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Cum-ex-Deals und andere Geschäfte : Betrug bei Dividenden richtet weltweit 150 Milliarden Euro Schaden an

Nach neuen Recherchen waren Cum-ex-Deals und ähnliche Betrügereien weiter verbreitet als angenommen. Dem deutschen Fiskus sind 35 Milliarden Euro entgangen.

Cum-ex-Deals und andere Geschäfte : Betrug bei Dividenden richtet weltweit 150 Milliarden Euro Schaden an

Bankenmetropole Frankfurt.Foto: Arne Dedert/dpa

Die Schäden durch Betrügereien bei der Erstattung von Kapitalertragssteuer bei Dividenden sind offenbar noch höher als bisher angenommen. Nach einem Bericht eines internationalen Recherchenetzwerks, angeführt von der investigativen Organisation „Correctiv“, liegt der Verlust, den Staaten weltweit wegen Cum-ex-Geschäften und ähnlichen Betrugssystemen erlitten, bei etwa 150 Milliarden Euro – bisher lagen die Schätzungen bei etwa 55 Milliarden.

Allein auf Deutschland entfallen 36 Milliarden – mehr als nach früheren Berechnungen des Mannheimer Ökonomen Christoph Spengel, die mit gut 31 Milliarden Euro beziffert wurden. In Frankreich belaufen sich demnach die Steuerausfälle in den vergangenen beiden Jahrzehnten auf etwa 33 Milliarden Euro, in den Niederlanden waren es 27 Milliarden, in Spanien 19 Milliarden. Staaten, in denen die Finanzmarktaufsicht strenger ist oder wo der Gesetzgeber früher reagierte, kamen mit geringeren Verlusten davon, etwa die USA und Großbritannien.

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Ende Juli hatte der Bundesgerichtshof abschließend geurteilt, dass Cum-ex-Geschäfte als Steuerhinterziehung zu bewerten und damit strafbar sind. Bisher wurden in Gerichtsverfahren zwei beteiligte Finanzmanager zu Bewährungsstrafen verurteilt, ein einem Fall gab es eine mehrjährige Gefängnisstrafe. Die Staatsanwaltschaft Köln, bei der viele Ermittlungsverfahren gebündelt sind, geht laut dem „Correctiv“-Bericht mittlerweile gegen mehr als tausend Beschuldigte vor.

Betrugsmasche Cum-cum

Dank des digitalisierten Hochgeschwindigkeitshandels mit Aktien sind Steuerbetrügereien durch das Verschieben von Papieren und das Verschleiern dieser Transaktionen seit vielen Jahren einfacher. Im Fall der Cum-ex-Masche wurde die auf Dividendenzahlungen fällige Kapitalertragsteuer vom Fiskus mehrfach rückerstattet, weil die Aktien um den Ausschüttungstermin herum zwischen Beteiligten an den Deals hin- und hergeschoben wurden, um die Steuerbehörden zu täuschen. Der Schaden für Deutschland wird auf sieben Milliarden Euro geschätzt. 2011 ist dieses Muster in Deutschland weitgehend unterbunden worden. Beim Betrug nach der Cum-cum-Masche werden ebenfalls Scheingeschäfte im Zusammenhang mit dem Dividendentag abgewickelt, wobei hier grenzüberschreitende Aktienleihe eine Rolle spielt. Der Schaden wird für Deutschland auf 28 Milliarden Euro geschätzt.

Auch Cum-fake-Betrug gibt es

Neueren Datums ist der cum-fake-Betrug: Hier werden Scheingeschäfte mit meist in den USA gehandelten Anteilsscheinen gemacht, die als Aktienersatz dienen, so genannte American Depository Receipts (ADR). Alle drei Betrugsmaschen werden auch als Dividendenstripping bezeichnet. Nach dem „Correctiv“-Bericht halten es sowohl Spengel als auch die Kölner Staatsanwaltschaft für möglich, dass Cum-fake-Deals nach wie vor stattfinden und auch erheblichen Schaden anrichten. „Cum“ bezieht sich bei Aktien immer auf Papiere mit Dividendenanspruch, „ex“ dagegen auf den Ausschüttungstermin. „Fake“ ist das englische Wort für Fälschung.

Die Staatsanwaltschaft in München ermittelt zudem in einer anderen möglichen Betrugsaffäre gegen etwa hundert Verdächtige, wie die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet. Dabei geht es um Täuschung bei Zertifikatgeschäften – Gewinne wurden dem Finanzamt einmal angegeben, Verluste dagegen zweimal geltend gemacht. Der Schaden ist hier allerdings weitaus geringer als bei den Großbetrügereien mit Dividendenstripping.

