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Beschneidung : Wein und Zäpfchen reichen nicht als Betäubung

Verringertes Risiko für Genitalherpes, Papillome und Peniskrebs: Hygienische Gründe können die Beschneidung juristisch rechtfertigen. Nötig ist aber eine effektive Betäubung.

Beschneidung : Wein und Zäpfchen reichen nicht als Betäubung

Für eine Rechtfertigung der Bescheidung muss es triftige Gründe geben, die im Kindeswohl selbst liegen.Foto: dpa

Im hohen Alter von 99 Jahren erhielt Abraham den Auftrag: „An jedem männlichen Neugeborenen muss am achten Tag die Beschneidung vollzogen werden. Das gilt auch für die Diener, die in deinem Haus geboren oder für Geld gekauft wurden.“ Diesen göttlichen Auftrag erfüllen gläubige Juden an ihren Söhnen bis heute, weltweit und nahezu ausnahmslos. Auch für den überwiegenden Teil der muslimischen Gelehrten ist die Beschneidung ein religiöses Gebot. Nach deutschem Recht ist die Zirkumzision – wie auch jeder ärztliche Eingriff – jedoch eine Körperverletzung, ohne Wenn und Aber (auch wenn dies in Talkshows permanent infrage gestellt wird). Sie wäre allerdings erlaubt, wenn der Verletzte einwilligt und die Tat nicht gegen die guten Sitten verstößt. Eltern dürfen diese Einwilligung nur dann für ihre Kinder geben, wenn dies objektiv dem Kindeswohl nicht schadet.

Nachdem sich am 23. August der Ethikrat geäußert hat, wird nun eine zügige Gesetzesänderung gefordert. Warum die Beschneidung von Jungen „aus religiösen oder weltanschaulichen Gründen“ erlaubt sein soll, lässt das Gremium in seiner kurzen Mitteilung jedoch offen.

Die Beschneidung hat zunächst einmal Nachteile für das Kind: Ihm werden, sofern keine Betäubung erfolgt, starke Schmerzen zugefügt. Aufgrund neuerer Forschungsergebnisse steht fest, dass Neugeborene dadurch erheblich traumatisiert werden, weil sich die neuronalen Mechanismen der Schmerzverarbeitung erst später entwickeln. Eine kanadische Studie zeigte sogar, dass in den ersten Lebenstagen ohne Betäubung beschnittene Jungen bei den späteren Routineimpfungen verstärkt auf Schmerzreize reagieren.

Bildergalerie: Die Debatte über Beschneidungen

Die Debatte um das Beschneidungsurteil

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Alle Bilder anzeigen 1 von 8Foto: dpa30.07.2012 15:37Am 07. Mai 2012 fällte das Landgericht in Köln ein folgenschweres Urteil: Es wertete die Beschneidung eines muslimischen Jungen…Zurück

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Dem gegenüber steht nicht das „Recht auf Religionsfreiheit“ – aus gutem Grund endet jedes Freiheitsrecht des Einzelnen dort, wo ein anderer in seinen Menschenrechten beschnitten wird. Im Alten Testament „gehörten“ Kinder noch den Vätern. Dass wir Kinder heute als eigenständige Individuen mit uneingeschränkten Rechten ansehen, ist eine kulturelle Errungenschaft.

Für eine Rechtfertigung der Bescheidung muss es deshalb triftige Gründe geben, die im Kindeswohl selbst liegen. Hier wird viel medizinischer Unsinn ins Feld geführt, allem voran die WHO-Empfehlung zur Beschneidung Erwachsener als Maßnahme gegen Aids: Die Reduktion von HIV-Infektionen wurde nur für heterosexuelle Männer in Entwicklungsländern gezeigt, wo ein hoher Anteil der Frauen infiziert ist und weitere Geschlechtskrankheiten grassieren. In Deutschland, wo sich nur etwa 450 Frauen jährlich mit HIV infizieren, hat die Beschneidung keinen relevanten Einfluss auf das Infektionsrisiko. Das Vertrauen auf eine Schutzwirkung der Beschneidung könnte sogar gefährlich sein.

Richtig ist, dass beschnittene Säuglinge seltener Harnwegsinfekte bekommen und im späteren Leben ein etwas verringertes Risiko für Genitalherpes, Papillome und Peniskrebs besteht. Das gleiche Resultat lässt zwar auch durch konsequente Genitalhygiene erzielen; die Amerikanische Gesellschaft für Pädiatrie hält die Beschneidung trotzdem als Hygienemaßnahme für gerechtfertigt – sofern sie fachkundig und unter Lokalanästhesie durchgeführt wird.

Jüdische und muslimische Eltern könnten also hygienische Gründe für die Beschneidung ins Feld führen und sich auf die Empfehlung der US-Kinderärzte berufen. Das wäre in Deutschland im Rahmen der elterlichen Sorge erlaubt, ganz ohne Gesetzesänderung. Allerdings müssen Beschneidungen in jedem Fall unter effektiver Betäubung durchgeführt werden. In der Minimalversion wird der Penis 30 Minuten vorher in eine Plastiktüte mit Lidocain- Creme eingepackt. Diese Mindestforderung muss auch für die jüdische Beschneidung gelten – süßer Wein und Zäpfchen zur Schmerzlinderung sind inakzeptabel.

Beschneidung : Wein und Zäpfchen reichen nicht als Betäubung

Alexander S. Kekulé ist Mikrobiologe und Direktor des Instituts für Biologische Sicherheitsforschung in Halle.Foto: promo

Auch wenn Israels Oberrabbiner jegliche Betäubungsmittel ablehnt, besteht Hoffnung auf einen Kompromiss. Im Judentum gibt es keine Dogmen (außer der Einzigkeit Gottes) und keinen Vatikan – die deutschen Rabbiner können selbst entscheiden. Nicht nur die Beschneidung, so las es der jüdische Gelehrte Nachmanides aus der Thora, sondern auch der Gebrauch wissenschaftlicher Erkenntnisse zum Wohle des Menschen ist ein biblischer Auftrag.

Der Autor ist Mikrobiologe und Direktor des Instituts für Biologische Sicherheitsforschung in Halle.

Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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