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Amerikas Gesicht der Corona-Krise : Dr. Fauci darf aufhören

Er litt unter Trump, wurde Hassobjekt rechter Kulturkrieger – aber auch Held in einer der tödlichsten Pandemien Amerikas. Nun darf „Dr. Fauci“ sein Amt abgeben.

Amerikas Gesicht der Corona-Krise : Dr. Fauci darf aufhören

Amerikas Seuchen-Erklärer: Anthony Fauci im Presseraum des Weißen Hauses im Dezember 2021.Foto: Kevin Lamarque/REUTERS

Es gab einmal eine Zeit, als nicht nur in den USA viele diesen Moment gefürchtet und manche ersehnt hatten. Den Moment, in dem Amerikas oberster Seuchen-Experte Anthony Fauci, Direktor des Nationalen Instituts für Allergien und Infektionskrankheiten (NIAID), erklärt, dass er seinen Hut als Präsidentenberater abnimmt.

Es war die Zeit, als die Frage, welche Einschnitte die Corona-Pandemie erzwingt, sich zu einem erbitterten Kulturkampf auswuchs. Es war die Zeit, als Donald Trump noch US-Präsident war und fast täglich Pressekonferenzen zu der neuartigen, Angst einflößenden Seuche abgehalten wurden.

Er will sein Amt zum Ende des Jahres abgeben

Am Montag war es soweit. Fauci, der mehr als ein halbes Jahrhundert lang insgesamt sieben US-Präsidenten beraten und durch HIV-, Ebola- und Corona-Krisen begleitet hatte, kündigte an, zum Ende des Jahres die Leitung des NIAID abzugeben und damit seine Arbeit für das Weiße Haus und Präsident Joe Biden zu beenden. Am 24. Dezember wird Fauci 81 Jahre alt, an der Spitze des NIAID stand er 38 Jahre lang – wer kann ihm diesen Schritt verdenken?

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Gut möglich, dass „Dr. Fauci“, wie der kleine, zierliche Virologe respektvoll genannt wird, nur so lange durchgehalten hat, weil rechte Kreise seinen Rücktritt – oder noch lieber seinen Rausschmiss – so unbedingt erleben wollten. Bis heute erklingt bei Trump-Rallyes und ähnlichen Events der Ruf „Lock him up“, „Sperrt ihn ein“.

Seine Gegner sagen, er habe Trump geschadet

Sein Vergehen in den Augen dieser Leute: Er sei mit der von China eingeschleppten Pandemie von Anfang bis Ende falsch umgegangen, habe mit seiner Empfehlung für Lockdowns der Wirtschaft geschadet, mit Maskenzwang und Impfaufrufen die Freiheit der Amerikaner beschnitten. Aber vor allem habe er Trump geschadet.

Die Anfeindungen, denen Fauci sich ausgesetzt sah, waren und sind enorm. Dass ein Wissenschaftler derart in den politischen Schlamm gezogen wird, gab es wohl selten zuvor.

Aber selten zuvor wurde ein Wissenschaftler auch derart bekannt und verehrt. In den Vorgärten liberaler amerikanischer Großstädte wie Washington DC sieht man bis heute Schilder, auf denen zu lesen ist: „I stand with Dr. Fauci“, „Ich stehe an Dr. Faucis Seite“.

Seine Auftritte im Fernsehen, bei denen er den Amerikanern erklärte, was zu tun sei und wie sie sich in diesen unsicheren Zeiten zu verhalten hätten, sind unvergessen. Fauci war das Gesicht der Pandemie.

Auch er machte Fehler

„Dr. Fauci“ verkörperte auch für viele Menschen weltweit die Hoffnung, dass die US-Regierung unter Trump nicht alles falsch machen würde. Dass die Wissenschaft doch noch Gehör findet.

Dass auch Fauci und die US-Seuchenbehörde CDC Fehler wie Experten überall auf der Welt in der Pandemie machten, gehört zur Wahrheit dazu, mindert aber nicht seine Verdienste. So hatte Fauci zu Beginn der Krise beispielsweise erklärt, Amerikaner müssten keinen Mundnasenschutz tragen, sondern sollten die damals noch knappen Masken dem medizinischen Personal überlassen.

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In Erinnerung wird vor allem der erste Auftritt einen Tag nach Trumps Auszug aus dem Weißen Haus bleiben. Ein gelöster, wie von einer Last befreiter Fauci erschien am 21. Januar 2021 im Presseraum des Weißen Hauses. „Die Idee, dass du hier heraufkommen und über das sprechen kannst, was du weißt, darüber, welche Belege es gibt und wie der Stand der Wissenschaft ist – wir lassen die Wissenschaft sprechen“, sagte er da. Und: Das sei ein befreiendes Gefühl.

Der 80-Jährige bezeichnet sich als „chronisch erschöpft“

Wie viel Kraft und Selbstbeherrschung es Fauci abgefordert hatte, immer wieder an Trumps Seite zu stehen und diesem ohne eine Miene zu verziehen zuzuhören, wenn der krude und falsche Aussagen über die Pandemie machte, weiß wohl nur er. Er selbst nennt sich „chronisch erschöpft“.

Immerhin: Wurde es gar zu haarsträubend, grinste er auch mal. Und er widersprach Trump durchaus, nicht jedes Mal, aber immer wieder. Zum Beispiel, als Trump im Herbst 2020 behauptete, das Corona-Virus sei nicht tödlicher als die Grippe. Da konnte Fauci nicht anders, als öffentlich zu erklären, das sei falsch.

Es sagt viel über sein Standing aus, dass der damalige Präsident ihn trotzdem lange Zeit an seiner Seite wissen wollte. Sogar Trump wird insgeheim ab und an schlaflose Nächte wegen des lange so schwer einzuschätzenden Virus gehabt haben. Vor allem, als es dann auch ihn selbst erwischte. Der Republikaner war nach allem, was heute bekannt ist, im Oktober 2020 deutlich kränker, als es das Weiße Haus damals behauptete.

Republikaner im Kongress drohen mit Ermittlungen

Als der schwere Verlauf der Pandemie dann Trumps Wahlchancen zunehmend schmälerte, wurde Fauci zum politischen Gegner – obwohl er weiter für Trump arbeitete. Immer abstruser wurden die Verschwörungstheorien, die Zahl der Todesdrohungen gegen den Virologen häufte sich. Und republikanische Kongressmitglieder schwören dieser Tage, sie würden Ermittlungen gegen Fauci aufnehmen, sollten sie nach den Zwischenwahlen im November die nötige Mehrheit dafür haben.

Nach mehr als 50 Jahren Dienst unter den unterschiedlichsten Präsidenten und angesichts von fünf riesigen Gesundheits-Krisen wird sich Anthony Fauci wohl auch davor nicht fürchten. Er selbst will ohnehin nicht aufhören zu arbeiten.

Der „New York Times“ sagte er, er werde „nicht im klassischen Sinne“ in den Ruhestand gehen. Vielmehr plane er, mehr zu reisen, zu schreiben und sich dafür einzusetzen, dass mehr Menschen in den Staatsdienst eintreten.

Die Corona-Pandemie hat Anthony Fauci zum Helden gemacht, aber auch zum Hassobjekt. Nach zweieinhalb Jahren ist die Krise nun offenbar soweit unter Kontrolle, dass „Dr. Fauci“ zumindest persönlich einen Gang runterschalten kann. Das ist wohl eine gute Nachricht.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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