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Ausstellung „Songs of the Sky. Photography & the Cloud“ : Was analoge Wolken und digitale Clouds gemeinsam haben

Die Darstellung von Wolken fasziniert seit Jahrhunderten Maler und Fotografen. C/O Berlin verknüpft in der Schau „Songs of the Sky“ Computer-Clouds mit dem Wetterphänomen.

Ausstellung „Songs of the Sky. Photography & the Cloud“ : Was analoge Wolken und digitale Clouds gemeinsam haben

Bis zum Frühjahr 2022 ist die Ausstellung „Songs of the Sky. Photography & the Cloud!“ im Ausstellungshaus C/O Berlin zu sehen.Foto: dpa

Sogar der Blick zum Himmel hat seine Unschuld verloren. Seitdem es die Cloud – also die Datenwolke – gibt, und die Erderwärmung, die die Wolkenbildung beeinflusst, ist das naive Betrachten des meteorologischen Phänomens Wolke vorbei. 

Genau darum geht es in der Ausstellung „Songs oft the Sky. Photography & the Cloud“ bei C/O Berlin. Fotoarbeiten und Installationen verknüpfen die analogen Anfängen der Wolkenfotografie mit der euphemistischen Computer-Cloud, in der sich heute auch die Daten digitaler Fotos befinden.

Die mal naturalistische, mal romantisch idealisierte Darstellung theatralisch aufquellender, zart dahingetupfter oder bedeutungsschwer eingegrauter Wolkenschiffe hat Künstler viele Jahrhunderte beschäftigt. Von John Constable über William Turner und Emil Nolde bis zu Andy Warhol, Anselm Kiefer und Gerhard Richter. 

Kunsthistorische Ausstellungen über Wolkenbilder, Himmelsdarstellungen und Wetterphänomene, die sich wie die „Kleine Eiszeit“ mit Schnee und Eis in der niederländischen Landschaftsmalerei des 17. Jahrhunderts niederschlagen, sind bei Museen ebenso beliebt wie beim Publikum.

Wetter geht immer, so wie die Wolken. Deren eifrigster Fanclub, die britische „Cloud Appreciation Society“ präsentiert auf ihrer Webseite wunderschöne Exemplare und kürt aus von Cloudspottern eingesendeten Fotos die „Wolke des Monats“. Im Dezember erscheint sie als psychedelisches Gebilde samt Sonne und Doppel-Halo-Ringen über einer Schweizer Winterlandschaft.

Den Himmel zu fotografieren war eine Kunst für sich

Viel Liebe für ein flüchtiges Phänomen in der Atmosphäre, dessen Materialität aus farblosen Wassertröpfchen oder Eiskristallen sich eigentlich der malerischen und fotografischen Darstellbarkeit entzieht. Analoge Fotopioniere wie Jean-Baptiste Gustave Le Gray und andere mussten sich Mitte des 19. Jahrhunderts noch entscheiden, ob sie aufgrund der unterschiedlichen Belichtungszeiten eine gute Darstellung des Himmels oder der Erde, also der Landschaft, erzielen wollten.

Ausstellung „Songs of the Sky. Photography & the Cloud“ : Was analoge Wolken und digitale Clouds gemeinsam haben

Ein Besucher betrachtet die Bilder in der Ausstellung „Songs of the Sky. Photography & the Cloud!“ im C/O Berlin.Foto: dpa

Heute lasse sich digital jeder einzelne Fotopixel ansteuern, sagt Kuratorin Kathrin Schönegg beim Rundgang. „Belichten und berechnen“ hat sie das erste der vier Ausstellungskapiteln genannt. Fotos mit Sepiastich zeigen Ruinen und karge Landschaften. Louis Vignes und Charles Nègre haben sie 1864 auf einer Orientexpedition zum Toten Meer aufgenommen.

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Nègre, der Erfinder der Heliogravüre, retouchierte seine Wolken. So wie die Dexter Press Company, die in die Großauflagen ihrer Postkarten stets dasselbe Wolkenmotiv über amerikanische Sehenswürdigkeiten setzte. Claudia Angelmaiers Arbeit „Untitled (Clouds)“ überlagert mit einer Großformatkamera aufgenommene berühmte Himmelsmotive von Alfred Stieglitz bis Edward Weston. 

Die Cloud ist keineswegs schwerelos

Stieglitz führt mit seiner 1922 aufgenommenen Wolkenserie „Songs oft the Sky“, die später „Equivalents“ heißt, das bis dato der Wirklichkeit verpflichtete Medium in die künstlerische Abstraktion. Im Kapitel „Speichern/Verteilen“ reflektieren Andy Sewell und Evan Roth in Fotos und Videos die für Computernutzer unsichtbare Infrastruktur der Rechenzentren, die für die vermeintlich schwerelose Cloud nötig ist. 

