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Asiatische Anlagen für Europas Batteriefabriken : In der Mittelstandsfalle

Asiatische Maschinenbauer dominieren den Wachstumsmarkt der Batterieproduktion. Deutsche Firmen müssen auf Kooperationen setzen.

Asiatische Anlagen für Europas Batteriefabriken : In der Mittelstandsfalle

Auf Nummer sicher. Den Baustart der ersten Batteriezellenfabrik feierte Volkswagen unter anderen mit Kanzler Olaf Scholz (Mitte)….Foto: dpa/Moritz Frankenberg

Hier und da hört man in der Branche den Begriff „Kampfansage“, wenn es um Salzgitter geht. Anfang Juli hatten dort Bundeskanzler, Ministerpräsident und VW-Chef den Grundstein gelegt für die erste Batteriezellenfertigung von Volkswagen. Rund zwei Milliarden Euro investiert der Konzern in eine Kapazität von 40 Gigawattstunden (GWh); das reicht aus für rund 500 000 Elektroautos. Was bei der Feier nicht zur Sprache kam, war die Einrichtung des Werks. Nicht der deutsche Maschinenbau, der weltweit auf vielen Fachgebieten führend ist, rüstet die Fabrik aus, sondern der chinesische Konzern Wuxi Lead. Für die deutsche Leitbranche – eine Kampfansage.

Wuxi Lead beliefert VW

Dabei spiegelt die Entscheidung von VW nur die Verhältnisse wider: Die großen Batteriezellenhersteller kommen alle aus Asien. Und deren Maschinenlieferanten auch. Aber Europa holt auf. Weil Asiaten auf dem alten Kontinent Zellenfabriken bauen und weil europäische Unternehmen selbst Kapazitäten aufbauen. Wie Volkswagen. Sechs Zellfabriken will der Konzern in Europa bauen, Salzgitter ist die erste. Mit dem Weltmarktführer Wuxi Lead geht VW auf Nummer sicher – und zahlt offenbar auch weniger als beim deutschen Marktführer Manz. Doch für die nächsten Fabriken ist das Rennen wieder offen, heißt es in der Branche. VW bemühe sich auch deshalb um deutsche oder europäische Lieferanten, um nicht zu abhängig zu werden von Wuxi. Im Übrigen braucht der Markt viele Anbieter.

50 Gigafabriken werden gebraucht

Nach Berechnungen von Porsche Consulting werden bis 2030 weltweit 2500 bis 3000 Gigawattstunden Kapazität für die Produktion von Batteriezellen benötigt. Das entspricht mindestens 50 Gigafabriken und einem Investitionsvolumen von 100 bis 150 Milliarden Euro. Noch dominieren die Asiaten, allein CATL (China), LG (Südkorea) und Panasonic (Japan) kommen auf einen Marktanteil von rund 70 Prozent. Dazu pflegen die Asiaten „starke Allianzen mit lokalen Anlagenbauern“, wie es in einer Studie von Porsche Consulting heißt.

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Wuxi Lead, an dem auch CATL beteiligt ist, liefert ganze Produktionsstraßen oder sogar schlüsselfertige Fabriken. Wie in Salzgitter. Und demnächst vermutlich in Ungarn, wo CATL für mehr als sieben Milliarden Euro eine Fabrik für 100 GWh baut. Aber Wuxi stößt selbst an Kapazitätsgrenzen. „Das ist eine Riesenchance gerade für den deutschen Maschinenbau, verlorenes Terrain aufzuholen“, heißt es bei Porsche Consulting.

Asiatische Anlagen für Europas Batteriefabriken : In der Mittelstandsfalle

Der Anfang. Sechs Zellfabriken will Volkswagen in Europa bauen, Salzgitter ist die erste (Modellbild). Um nicht zu abhängig zu…Foto: promo

Allein in Europa werden bis 2030 rund 50 Milliarden Euro in Zellenfabriken investiert und rund 1600 GWh gebaut, hat das Fraunhofer ISI ermittelt. Doch „die explodierende Nachfrage trifft auf einen fragmentierten und bisher kaum lieferfähigen europäischen Markt für Anlagen im Giga Maßstab“, meint wiederum Porsche Consulting. Der typisch deutsche Maschinenbauer ist mittelständisch, hoch spezialisiert und auf seinem Gebiet Weltmarktführer. In den Gigafactories sind aber Produktionsstraßen gefragt.

