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Corona-Ausbrüche in Berliner Pflegeheimen : „Es gab einfach zu wenig Tests“

In einem Dussmann-Pflegeheim in Berlin-Lichtenberg starben 15 Menschen an Corona. Der Vorstandssprecher der Unternehmensgruppe spricht im Interview über Ursachen.

Corona-Ausbrüche in Berliner Pflegeheimen : „Es gab einfach zu wenig Tests“

Wolf-Dieter Adlhoch ist seit September 2019 ist der Vorstandssprecher der Dussmann-Gruppe.Foto: Sven Darmer

Herr Adlhoch, Sie sind im September 2019 Dussmann-Chef geworden, ein paar Monate später war das Virus da. Wie lief das Krisenmanagement?

Das war schon eine besondere Herausforderung. Dussmann ist mit Gebäudemanagement und Senioreneinrichtungen sehr dezentral aufgestellt, sodass wir vor Ort beim Kunden auf das Infektionsgeschehen reagieren können. Gleichzeitig haben wir eine Covid-Task-Force auf der Gruppenebene, um Erfahrungen zu teilen und uns gegenseitig zu helfen. Den Kolleginnen und Kollegen in Italien fehlten anfänglich Schutzausrüstungen, die wir dann von Deutschland geliefert haben. Das Wichtigste in unserem Geschäft sind Menschen. Und mit einem guten Team können Sie eine solche schwierige Zeit auch für Innovationen nutzen.

Zum Beispiel?

Wir akquirieren weiter, haben den neuen Geschäftsbereich Dussmann Technical Solutions ausgebaut und die Digitalisierung forciert: Reinigungsroboter, Cleaning on demand, Weiterentwicklung von Cateringkonzepten. Zudem haben wir im Sommer zusammen mit Mainova das Joint Venture Chargemaker gegründet, einen Dienstleister für Ladesäuleninfrastruktur und E-Mobilität.

Die Mittel für Akquisitionen und Investitionen sind trotz Corona vorhanden?

Dussmann ist ein Familienunternehmen und mit den diversen Geschäftsfeldern sehr solide aufgestellt und finanziert.

Wie ist aktuell die Coronabelastung in den 100 deutschen Dussmann-Pflegeheimen?

In vielen Einrichtungen gibt es einzelne Infektionen und leider manchmal auch Ausbrüche mit 20 oder mehr Fällen. Anders als bei der ersten Welle im Frühjahr letzten Jahres hat sich das Virus im Herbst und Winter viel schneller in Deutschland verbreitet. Das merken wir auch in den Senioreneinrichtungen.

Warum funktioniert der Schutz nicht?

Im ersten Lockdown gab es niedrigere Infektionszahlen und ein nahezu komplettes behördliches Besuchsverbot, sodass auch weniger Infektionen in die Einrichtungen getragen wurden. Das Verbot gibt es in dieser Form nicht mehr – mit einer nachvollziehbaren Begründung.

Corona-Ausbrüche in Berliner Pflegeheimen : „Es gab einfach zu wenig Tests“

„De facto wurden die Senioren häufig erst bei einem Krankenhaus-Aufenthalt getestet“, sagt Adlhoch über die Situation im Herbst….Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Kennen Sie inzwischen die Ursache der Masseninfektionen im Pflegeheim Berlin- Lichtenberg, wo im November 15 Menschen gestorben sind?

Es ist nicht rekonstruierbar, wie das Virus ins Haus gelangt ist. Es kommen ja nicht nur Personal und Besucher in die Einrichtungen, sondern auch Lebensmittellieferanten, Handwerker oder medizinische Dienstleister. Bei einer Pandemie von diesem Ausmaß ist ohne Besuchsverbot kaum zu verhindern, dass es gerade in Senioreneinrichtungen, wo Menschen auf engem Raum leben, zu Ausbrüchen kommt. Das betrifft die gesamte Pflege- und Gesundheitsinfrastruktur.

Warum wurde nicht früher getestet?

Leider gab es in Deutschland im November noch nicht die Testkapazitäten inklusive Schnelltests wie heute, sodass die Infektionswelle in Lichtenberg spät erkannt wurde. Ein gutes Testkonzept des Gesundheitsamts mit schnellen und vielen Reihentestungen ist die wichtigste Voraussetzung dafür, das Virus rasch zu erkennen und wieder aus einem Haus heraus zu bekommen. De facto wurden die Senioren häufig erst bei einem Krankenhaus-Aufenthalt getestet.

Bis November gab es keine Schnelltests?

Zu diesem Zeitpunkt war die Zahl der am Markt verfügbaren und zu beschaffenden Tests viel zu gering. Das Land Berlin hat erst Ende November die ersten Schnelltests zur Verfügung gestellt.

Warum hat ein Konzern wie Dussmann sich die Tests nicht selbst besorgt?

Weil die Beschaffung und Verteilung in Berlin von den jeweiligen Behörden organisiert und entschieden wird. Wir haben uns auch selbst frühzeitig um Schnelltests bemüht – es gab einfach zu wenige. Die ersten Lieferungen von seriösen Lieferanten haben auch wir erst in der letzten Novemberwoche erhalten.

Trifft es zu, dass Personal in Lichtenberg zeitweise ohne Masken unterwegs war?