Ausstellung „Songs of the Sky. Photography & the Cloud“ : Was analoge Wolken und digitale Clouds gemeinsam haben

In einer Kunstinstallation lässt Künstlerin Noa Jansma Wolken versteigern.Noa Jansma

Roth hat für seine mittlerweile mehr als 80 hochformatigen, infrarot gefilmten Videos Küstenabschnitte besucht, wo Glasfaserkabel aus dem Meer austreten. Mehr als eine Million Kilometer Unterseekabel umspannen die Welt, um die von der Menschheit täglich erzeugte Datenmenge von mehr als 2,5 Trillionen Bytes zu übertragen. 

Das grelle Rot und die auf den Boden fließenden Kabel verbinden sich zu einem beunruhigenden Sinnbild dieses Energie und Ressourcen verschlingenden Netzwerks. Auch beim gegenüber hängenden großformatigen Wolkenmemory trügt die Idylle. Aber erst auf den zweiten Blick. 

KI entdeckt Gesichter in Wolken

Zuerst beginnt man beim Schauen unwillkürlich Hund, Katze, Maus zu spielen und versucht wie an seligen Sommertagen beim Betrachten vorüberziehender Wolken, Gestalten auf den Fotos zu erkennen. Dieses Spiel variiert das südkoreanische Kollektiv Shinseungback Kimyonghun. 

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Die hintergründige Serie „Cloud Face“ ist keine Ansammlung von Wolken, in denen kindliche Künstler, Gesichter zu entdeckten glaubten. Die Handyaufnahmen sind das Produkt künstlicher Intelligenz, eines Programms zur Gesichtserkennung, wie es auch in der Überwachungstechnik zum Einsatz kommt.

Ausstellung „Songs of the Sky. Photography & the Cloud“ : Was analoge Wolken und digitale Clouds gemeinsam haben

Evan Roth fertigt Infrarotaufnahmen von Landschaften mit Digitalinfrastrukturen an.Evan Roth

Den Vogel in Sachen Kapitalisierung der Himmelslandschaft, die auch heute immer noch Seelenlandschaft ist, schießt Noa Jansma ab. Um ihr interaktives Video „Buycloud“ anzuschauen, legt man sich auf ein Stück Kunstrasen. Schon ziehen kleine und große Wattewolken über einen hin, nur der hektische Sound eines Auktionators nervt. 

150 Wolken für fünf bis 1000 Euro

Und die Tatsache, dass Preise neben den Wolken aufscheinen. 60,21 Euro kostet die hübsche Dicke da. Scannt man einen QR-Code, gelangt man zur Webseite der Künstlerin, wo man sich 150 Wolken zum Preis von fünf bis 1000 Euro kaufen kann. Das hat sich Altmeister Stieglitz kaum vorgestellt, als er feststellte, dass Wolken frei und für alle da seien.

Die endgültige Entzauberung naiver Wolkenbetrachtung wartet im letzten Teil, in dem die klimatischen und geopolitischen Folgen der Clouds verhandelt werden. Etwa mit der Regen imitierenden, tröpfelnden Installation der Gruppe Fragmentin, die das „Cloud Seeding“ kritisch aufs Korn nimmt. 

Also das Impfen von Wolken mit Silberjodid, um Regen zu vertreiben oder herbeizuführen. China hat diese Art der Wetterkontrolle vor den Olympischen Spielen in Peking eingesetzt und will sie ausbauen. Ein Stück weiter ruht der Blick wohlgefällig auf dem Wolkenmeer, das Aline Linde gefilmt hat. 

Geradezu meditativ, diese weißen Schleier. Allmählich mischt sich jedoch garstiger grauer Qualm hinein und das da, das ist doch ein Schlot! Der des Braunkohlekraftwerks Frimmersdorf nämlich, das während der dreiminütigen Laufzeit des Videos satte 29 Tonnen Kohlendioxid ausstößt. 

„Die technische Cloud ist ein wichtiger Motor für den Klimawandel – sie hinterlässt keinen Schatten, sondern einen gewaltigen ökologischen Fußabdruck“ ist daneben zu lesen. Spätestens jetzt löst sich der durch den Begriff Cloud befeuerte Mythos einer immateriellen Technologie, den „Songs oft he Sky“ schmerzhaft zerlegt, in Dunst auf.

C/O Berlin, bis 21.4., tgl. 11-20 Uhr, Sonderöffnungszeiten an den Feiertagen, Katalog (Spector Books) 36 €

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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