Milliardenförderung in Europa

„Die größte Dynamik beobachten wir in Europa“, sagte Martin Drasch, Vorstandschef von Manz, bereits vor einem Jahr dem Tagesspiegel über das Batteriegeschäft. Der Maschinenbauer aus Reutlingen ist hierzulande die erste Adresse, wenn es um Hightech-Maschinen für die Zellenfertigung geht. Deshalb bekommt Manz auch im Rahmen der IPCEI-Förderprojekte (für Important Project auf Common European Interest) von Bund und Land 120 Millionen Euro. „Wir wollen uns mit dem Geld die Position des führenden europäischen Anbieters für Produktionssysteme für Lithium-Ionen-Zellen und -module sichern“, sagt Drasch. Das wird dauern. Manz hätte gerne die VW-Fabrik in Salzgitter ausgerüstet, konnte aber dem Vernehmen nach vor allem preislich nicht mit den Chinesen konkurrieren. Eine komplette Wertschöpfungskette für die Batterie gibt es weder in Deutschland noch in der EU. Trotz enormer Förderung.

Verband bemüht sich um Vernetzung

Mit mehr als drei Milliarden Euro Steuermitteln wird hierzulande ein gutes Dutzend Projekte rund um die Batterie mitfinanziert. Wenn dreistellige Millionenbeträge Unternehmen zufließen, die dann mit dem Geld chinesische oder japanische Maschinen kaufen, ist das nicht im Sinne des Geldgebers. Der Maschinenbauverband VDMA veranstaltet im Oktober eine Konferenz, um die mit IPCEI-Geldern geförderten Firmen mit Maschinen- und Anlagenbauern zu vernetzen. „Während sich der asiatische Maschinenbau in Europa als Ausrüster in der Batteriezellherstellung etabliert, droht die europäische Industrie ins Hintertreffen zu geraten“, konstatiert der Verband. „Nur wenn die Politik die richtigen Rahmenbedingungen setzt und die gesamte Industrie zusammenarbeitet, kann Europa im Rennen um die beste Produktionstechnik bestehen und seine starken technologischen Kompetenzen ausspielen.“ Ohne die Politik geht es offenbar nicht.

Asiatische Anlagen für Europas Batteriefabriken : In der Mittelstandsfalle

Die Produktion von Batteriezellen, hier bei Varta auf der Schwäbischen Alb, ist hochkomplex und vollautomatisiert.Foto: AFP/Christof Stache

Das Bundeswirtschaftsministerium hat unter Peter Altmaier (CDU) in den vergangenen Jahren mit viel Schwung die IPCEIProjekte in Brüssel durch- und dann hierzulande aufgesetzt. Aktuell, teilt das Ministerium auf Anfrage mit, „besteht eine große Herausforderung darin, auch großskalige Produktionen mit Maschinen aus Deutschland und Europas auszurüsten“. Diese „turn-key-Kompetenz“ fehle im deutschen Mittelstand. Zwar adressiere die BMWK-Förderung auch Themen des Maschinenbaus im Rahmen der IPCEI und in der flankierenden FuE-Förderung, „um Innovationen für die Batteriezellfertigung gezielt voranzutreiben“. Doch das Ministerium spielt den Ball den Firmen zu: „Vor allem bedarf es hier aber unternehmerischen Entscheidungen.“

Neue Hoffnung richtet sich auf Forschungsfabrik

Solche Entscheidungen könnten auch befördert werden durch die Zusammenarbeit des VDMA mit dem Fraunhofer-Institut bei der Forschungsfertigung Batteriezelle (FFB) in Münster, die sich Bund und Bundesland NRW rund 700 Millionen Euro kosten lassen, meint das Wirtschaftsministerium. Bislang hatte sich die Industrie eher naserümpfend über das Projekt gezeigt, da die Fraunhofer- Wissenschaftler in der Konzeptionsphase mit der potenziellen Kundschaft – den Zellenherstellern und -anwendern – kaum kooperierten. Mit der Berufung des BMW-Managers Simon Lux und des Streetscooter-Miterfinders Achim Kampker an die FFB-Spitze dürfte das Institut nun stärker realwirtschaftlich ausgerichtet werden und der Industrie Hilfestellung geben bei der Entwicklung neuer Zellformate und Produktionskonzepte.

Manz kooperiert mit Daimler

Grundsätzlich wollen die Autohersteller ihre Lieferanten, und dazu gehören zunehmend Batterie- und Zellenproduzenten, in der Nähe haben. Und für die Zellenhersteller ist wichtig, dass sie für den Service der hochkomplexen, vollautomatischen Produktionslinien wiederum ihre Anlagenlieferanten vor Ort haben. Zum Beispiel Daimler Truck. Der weltgrößte Hersteller von Lkw hat sich mit zehn Prozent am Maschinenbauer Manz beteiligt. Im Rahmen der Partnerschaft liefert Manz Anlagen für das „InnoLab Battery“, das Daimler Truck als eine Grundlage der Elektrifizierungsstrategie in Mannheim aufbaut. Manz wiederum hat sich an Customcells Tübingen beteiligt – eine Firma, die Zellen und Batterien für den Lufverkehr entwickelt. Kooperationen machen den Mittelstand wettbewerbsfähig.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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