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Aktien-Plattform Scalable Capital : „Der Freibetrag für Kapitalerträge sollte auf 20.000 Euro steigen“

Der Staat tut zu wenig, um Bürger:innen die Börse schmackhaft zu machen, findet Fintech-Gründer Erik Podzuweit. Was sagt er zu den Gefahren seines Geschäfts?

Aktien-Plattform Scalable Capital : „Der Freibetrag für Kapitalerträge sollte auf 20.000 Euro steigen“

Kurs im Blick: Die Deutschen gelten als ängstlich beim Thema Aktien.Foto: dpa-tmn

Erik Podzuweit ist CEO und Mitgründer der Berliner Investmentplattform Scalable Capital. Über diese können Privatanleger:innen in Einzelaktien, ETFs oder auch Kryptowährungen investieren. Vor der Gründung im Jahr 2014 war Podzuweit unter anderem Manager bei der Investmentbank Goldman Sachs.

Herr Podzuweit, nur 17 Prozent der Deutschen legen ihr Geld in Aktien an. Warum sind die Menschen hierzulande so zurückhaltend?
Dass die Deutschen ängstlicher wären, ist ein Vorurteil. Es ist viel eher so, dass man hierzulande lange einfach keine Aktien für die Altersvorsorge brauchte. Wenn ich auf die Generation meiner Eltern schaue: Da stimmt das Versprechen „Die Rente reicht“ noch, weil sie aus den enorm bevölkerungsreichen Nachkriegsjahrgängen kommen. Das ist in anderen Ländern nicht so. In England verlässt sich schon seit 20 Jahren niemand mehr auf die staatliche Rente, selbst wenn er einen guten Job hat. Private Geldanlage war dort einfach immer schon ein Muss. Durch den demografischen Wandel nimmt der Druck jetzt auch in Deutschland zu.

Aber werden die Menschen ihm auch nachgeben? Angesichts der jüngsten Turbulenzen am Kapitalmarkt wären Angst und Zurückhaltung verständlich.
Es war ein wirklich mieser Januar an den Börsen. Die Euphorie ist schon etwas gedämpft, wenn wir uns bei unseren Kundinnen und Kunden umhören, aber es ist bei Weitem keine Panik. Natürlich müssen wir abwarten, wie sich das Jahr noch entwickelt, aber aktuell scheinen alle enorm resilient zu sein.

Was steht einem Aktienboom in Deutschland dann noch im Wege?
Der deutsche Staat tut nichts dafür, es den Menschen schmackhaft zu machen. Was machen die Bürger hier und in anderen Ländern am liebsten? Steuern sparen. In Großbritannien zahlt der Normalsterbliche faktisch keine Steuern auf Aktiengewinne oder Kapitalerträge, das ist ein staatliches Anreizprogramm für die private Geldanlage. So etwas fehlt hierzulande einfach. Es gibt nur Subventionierungen auf der Versicherungsseite, die ganzen Riester- und Rürup-Renten, die extrem kompliziert und für viele schwer verständlich sind.

Aktien-Plattform Scalable Capital : „Der Freibetrag für Kapitalerträge sollte auf 20.000 Euro steigen“

Erik Podzuweit hat das Finanz-Startup Scalable Capital 2014 mitgegründet.Foto: imago images/argum

Die Ampel denkt über eine kapitalgedeckte Altersvorsorge nach. Wird die Aktienrente zu einem Sinneswandel führen, von dem am Ende auch Anbieter wie Sie profitieren?
Ja und nein. Das Thema auf die Agenda zu setzen, führt die Leute an die Materie heran. Und es ergibt Sinn, wenn Arbeitnehmende über Jahrzehnte Geld einzahlen, dieses nicht einfach nur rumliegen zu lassen oder zu verteilen, sondern es dem Kapitalmarkt zur Verfügung zu stellen. Aber das ist nur die gesetzliche Seite. Für die private Geldanlage ist es wichtig, dass noch weitere Maßnahmen kommen.

Welche denn?
Der Staat könnte den Freibetrag für Kapitalerträge auf 20.000 Euro pro Jahr erhöhen – nicht nur in kleinen Schritten von 700 auf 1000 Euro. Dem Millionär nützt das nichts, da müssen wir keine Neiddebatte führen. Was kann der sich davon schon kaufen? Aber für Normalverdiener macht es einen gigantischen Unterschied.

Und unter denen vermuten Sie viele potenzielle Kunden für Scalable Capital.
Ja. Die 17 Prozent der Deutschen, die schon in Aktien investieren, gehören fast alle zu den Top 30 Prozent der Vermögenden. Aber die Facharbeiterin oder der Bäckerlehrling, die auch mal am Kapitalmarkt aktiv werden, sind die absolute Ausnahme. Wir müssen den Aktienanteil in den übrigen 83 Prozent der Bevölkerung erhöhen.

