Anstehen vor dem Impfzentrum Müllerstraße: Dort gab es am Sonntag deutlich mehr Impftermine als gewöhnlich
Foto: Sven Darmer
Gibt’s schon ab Montag Corona-Impfungen für alle? Diese Erwartung schürt der Senat mit seiner plötzlichen Ankündigung, die Priorisierungen aufzuheben. Von der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) kommt umgehend scharfe Kritik.
Von SVEN DARMER und STEFAN PETER
Unabhängig von Alter, Vorerkrankung und Beruf sollen Berliner ab der nächsten Woche die Impfung erhalten können – aber nur bei Haus- und Betriebsärzten. Dort werde die Priorisierung für alle verfügbaren Impfstoffe aufgehoben, so Moritz Quiske, Sprecher von Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (54, SPD). Für die Impfzentren gilt das nicht.
Anwohnerin Christa Kuschka (70): „Ich hoffe, die Aktion wird wahrgenommen. Hier treffen sich oft Pulke von Menschen auf den Straßen“ (Foto: Ralf Günther)
Die KV hält von den Senats-Plänen nichts. Und: Abgesprochen war das vorher nicht! „Mit der kurzfristigen Aufhebung der Priorisierung weckt der Senat falsche Erwartungen bei den Berlinern und provoziert damit das Chaos in den Praxen“, schimpft der KV-Vorstand.
Die KV rechnet jetzt mit einem riesigen Ansturm und rät den Kassenärzten, sich weiter an die Priorisierung zu halten.
Ein Schild warnt vor dem Eisstadion: „Ohne Termin keine Impfung!“ (Foto: Sven Darmer)
Größtes Problem: Es gibt nach wie vor nicht genügend Impfstoff! So können die Praxen bis Montag ihre Bestellungen für die übernächste Woche aufgeben. Keinesfalls so viel, wie sie brauchen. Bestellmenge pro Arzt: maximal 12 Dosen Biontech für Erstimpfungen! Lediglich bei AstraZeneca sowie Johnson & Johnson gibt es keine Obergrenze.
Frank (52, Öffentlicher Dienst) war zum Impfen an der Müllerstraße: „Schön ist anders, aber es hilft ja nichts. Erst stand ich eine Stunde in der Schlange an, dann dauerte das ganze Prozedere 45 Minuten“ (Foto: Sven Darmer)
Für die Berliner Impfzentren werden kommende Woche 70.200 Dosen Biontech erwartet, für die Woche darauf 76.050. Erst im Juni sollen die Lieferungen deutlich steigen.
Marion Juttka (68, Rentnerin) ließ sich am Feiertag in Tegel impfen: „Ich wurde vor drei Tagen vom Erika-Heß-Eisstadion auf Tegel umgebucht. Den Impfstoff konnte ich mir aussuchen“ (Foto: Sven Darmer)
► Im Impfzentrum Erika-Heß-Eisstadion (Müllerstraße) gab’s am Sonntag riesigen Andrang. Wegen eines Fehlers in der Hotline waren rund 3000 Termine vergeben worden – über 1000 mehr als sonst. Die Warteschlange war gut 250 Meter lang, Mitarbeiter verteilten Schirme.
► In Tegel warteten die Impfwilligen am Feiertag gut anderthalb Stunden auf ihren Piks.
Anwohnerin Samar Lquott (32) mit Tochter Lisa (9): „In meiner Siedlung ist die Skepsis gegenüber dem Impfstoff groß“ (Foto: Ralf Günther)
Die Verteilung der Termine scheint willkürlich. Ein Arzt aus Rudow, der vor einigen Tagen im Impfzentrum Messe eingesetzt war, zur B.Z.: „Es werden viel zu wenig Impftermine vergeben, obwohl genug Impfstoff da ist. Wir Ärzte langweilen uns und würden mehr schaffen.“ Mitarbeiter des Impfzentrums im Velodrom berichten Ähnliches. Grund: „Mindestens 20 Prozent“ von Berlinern mit Impftermin erscheinen einfach nicht.
Anwohner Bastian Beekes (35): „Ich werde mich am Freitag impfen lassen. Ich frage mich nur, ob bei Neuköllnern ohne Deutschkenntnisse die Aushänge auch wirklich ankommen“ (Foto: Ralf Günther)
Brandenburg will am Montag die Impfung für Prioritätsgruppe 3 vollständig freigeben. Davon profitieren Apotheker, Bestatter und Mitarbeiter im Einzelhandel.
Eine Quelle: www.bz-berlin.de