Das stimmt so nicht. Sie können kaum durchgängig kontrollieren, ob bei jeder Bewegung im Haus und bei jedem Kontakt die Maske auch korrekt getragen wird. Das Personal mit Kontakt zu den Bewohnern ist im Vollschutz unterwegs, mit Kittel, Visier, FFP2-Maske und Handschuhen. Niemand hat Interesse daran, sich selbst oder andere zu infizieren, entsprechend vorsichtig sind die Pflegerinnen und Pfleger.

Welche Schutzkonzepte gibt es jetzt?

Bei Kursana sind seit Beginn der Pandemie einheitliche Hygiene-, Sicherheits- und Schulungskonzepte mit einem Stufenplan nach RKI-Standards in Kraft, in denen wir unsere Leute auch kontinuierlich schulen. Wir entsenden gegebenenfalls zusätzliche Mitarbeiter, die das Pflegepersonal bei der Bewältigung der Pandemie unterstützen. Wegen des Fachkräftemangels in der Pflege versuchen wir, zusätzliche Aufgaben mit Arbeitskräften aus anderen Bereichen abzudecken.

Wie sind die Besuche geregelt?

Dazu gelten je nach Gemeinde oder Landkreis unterschiedliche Vorschriften. Grundsätzlich: Besuche nur nach Anmeldung und mit negativem Schnelltest, zudem gelten Hygiene- und Abstandsregeln. Wir setzen in allen Einrichtungen regelmäßig Schnelltests ein. Die wichtigeren PCR-Teststrategien sind weiterhin Sache der Gesundheitsämter. Wir bündeln auch im Besuchsmanagement Erfahrungen aus anderen Ländern, etwa auch Italien, unser größter Auslandsmarkt.

Gut ein Viertel des Konzern-Umsatzes stammt aus Italien, dort hat Dussmann ein großes Facility-Management-Geschäft und betreibt zudem zehn Seniorenheime.

Die Situation war im vergangenen Frühling dramatisch. Am 15. März wurden die Schulen in Italien für ein halbes Jahr geschlossen – wir reinigen dort Schulen und stellen auch die Schulverpflegung. Dieses Geschäft war weg. Wir reinigen ferner die Hochgeschwindigkeitszüge in Italien, in denen es auch weniger zu tun gab. Gleichzeitig gab es in anderen Märkten mehr Arbeit. Etwa für unsere staatlich geprüften Desinfektoren, die mit einem Trupp von Leuten durch Gebäude gehen und eine komplette Desinfektion vornehmen. Das haben wir zum Beispiel auch bei Webasto in Bayern gemacht, wo es den ersten deutschen Coronafall gab.

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Dann hat zusätzliche Reinigung die Einbußen anderer Bereiche ausgleichen können?

Nein. Wir sind kein Krisengewinner und mussten auch im Reinigungsbereich Mitarbeiterinnen in Kurzarbeit schicken.

Wird das Homeoffice den Gebäudedienstleistern Geschäft kosten?

Den Trend verfolgen wir mit Spannung. Da wir integriertes Gebäudemanagement anbieten, also neben Reinigung und Sicherheit auch technische Dienstleistungen und Catering, sind wir robust aufgestellt. Die Schätzung, wonach rund ein Fünftel der Büroarbeitsplätze perspektivisch wegfällt, halte ich für plausibel. Hinzu kommt: Büros werden künftig wahrscheinlich anders genutzt als heute, sodass es neue Anforderungen gibt.

Die Bruttomarge lag 2019 bei fünf Prozent. Hat der Konzern trotz Corona auch 2020 ein positives Ergebnis erreicht?

Ja. Es gibt Bereiche wie Technical Solutions, die sehr gut laufen. Das ist ein spannendes Geschäft. Der Lebensmittelhandel hat eine starke Zeit, wovon unser Dresdner Kühlanlagenbau profitiert. Mit unseren Spezialaufzügen sind wir gut im Markt und unsere irische Tochter STS, unser Electrical-Engineering-Spezialist, ist stark in der Pharmaindustrie und bei der Ausrüstung von Data-Centern unterwegs. In der Schweiz sind wir zum Beispiel an der Erweiterung einer Produktion für den Moderna-Impfstoff beteiligt.

Gilt das Ziel noch, jedes Jahr rund fünf Senioreneinrichtungen neu zu eröffnen?

Der Bedarf ist da, und mit dem Quartiershauskonzept haben wir ein innovatives Angebot – hier steht das gemeinsame Wohnen inklusive ambulanter pflegerischer und ärztlicher Versorgung im Fokus. Der limitierende Faktor sind die Fachkräfte. Wir würden gerne noch mehr Einrichtungen mit unseren Qualitätsstandards betreiben, doch es fehlt schlicht das Personal, sodass zwei bis drei pro Jahr realistisch sind.

Wie entwickelt sich die Ausbildung?

Bei Kursana haben wir 2020 knapp fünf Prozent mehr Azubis gehabt als 2019. Insgesamt haben wir 2020 mehr Menschen ausgebildet als im Vorjahr.

Das Kulturkaufhaus in der Friedrichstraße durfte als Buchhandlung auch nach dem harten Lockdown über Weihnachten geöffnet bleiben. Konnte dies und der Online-Handel die Verluste etwas ausgleichen?

Das Weihnachtsgeschäft hat uns schon etwas geholfen, obgleich es natürlich nur unter den Vorgaben aus der Senatsverordnung stattfinden durfte. Die Umsätze lagen deutlich unter dem Vorjahresniveau. Unser neuer Online-Shop wird sehr gut angenommen, aber das Flair im Kaufhaus und die persönliche Beratung kann das Internet natürlich nicht ersetzen. Das Gespräch führte Alfons Frese.

Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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