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Berlinale im Lockdown : Der Prophet vom Prenzlauer Berg

Berlinale Zuhause am Laptop: Auch die Filme von Daniel Brühl, Radu Jude und Dasha Nekrasova erzählen von sozialer Distanz und Lagerkoller.

Berlinale im Lockdown : Der Prophet vom Prenzlauer Berg

Der arbeitslose Bruno (Peter Kurth, li.) ist kein Fan des Hollywoodstars (Daniel Brühl) aus dem Nachbarhaus.Foto: Reiner Bajo

Kommt ein Mann in die Kneipe… sitzt da schon ein anderer Typ. Was sich wie das build up für einen sehr kurzen Witz liest, ist schon die ganze Grundidee von Daniel Brühls Regiedebüt „Nebenan“ (Drehbuch: Daniel Kehlmann), das auf dieser Branchen-Berlinale, die schon am zweiten Tag die Sehnsucht nach dem Kino, dem Sommer, dem gemeinsamen Erleben noch verstärkt, seine (inoffizielle) Weltpremiere erlebt.

Der Film wird das Etablissement im gentrifizierten Prenzlauer Berg, das eine resolute Ostberliner Wirtin (Rike Eckermann) mit Schweinesülze und Selbstgezapftem betreibt, in den folgenden gut 90 Minuten nur noch selten verlassen: alles also wie immer, könnte man passend zum einjährigen Lockdown-Jubiläum meinen.

Doch „Nebenan“ entstand, man erkennt es kurz beim Verlassen der Kneipe (das Suhrkamp-Verlagshaus ist noch eine Baustelle), vor dem Lockdown. Brühl hat sich prophetisch für ein Kammerspiel entschieden; dass er gleichzeitig sich selbst spielt, ist aber sogar für den Zustand der Selbstbezogenheit in der Isolation arg übertrieben.

Brühl betritt also diese Urberliner Kneipe ein paar Blocks entfernt von seiner Luxus-Maisonnette über den Dächern der Stadt (er muss zum Flughafen, zu einem Vorsprechen für einen supergeheimen Superheldenfilm) und trifft am Tresen auf einen leibhaftigen Wendeverlierer. Wer könnte diesen schöner verkörpern als Peter Kurth?

Daniel Brühl spielt mit seinem Image

Der Stammgast will allerdings kein Autogramm, er erklärt unserem Mann in Hollywood nur sehr detailliert, warum er kein Fan ist: alles Wessis im „Stasi-Film“, zu wenig Gesichtsausdrücke etc. Dinge also, die Brühl schon öfter zu hören gekriegt hat. „Nebenan“ ist seine Rache. Das hat eine Weile sogar Witz, wird irgendwann unangenehm eitel und am Schluss auch unnötig rührselig – mit einem Schuss Selbstverbesserungspathos, das nicht mal Aenne Schwarz als untreue Schauspielergattin mehr abfedern kann.

Der rumänische Wettbewerbsbeitrag „Bad Luck Banging or Loony Porn“ von Radu Jude entstand im Gegensatz zu „Nebenan“ während der Pandemie. Das verraten die Masken auf der Straße und der zivile Ungehorsam, der sich zunehmend entlädt (Falschparker, offensive Maskenverweigerer, aggressive Passanten).

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Die Rumänen kennen sich mit Diktaturen aus, das „Diktat“ der sozialen Distanz trifft in der Bevölkerung einen Nerv. Vor allem entzündet sich des Volkes Zorn aber am Sexvideo einer Lehrerin, das plötzlich im Internet auftaucht. Die Ressentiments, die sich langsam hochschaukeln, halten der Gesellschaft ihr bitterböses wie brachial komisches Spiegelbild vor. Porno & Politik – Radu Jude ist die schärfste Stimme im neuen rumänischen Kino.

Festsitzen, ein Grundgefühl der Online-Berlinale

An einem Ort festzusitzen, von dem man einfach nicht loskommt, könnte sich zum Grundgefühl dieser Online-Berlinale entwickeln. In der Reihe Encounters schleicht sich in gleich zwei Filmen eine klaustrophobische Atmosphäre ein, jedoch mit völlig unterschiedlichen Resultaten.

Die Schweizer Brüder Ramon und Silvan Zürcher beobachten in „Das Mädchen und die Spinne“ ein Handvoll Menschen über zwei Tage beim Auszug aus einer WG, während der sich einige Leben ordnen und andere sich neue Wege bahnen. Zarte Freundschaften werden geschlossen und alte gefestigt. Komponiert ist das wie eine feingestimmte Sinfonie aus Blicken, Geräuschen, Off-Dialogen, Gesten und Haushaltsunfällen mit Tieren. Ein Wunder von einem Film.

Ganz anders „The Scary of Sixty-First“ des Social-Media-Stars Dasha Nekrasova, die den Podcast „Red Scare“ betreibt. Zwei New Yorker Hipsterinnen beziehen eine Wohnung, die dem pädokriminellen Milliardär Jeffrey Epstein gehört haben soll. Nachts werden sie von den Geistern seiner Opfer heimgesucht. Der Kammerhorror wandelt auf dem schmalen Grat zwischen lustvoller Verschwörungstheorie und „Rosemaries Baby“, illuminiert vom fahlen Schein eines Laptops. Und der Erkenntnis, dass den sozialen Medien kein Witz zu geschmacklos ist.

Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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