeder einmal vor: Der Staat greift in Grundrechte ein, weil er davon ausgeht, gar behauptet, jemand könne irgendwann einmal, in ein paar Jahren vielleicht, Ziele des Staates verletzen. Etwa den Führerschein entziehen, weil der Besitzer wegen seiner Herkunft suspekt ist und in ferner Zukunft einmal einen schlimmen Unfall bauen könnte. Oder der Staat schickte einen Menschen in eine Schutzhaft, weil Leute nach seinem Schlage mal ein Verbrechen begehen könnte. Oder aber, der Staat unterstellt einem Unternehmen, böse Absichten in einigen Jahren in die Tat umzusetzen – und entzieht ihm das Eigentum.

So geschieht es seit einigen Jahren in Berliner Bezirken. Grundlage ist das sogenannte Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten. Nun hat das Bundesverwaltungsgericht der überbordenden Praxis einen Riegel vorgeschoben.

Der Fall: Ein Unternehmen kaufte 2017 ein Mietshaus in Friedrichshain-Kreuzberg, das Bezirksamt mit dem zuständigen Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) schritt ein und zog das Vorkaufsrecht zugunsten einer Landesfirma. Dabei bestand für das Haus wegen einstiger Förderung eine Mietpreisbindung bis zum Jahr 2026. Die vom Bezirk geforderte Abwendungsvereinbarung, die Mieterhöhungen ausschlösse, lehnte das Unternehmen wegen bekannter Preisbindung ab.

Das Bezirksamt und der umstrittene Bezirksstadtrat meinten jedoch: Das Unternehmen könnte nach dem Ende der Preisbindung die Mieten erhöhen, Wohnungen in Privateigentum umwandeln und so die Mischung der Bewohner im Kiez zerstören. Ein staatlicher Eingriff in das grundgesetzlich geschützte Eigentumsrecht. Die Richter in Leipzig begründeten ihr Urteil nun damit, Maßstab für das Vorkaufsrecht dürfe  jedenfalls nicht die reine Erwartung sein, wie ein Käufer mit der Liegenschaft irgendwann einmal umgehen wird.  

Für die besonders eifrigen Bezirksämter, gerade aber für Grüne und Linke in der Regierungskoalition ist die Entscheidung ein Schlag ins Gesicht. Das Botschaft lautet: „Ihr könnt es einfach nicht.“ Mögen es auch noch so hehre Ziele sein, der Zweck heiligt nicht die Mittel. Schon gar nicht im Rechtsstaat.

[Lesen Sie mehr zum Vorkaufsrecht auf T+: Machtlos gegen Heimstaden: Berlin kann wegen Share Deal kein Vorkaufsrecht ausüben.]

Die Entscheidung erinnert auf fatale Weise an den Mietendeckel. Auch damit hatte sich Rot-Rot-Grün übernommen, hatte Warner und Mahner beiseitegeschoben – sich ins mietenpolitische Harakiri begeben. Und nicht nur das: Sie haben den Mieterinnen und Mietern etwas vorgemacht, das gar nicht in ihrer Macht stand. Sie haben sich als starken Staat geriert, der das böse Kapital in seine Schranken weisen muss. Sie beschworen eine Gerechtigkeitsfrage herauf, die zu meistern, sie gar nicht in der Lage waren – und offenbar weiterhin nicht sind.

Es braucht Antworten, doch die Koalition scheitert

Ganz klar – Wohnungsmangel und steigende Mieten gehören zu den wichtigsten sozialpolitischen Fragen unserer Zeit. Es will darüber geredet werden, wie umzugehen ist mit Sharedeals, Immobilienspekulanten und Geschäftemachern, wie der Markt besser geregelt werden kann, damit Mieter eine bezahlbare Wohnung finden, nicht bangen müssen vor rasant steigenden Mieten und davor umziehen zu müssen, buchstäblich aus ihren Kiezen verdrängt zu werden.

Nur: Was die Berliner Koalition da bislang angepackt hat, scheint das Problem nicht zu lösen. Vielmehr scheitert sie. Genügend Wohnungen gibt es noch immer nicht. Auch einen rechtsstaatlichen Weg fernab quasisozialistischer Träumereien fand sie bislang nicht. Die bisherige Bilanz spricht nicht dafür, dass Fantastereien über eine Enteignung großer Wohnungsunternehmen realistisch machbar sind.

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Sicherlich: Die schriftliche Entscheidung des Gerichts gilt es noch auszuwerten, interessant dürfte für das Fachpublikum auch die Frage sein, wie der Senat des Gerichts zusammengesetzt ist. Und warum er die Gesetzeslage so anders auslegt, als die Behörden und Vorinstanzen. Politisch jedoch ist nun klar: Die Koalition und politische Kräfte in den Bezirken haben den Wählerinnen und Wählern, den Mieterinnen und Mietern eine wohnungspolitische Fata Morgana herbeigezaubert, die sich am Ende in heiße Luft auflöst. Wie peinlich. Und wie teuer, gerade beim Vorkaufsrecht. Und beim Mietendeckel-Desaster für die Mieter.

Besonders Florian Schmidt, die Anhänger seiner Linie bei den Grünen und auch die Linkspartei müssen sich der Debatte stellen. Gut, Bausenator Sebastian Scheel (Linke) kündigte schon mal eine Bundesratsinitiative an. Starkes Stück! Die Frage ist doch eine andere: Warum waren sie nicht in der Lage, die Probleme rechtlich sauber lösen? Warum haben sie ein reales Problem derart politisch aufgeladen, sodass jeder auch kleine, sozial denkende Unternehmer sich genau überlegt, noch zu investieren? Warum immer nur gut und böse?

Die Devise ist zu simpel, populistisch geradezu

Vorkaufen, enteignen, verstaatlichen? Diese Devise wird nicht mehr lange gut gehen. Sie ist auch zu simpel, populistisch geradezu. Das gilt auch für das von einigen Berliner Grünen wie Florian Schmidt ausgegebene Ziel, 50 Prozent des Wohnungsbestandes sollte in sogenannter gemeinwohlorientierter Verwaltung sein.

Das mag anstrebenswert sein, um den Markt besser zu steuern. Nur mit der bisherigen aggressiven Vorkaufspraxis wird das nicht mehr so einfach möglich sein. Es ist Zeit für eine ehrliche Debatte: Was kann Berlin überhaupt regeln? Was kann Politik Mieterinnen und Mietern versprechen? Welche langfristige Initiative etwa für Gesetzesnovellen auf Bundesebene ist nötig? Und was ist über kurz oder lang machbar, um die Nachfrage nach Wohnraum zu decken, um Mietenanstiege kleinzuhalten? Mit dem bisherigen Radikalkurs hat es jedenfalls nicht geklappt. Allenfalls wurde das Reden darüber befeuert. Immerhin.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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