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Das neue Zaufke/Lund-Musical : Politischer Zickenkrieg in der Provinz

Explodierende Euphorie: Studierende der UdK spielen an der Neuköllner Oper mit Verve das Wahlkampf-Musical “Eine Stimme für Deutschland”.

Das neue Zaufke/Lund-Musical : Politischer Zickenkrieg in der Provinz

Let me entertain you: Das Ensemble des neuen Musicals von Peter Lund und Thomas ZaufkeFoto: Mizafo/Neuköllner Oper

Sehr, sehr viel Energie hatte sich da aufgestaut bei den Nachwuchstalenten vom Studiengang Musical an der Berliner Universität der Künste: Gesangsunterricht, Tanztraining, Schauspielübungen, alles nur per Videocall in den eigenen vier Wänden – das war quälend in den endlosen Monaten der beiden Lockdowns.

Jetzt aber, wo endlich wieder die Rückkehr zur Livekultur möglich ist, wo die Uraufführung des neuen Musicals von Peter Lund und Thomas Zaufke an der Neuköllner Oper stattfinden kann, da explodieren die jungen Darsteller und Darstellrinnen förmlich auf der Bühne, stürzen sich mit ungebremster Euphorie ins Geschehen, ungeachtet der tropischen Temperaturen, die hier oben herrschen, im vierten Stock der Neuköllner Passage an der Karl-Marx-Straße.

Das maskierte Publikum schmort zweieinhalb Stunden im eigenen Saft, die acht Akteur:innen aber bewegen sich auf der Szene so quecksilbrig, als wehe ihnen ununterbrochen ein frischer Wind durchs Haar. Sie wollen spielen, sie lechzen nach dem Kontrakt mit dem Publikum, möchten zu gerne zeigen, was sie draufhaben (weitere Aufführungen bis zum 25. Juli).

Die Berliner Musicalausbildung ist spitze

Die Musical-Kooperationen zwischen der UdK und der Neuköllner Oper sind immer Festivals der Spielfreude, hier aber, beim elften Musical des Erfolgsduos Zaufke/Lund tanzen, singen und spielen sich die angehenden Entertainmentprofis selbst an die Wand. Und zeigen dabei, warum der Berliner Studiengang so einen guten Ruf hat: Hier wird nicht nur auf Technik gedrillt, hier werden komplexe Persönlichkeiten ausgebildet.

Holzschnitt-Typen, wie man sie in den kommerziellen Shows oft sieht, sind in Peter Lunds neuem Stück sowieso nicht gefragt: Hier agieren vielschichtige, widersprüchliche Charaktere – und es geht um nicht weniger als die politische Meinungsbildung von Jugendlichen auf der einen und die Ränkespiele des Machterhalts im Volksvertreterbusiness auf der anderen Seite.

Ein schwerer, staatstragender Stoff, zumal im Superwahljahr 2021, dem der stets zu Wortspielereien aufgelegte Lund aber natürlich die Schwere zu nehmen versucht. Die Ideologien knallen pointenreich auf zwei Ebenen gegeneinander: Da sind die beiden Bürgermeisterinnen-Amtsanwärterinnen in der Kleinstadt Hohenpfaffenberg-Siegertsbrunn – und da sind die Töchter der alleinerziehenden Kandidatinnen, die sich in der Schule zunächst ähnlich unversöhnlich gegenüberstehen, ganz so wie ihre Mütter von den Grünen respektive der AfD.

Die Grüne ist auch nicht besser als die AfD-Frau

Bis die Mädchen merken, dass ihre ehrgeizigen Erziehungsberechtigten mit dubiosen Methoden um den Wahlsieg ringen – die Linke ist dabei nicht besser als die Rechte – und sich gegen die Erwachsenen verbünden. Dabei durchleben Maria Joachimstaller und Mascha Vollmershausen ebenso glaubwürdig die pubertären Emotions- und Überzeugungsstürme wie ihre Freunde Dolfi (Fabian Sedlmeir), Anuk (Gwen Johansson) und Albert (Soufjan Ibrahim).

Bemitleidenswert inkonsequent eiert Veronika de Vries als grüne Kandidatin Regula Hartmann-Hagenbeck durch die Kampagnen-Katastrophen, brutal zynisch agiert Joel Zupan in der Rolle der AfD-Anführerin Alina Deutschmann. Die schönste Songzeile des Abends aber hat Clarissa Gundlach als Deutschmanns dauerfrustrierte Wahlkampfmanagerin, die so gerne selbst an der Spitze stünde: „Zweiter sein ist undankbar, frag‘ doch mal den Februar.“

Powerballaden à la Abba

Vollmundig hatte Thomas Zaufke im Vorfeld angekündigt, diesmal hätten ihn seine Kollegen als Johann Sebastian Bach, Ludwig van Beethoven und Kurt Weill inspiriert. Was die Band dann aber am Premierenabend spielt, von Hans-Peter Kirchberg mit Verve dirigiert, klingt durchgehend nach typischem Musicalsound. Wobei sich die Powerballaden à la Abba und die Hymnen nach Disney-Märchenfilm-Art sich am längsten im Ohr festsetzen.

Für Menschen, die noch unschlüssig sind, wen sie im September wählen sollen, ist „Eine Stimme für Deutschland“ allerdings keine große Hilfe. Denn die politischen Fragen geraten im Laufe des Abends deutlich in den Hintergrund – zugunsten rein privater Konflikte, deren Auflösung dann zudem auch noch reichlich boulevardtheatralisch.

Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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