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„Dann steht Deutschland still“ : Gewerkschaften mobilisieren gegen Bahnreform

Am Dienstag protestieren EVG und DGB im Regierungsviertel gegen die „Zerschlagung“ der Deutschen Bahn. Auch Reform-Befürworter machen Druck auf die Politik.

„Dann steht Deutschland still“ : Gewerkschaften mobilisieren gegen Bahnreform

Soll das Gleisnetz bald nicht mehr zur Deutschen Bahn gehören? Die Ampelkoalitionäre sind sich nicht einig.Foto: imago images/Future Image

Bei kaum einem Thema ist die Blockade in den Koalitionsverhandlungen derzeit so groß wie bei einer möglichen Bahnreform. Grüne und FDP drängen unvermindert darauf, die Deutsche Bahn aufzuspalten und die Infrastruktur in einer staatseigenen Gesellschaft zu verwalten, während die SPD das in ihrem Wahlprogramm explizit ausgeschlossen hat. Wie die Parteispitzen der Ampelkoalitionäre in spe hier in den nächsten Tagen einen Kompromiss finden wollen, ist derzeit noch völlig offen.

Gegner und Befürworter der Reform machen deshalb nun im Regierungsviertel mobil, um für ihre Position zu werben. An diesem Dienstag protestiert die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) unter dem Motto „Hände weg von der Bahn“ vor den Parteizentralen von Grünen und FDP gegen eine „Zerschlagung“ der Deutschen Bahn AG; der symbolische Beginn der Kundgebung: um fünf vor zwölf.

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Sollte der Bahnkonzern aufgeteilt werden, „drohen vier Jahre Stillstand“ in der Verkehrspolitik, sagte EVG-Vorstand Martin Burkert dem Tagesspiegel. Er verweist auf die vielen nötigen Gesetzesänderungen und warnt vor heftigen Auseinandersetzungen. Und auch die Möglichkeit von Bahnstreiks ruft Burkert in Erinnerung. Bei einer Aufspaltung der Bahn „steht Deutschland still“, sagte er. Man könne dann davon ausgehen, „dass das Thema Bahn wöchentlich in den Nachrichten ist“.

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Die EVG befürchtet, dass die sicheren und vergleichsweise gut bezahlten Jobs bei der Bahn nach der Aufspaltung zunehmend prekär werden könnten – wenn etwa die Arbeit der Reinigungs- und Sicherheitsdienste an Bahnhöfen vermehrt per Ausschreibung an Fremdfirmen vergeben werden. Unterstützung erhält sie vom Deutschen Gewerkschaftsbund, dessen Vorstand Stefan Körzell zu den Rednern auf der Kundgebung gehört.

Eigentlicher Adressat des Protests ist dabei die SPD. Die EVG will verhindern, dass die Sozialdemokraten Grünen und Liberalen am Ende der Koalitionsverhandlungen die Bahnreform genehmigen – im Gegenzug für Zugeständnisse etwa in der Sozialpolitik.

Weselsky: „EVG verteidigt ihre Pfründe“

Doch die Eisenbahner sind in der Frage gespalten. „Zu der Kundgebung morgen kommen die EVG-Funktionäre, die Angst um ihre Pfründe haben“, sagte am Montag Claus Weselsky, der Chef der konkurrierenden Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL). Gemeinsam mit den Wettbewerbern der Deutschen Bahn und dem Fahrgastverband Pro Bahn warb er in Berlin für eine Bahnreform 2.0.

Die Eisenbahner an der Basis wüssten, dass sie hierbei nichts zu befürchten hätten, sagte Weselsky. „Durch den Wettbewerb auf der Schiene haben wir eine Zunahme des Eisenbahnverkehrs erlebt.“ Lohndumping finde dabei nicht statt, betonte er. Nach harten Kämpfen böten die Wettbewerbsbahnen heute exakt dasselbe Gehalt und dieselben Arbeitszeiten wie die Deutsche Bahn. Das Gleisnetz sei hingegen ein natürliches staatliches Monopol. „Wir verlangen von den politischen Entscheidern, dass sie dieses Monopol zusammenführen und effizient betreiben“, sagte Weselsky.