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Viele Jahre war unklar, ob die Cum-ex-Deals nur unsauber, aber legal, oder rechtswidrig sind. Auch die deutschen Finanzbehörden hatten lange nichts dagegen unternommen. Die Auswirkungen reichen bis in die Gegenwart – unter anderem in Hamburg. Dort gibt es einen Untersuchungsausschuss im Stadtparlament, der der Frage nachgeht, warum die Finanzbehörde der Hansestadt vor 2017 auf fällige Steuerrückforderungen wegen Cum-ex-Geschäften im Fall der Privatbank Warburg verzichtet hatte und erst nach einer Intervention des Bundesfinanzministeriums das Geld einforderte. Der Ausschuss will klären, ob führende SPD-Politiker der Stadt – allen voran der damalige Bürgermeister und heutige Bundesfinanzminister Olaf Scholz – dabei eine maßgebliche Rolle spielten. Scholz hat das vor dem Ausschuss verneint.

Aufgabe für die neue Koalition

Zu dem „Correctiv“-Bericht sagte der Grünen-Europapolitiker Sven Giegold: „Die neuen Enthüllungen zeigen, wie notwendig ein konsequentes Vorgehen der neuen Bundesregierung gegen Steuerhinterziehung ist.“ Die Verjährung von Cum-cum-Deals müsse verhindert werden. „In den Koalitionsverhandlungen müssen die Maßnahmen gegen Steuerhinterziehung konkretisiert werden. Wir brauchen schlagkräftige Steuerbehörden, die komplexe Fälle von Steuerhinterziehung effizient bekämpfen können.“

Nach Ansicht des früheren Grünen-Politikers Gerhard Schick, der heute den Verein „Finanzwende“ leitet, sind die Finanzbehörden nicht so aufgestellt, dass missbräuchliche Steuergestaltungen schnell erkannt und unterbunden werden könnten. Der Linken-Finanzpolitiker Fabio De Masi verlangte einen automatisierten Abgleich aller Anträge auf Erstattung von Kapitalertragsteuern und der tatsächlich entrichteten Kapitalertragsteuer, um Auffälligkeiten zu entdecken, die auf Betrugsmaschen hindeuten.

Hoher Schaden, wenig Rückzahlungen

Schick verweist auf eine deutliche Diskrepanz zwischen den „Correctiv“-Zahlen und Angaben des Bundesfinanzministeriums. Demnach stehen dem mutmaßlichen Schaden bei Cum-cum-Deals in Höhe von 28 Milliarden Euro (über Jahre hinweg) bisher nur Rückzahlungen in Höhe von 135 Millionen Euro gegenüber. Bund und Länder hätten hier jahrelang die Aufklärung blockiert.

Schick kritisiert auch die Zusammenarbeit auf europäischer und internationaler Ebene. Sie funktioniere viel zu wenig, um Steuerkriminellen etwas entgegenzusetzen. „So verharren wir in einem Hase-und-Igel-Spiel, in dem Staaten immer wieder den Kürzeren ziehen und so die Bürger ständig ausgeplündert werden.“

Der Ökonom Spengel wirft dem Scholz-Ressort vor, zu wenig auf die Erkenntnisse zu reagieren. Mit Blick auf Cum-cum-Geschäfte sagte er dem ARD-Magazin „Panorama“: „Die Information hat auch das Bundesfinanzministerium, und zwar zumindest von mir.“ Spengel ist Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Bundesfinanzministeriums. „Der Finanzminister dient unserem Land. Und wenn man Informationen hat, Erkenntnisse, dass die Steuern nicht so erhoben werden, wie es die Gesetze vorsehen oder dass sogar Steuern erstattet werden, die man gar nicht eingenommen hat, dann muss der Minister aktiv werden“, sagte der Mannheimer Wirtschaftswissenschaftler.

Finanzministerium wehrt sich

Das Bundesfinanzministerium wies den Eindruck zurück, Cum-cum und ähnliche Geschäfte würden bis heute nicht effektiv bekämpft. „Das Bundesfinanzministerium hat gehandelt – vor und in dieser Legislaturperiode“, hieß es. Mehrere Regelungen seien verschärft und Missbrauch abgestellt worden. Seit 2016 etwa gebe es schärfere Anforderungen zur Anrechnung der Kapitalertragsteuer auf Dividendenzahlungen. Danach sei noch ein Fall bekannt geworden – woraufhin Regeln weiter verschärft worden seien. Weitere Hinweise aus den Ländern auf Cum-cum-Fälle nach 2016 habe es nicht gegeben – und auch keine Erkenntnisse, dass geltende Regelungen unzureichend wären. (mit dpa)

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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