Dnachrichten.de
Berlin news - Die offizielle Website der Stadt Berlin. Interessante Informationen für alle Berlinerinnen, Berliner und Touristen.

Ausstellung in ehemaligem Bärenkäfig : „Nichts ist unschuldig hier“

In der aktuellen Ausstellung im Berliner Bärenzwinger geht es um kulturelle Aneignung. Doch bietet sich ein ehemaliges Käfiggehege dafür an?

Ausstellung in ehemaligem Bärenkäfig : „Nichts ist unschuldig hier“

“The show is over” kuratiert von Lewamm Ghebremariam.Foto: Katrina Singleton BIPOC Film Society

Der Bärenzwinger ist schon ohne Kunst ein Werk. „Das ist ein schwieriger Ort“, sagt Maja Smoszna, während sie durch das ehemalige Gehege der Berliner Stadtbären führt. Kalter Wind zieht durch zwei offene Flügeltüren. Die Eingänge zu den Boxen sind mit Gitterstäben abgetrennt und stehen offen. Zwei Ausstellungen sollten hier im November eröffnet werden. Wegen Corona blieb der Zwinger zu. Mittlerweile gibt es einen virtuellen Rundgang. Ab nächster Woche sollen Besucher:innen kommen dürfen.

„Sesam öffne dich“ heißt die eine Ausstellung (bis 21. März) und das klingt in Anbetracht der Umstände geradezu ironisch. Dabei ist der Titel sehr ernst gemeint. „Was sah Ali Baba, als er die Türen der Höhle mit den magischen Worten ,Sesam öffne dich’ aufmachte?“, heißt es in der Ankündigung der Kurator:innen Erkan Affan, Sanni Est und Tewa Barnosa.

„Was war von den Räubern gestohlen und in der Dunkelheit versteckt worden? Uns, dem kuratorischen Team und eingeladenen Künstler:innen, ist solches Verhalten nicht unbekannt.“ Die Gruppe aus Schwarzen, Indigenen und People of Color (kurz: BIPoC) erlebe immer wieder, wie ihr kulturelles Erbe „ausgelöscht, eingeschlossen und zur Schau gestellt werde.

„Nichts ist unschuldig hier“, sagt Smoszna, während sie auf einem Steinplateau steht, das zum Außengehege gehörte. Sie arbeitet beim Bezirksamt Mitte und koordiniert den Kontakt zwischen Behörde und Kurator:innen. Das Areal des Bärenzwingers umringt ein leerer Wassergraben, an dessen Rand Metallspitzen sicherstellen sollten, dass die Tiere auf ihrem Präsentierteller bleiben und nicht weglaufen.

Ausstellung in ehemaligem Bärenkäfig : „Nichts ist unschuldig hier“

Anna Banouts Arbeit „Hunter Gatherer“.Foto: Katrina Singleton BIPOC Film Society

Der letzte Bär starb 2015, zwei Jahre später wurde das Gehege zum Ausstellungsort umfunktioniert. „Das Problem ist“, sagt Smoszna „wir stellen hier Raum zur Verfügung, aber der ist nicht frei. Der ist voll mit Erinnerungen und Traumata.“ Einige Künstler:innen hätten sich geweigert mitzumachen, sie wollten als BiPoCs nicht in Käfigen ausstellen.

Der Ausstellungsort ist so laut, dass man die Arbeiten kaum hören kann

Danielle Brathwait-Shirley hat seine Auseinandersetzung mit dem Ort in einem Animationsfilm verarbeitet. Er zeigt ihn in einem der Zwinger. Animierte Figuren und Worte hüpfen über die Wand, aber es ist fällt schwer, sich zu konzentrieren. Hier hat ein Bär drin gelebt?

Der Raum ist ungefähr acht Quadratmeter groß. Die Gitterstäbe sind mit schwarzem Molton abgehängt, nur der untere Teil ist offen, man muss sich tief bücken muss, um reinzukommen. Brathwait-Shirley ist mit dem Ort nicht warm geworden, „It can’t be done“ heißt die Arbeit.

Ausstellung in ehemaligem Bärenkäfig : „Nichts ist unschuldig hier“

Danielle Brathwaite-Shirley, It can’t be done 2020Foto: Screenshot

Im Käfig gleich nebenan gibt es einen Flatscreen, der eine Abflugtafel simuliert. Das Ziel: „Dreams, Escape und Migration“. Alle gecancelt. Dazu ein Audioband, auf dem zunächst normale Flughafengeräusche zu hören sind, dann entsetzliche Schreie und Schüsse. Die Künstlerin Tewa Barnosa soll das Band selber aufgenommen haben, als sie aus Libyen fliehen wollte. Sie war dabei, als ein Flughafen unter Beschuss geriet. Alle Wege waren abgeschnitten. Ein schrecklicher Käfig.

Im Ausgangsbereich hat Mit-Kurator:in Sanni Est mehrere Neonröhren installiert. Zwei bilden ein X und stehen in einer Einbuchtung. Wenn das Licht ausgeht, prangt da ein Wort: „visibility“ – Sichtbarkeit. Sanni Est hat als trans Frau of Color viele Jahre im Underground verbracht. Es dauerte, bis sie sich auch auf anderen Bühnen traute und im Tageslicht zeigte.

Den Werken ist ein Kampf anzumerken

Dann gibt es noch die zweite Ausstellung: „The Show is over“ kuratiert von Lewamm Ghebremariam. Vor dem Eingang zum Bärengehege stehen vier weiße Fahnen. Darauf sind Gedichte gedruckt. Auf einer Flagge steht: „Sie schaffen ein ,wir’ und ,ihr’ in dieser Gesellschaft, auch wenn sie ,uns’ vortäuschen mit Einzelnen von uns in ihrem wir.“

Den Arbeiten ist der Kampf anzumerken, den die Künstler:innen mit dem Zwinger geführt haben. Schmerz ist spürbar. In einem ehemaligen Bärenkäfig auszustellen, hat auch etwas von einer Zumutung. Hinzu kommen die Auseinandersetzungen mit der eigenen Zugehörigkeit und Individualität. Das ist sehr viel für einen Ort, der selbst so laut ist. Ein White Cube wäre einfacher gewesen.

Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

Hinterlasse eine Antwort

Deine Email-Adresse wird nicht veröffentlicht.

This website uses cookies to improve your experience. We'll assume you're ok with this, but you can opt-out if you wish. Accept Read More

Privacy & Cookies Policy