Es gehe darum, das Schienennetz in Gemeineigentum zu überführen, betonte Mofair-Präsident Tobias Heinemann, der die DB-Wettbewerber im Personenverkehr vertritt. Als Teil des DB-Konzerns habe die DB Netz AG den Auftrag, mit der Schieneninfrastruktur Geld zu verdienen. „Das verlangen wir von keiner anderen Verkehrsinfrastruktur.“

Niedrigere Schienenmaut für die Verkehrswende

In der Konsequenz habe Deutschland die höchste Schienenmaut in ganz Europa. Heinemann forderte, dass der Staat die Trassenpreise um etwa 80 Prozent auf Grenzkostenniveau senkt. Das werde automatisch zu mehr Bahnverkehr führen. Er erwartet, dass der DB Netz dadurch Einnahmen von vier bis fünf Milliarden Euro pro Jahr fehlen würden. Diese Ausfälle solle der Staat übernehmen. „Es geht um Daseinsvorsorge“, sagte Heinemann.

Statt Profiten müsse der Infrastrukturbetreiber Qualität bieten. „Und dafür ist automatisch eine Entflechtung des DB-Konzerns nötig.“ Dabei gehe es aber nicht um Arbeitsplatzabbau – im Gegenteil. Heinemann erwartet einen Anstieg der Beschäftigtenzahl. Das zeige etwa das erfolgreich getrennte Bahnsystem Schweden. „Wer deshalb von einer Zerschlagung der Bahn spricht, will Ängste schüren“, erklärte er in Richtung EVG.

Güterbahn-Vertreter Ludolf Kerkeling betonte vor allem den schlechten Service der DB Netz AG. „Das größte Hindernis für die Verkehrswende ist die deutsche Infrastruktur“, sagte der Vorsitzende vom Netzwerk Europäischer Eisenbahnen (NEE). Der DB Netz gelänge es zudem regelmäßig nicht, die bewilligten Steuergelder für zusätzliche Gleise auch zu verbauen.

Fahrgäste ärgern Probleme beim Winterdienst

Es fehle an fertigen Projekten in der Schublade, bemängelte auch Lukas Iffländer vom Fahrgastverband Pro Bahn und kritisierte zudem die schlechte Gleis-Pflege. Wegen ihrer Profitorientierung spare DB Netz etwa am Winterdienst worunter auch die Fahrgäste litten. Die ICE-Strecke Erfurt-Halle sei im vergangenen Winter mehrere Tage komplett gesperrt gewesen, erklärte der stellvertretende Vorsitzende des Fahrgastverbandes.

Dabei habe sich gezeigt, dass die Bahn fünf Jahre nach Eröffnung für die Strecke mit ihren hohen Lärmschutzwänden kein Räumungskonzept gehabt habe. „Offenbar hält es die DB Netz für günstiger, die Strecke zur Not für mehrere Tage zu sperren, als die entsprechenden Geräte anzuschaffen“, kritisierte Iffländer. Die Reichsbahn habe nur für das Gleisnetz der DDR mehr Schneepflüge gehabt, als DB Netz für das gesamte deutsche Bahnnetz.

„Dann steht Deutschland still“ : Gewerkschaften mobilisieren gegen Bahnreform

Gespalten. Das sind bei der Bahn häufig die Kunden, wenn es um die Zufriedenheit mit dem Service geht.Foto: imago images/Jochen Eckel

Die vier Verbände plädieren für eine schrittweise Umsetzung der Bahnreform. Sie wollen als erstes die Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge kündigen, die dafür sorgen, dass die Vorstände der drei DB-Infrastrukturtöchter gegenüber dem Konzernvorstand weisungsgebunden sind. Anschließend fordern sie, solle man DB Netz, DB Station & Service und DB Energie zu einer DB-Infrastruktur-Gesellschaft zusammenführen. Diese solle zunächst innerhalb der DB AG unter staatliche Aufsicht gestellt und später aus der Holding herausgelöst werden.

Mehr Wettbewerb im Fernverkehr

Grünen und FDP geht es mit der Bahnreform zudem darum, für mehr Wettbewerb im Fernverkehr zu sorgen. Um dies zu erleichtern, solle der kürzlich geschlossene Deutschlandtarif-Verbund auf den Fernverkehr ausgeweitet werden, forderte Mofair-Präsident Tobias Heinemann. Er will erreichen, dass der Flextarif und die Bahncards der Deutschen Bahn auch in Zügen von privaten Bahnbetreibern wie Flixtrain gelten.

Hierfür müsse der Vertrieb der Deutschen Bahn für Wettbewerber geöffnet werden, sagte GDL-Chef Claus Weselsky. Er halte das für dringend nötig, erklärte der Gewerkschaftsboss. Das zeige sich schon daran, dass sich Flixtrain bisher vergeblich darum bemühe, seine Tickets über den DB Navigator zu verkaufen. 

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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