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Welche Rolle spielen Anbieter wie Sie dabei?
Wir sehen einen wichtigen Baustein darin, die Gebühren zu senken. In der Geldanlage gilt – anders als in anderen Bereichen, in denen man vielleicht für ein besseres Produkt gern mehr zahlt – der Grundsatz: „You get what you don’t pay for.“ Eine teure Geldanlage ist so gut wie immer schlechter als eine günstige. Man schafft es einfach nicht, hohe Gebühren aus einem Finanzprodukt langfristig wieder rauszuholen.

Um die Gebühren niedrig halten zu können, setzen Online-Broker auf Rückvergütungen durch die Handelsplätze, denen sie Transaktionen vermitteln. Die EU sieht in diesem „Payment for Order Flow“ einen Interessenskonflikt und möchte es verbieten. Wie würde sich das auf Ihr Geschäft auswirken?
Wenn das verboten wird, ist der Privatanleger gekniffen. Payment for Order Flow bedeutet, dass wir beispielsweise von den Market Makern an der Börse München einen gewissen Betrag bekommen, wenn wir ihnen eine Order vermitteln. Mit diesem Geld senken wir die Ordergebühren für die Kunden und betreiben unsere Plattform. Wenn es wegfällt, wird es teurer für die Kunden. Angebote mit Trading für einen oder gar null Euro kann es ohne Payment for Order Flow nicht mehr geben. Die durchschnittliche Order kostet dann schnell zehn oder 20 Euro, an der Auslandsbörse bis zu 50 Euro. Das würde viele Leute vom Kapitalmarkt abschneiden. Der Demokratisierung würde ein Riegel vorgeschoben. Unser Ziel ist es aber, weiterhin die günstigsten Konditionen für unsere Kunden zu bieten.

Den Finanzmarkt demokratisieren sollen angeblich auch Kryptowährungen, wie man sie bei Scalable Capital ebenfalls handeln kann. Wie gehen Sie als Anbieter mit dem enormen Risiko dieser Anlageform um?
Interesse an Kryptowährungen sehen wir vor allem bei den unter 35-Jährigen. Ich habe überhaupt nichts dagegen. Es gab wohl keine Anlageklasse in der Geschichte der Menschheit, die so stark nach oben gegangen ist wie Bitcoin. Ich sage den Leuten aber auch immer: Es gibt keine andere Anlageklasse auf der Welt, die so eine so hohe Volatilität hat. Wenn ihr investieren wollt, dann nur mit einem ganz kleinen Anteil, nicht mehr als ein bis fünf Prozent eures Portfolios. Aber es geht nicht nur um den Preis, sondern auch um die Sicherheitsrisiken. Es kommt häufig zu Hacks von Kryptobörsen, es wird Geld aus dem System geklaut, das ist nicht revidierbar. So etwas gibt es im normalen Bankensystem einfach nicht und das muss man als Anleger bedenken.

Auch Scalable Capital wurde 2020 gehackt. Daten von 30.000 Nutzern wurden gestohlen und teilweise im Netz gehandelt. Das Landgericht München I hat einem Geschädigten Schadensersatz zugesprochen. Welche Konsequenzen haben Sie daraus gezogen?
Das Urteil ist nicht rechtskräftig, wir sind in Revision gegangen und glauben, dass wir gute Chancen haben, den Fall zu gewinnen. Wir haben nochmal mehr in die aus unserer Sicht schon vorher sehr guten und ausreichenden Sicherheitsvorkehrungen investiert. Man muss alles tun, um die Daten der Kunden und Kundinnen zu schützen.

Im November haben Sie JustETF übernommen, eines der größten Informationsportale zum Thema ETFs hierzulande. Was haben Sie damit vor?
Wir wollen das Haupteingangstor zu ETFs werden. Schon vergangenes Jahr waren wir in diesem Bereich eine der größten Investmentplattformen in Deutschland. Und wir sehen, dass viele Kunden über JustETF kommen, sie sind eine Art Mini-Google für ETF-Analyse. Wir fanden, dass wir einfach super zusammenpassen. Es ist eine Symbiose, aber JustETF macht mit dem bisherigen Team genauso weiter wie zuvor, wir sind nur der neue Gesellschafter.

Ist es nicht problematisch, wenn ein solches Portal, das einem bei der Wahl des richtigen Finanzdienstleisters helfen soll, plötzlich einem Finanzdienstleister gehört? Da besteht doch ein Interessenskonflikt.
Man nutzt solche Portale nicht, um Finanzdienstleister zu finden, sondern um ETFs zu vergleichen. Da besteht kein Interessenskonflikt. Für uns als Plattform macht es keinen Unterschied, ob die Leute sich am Ende für einen ETF von iShares, Invesco, DWS oder Vanguard entscheiden.

Aber doch sicher nicht, ob sie in diesen über Scalable Capital investieren oder woanders. Werden Sie in den Anbieterlisten von JustETF künftig prominenter auftauchen als andere?
Wir werden da schon prominenter auftauchen. Aber das beeinflusst nicht, was die Leute auf der Seite suchen. Das Hauptanliegen des Portals bleibt unverändert: Nutzer sollen die für sie passenden ETFs finden.

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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