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150 Jahre Gettysburg : Bis heute sind die USA eine unversöhnte Gesellschaft

In den USA jährt sich der Beginn der Schlacht von Gettysburg zum 150. Mal. Präsident Lincoln weihte den Soldatenfriedhof ein. Seine legendäre Rede gründete die Nation neu, aber seine Vision bleibt unerfüllt.

150 Jahre Gettysburg : Bis heute sind die USA eine unversöhnte Gesellschaft

Nachstellungen historischer Ereignisse haben in den USA eine große Tradition. Zum Beginn der Feierlichkeiten zum 150. Jahrestag…Foto: AFP

Muss man heute als deutscher oder europäischer Zeitungsleser an den 150. Jahrestag einer obskuren Schlacht im amerikanischen Bürgerkrieg (1861-1865) erinnert werden? Als wenn es da nichts Wichtigeres gäbe, nämlich sich bei der Politik zu empören über die großen, mittleren und kleinen Warlords, die in fast allen Kontinenten ihre Machtspiele mit unserer direkten und indirekten Unterstützung blutig aufführen. Kein Tag ohne Massaker, ohne Selbstmordattentäter, ohne ferngesteuerte Drohnen, kein Tag ohne Kriege, in denen die Welt unaufhaltsam zu versinken droht: Dagegen scheint doch eine klassische Schlacht wie die, an die wir jetzt aufgefordert werden, uns zu erinnern, geradezu eine Lappalie. Aber sie ist es nicht. Oder richtiger: Sie wurde zu einem historischen Ereignis erst durch die Rede von Präsident Abraham Lincoln, die dieser vier Monate später am 19. November zur Einweihung des riesigen Soldatenfriedhofs im kleinen Städtchen Gettysburg hielt, dem Schauplatz der Schlacht. 200 000 Soldaten hatten sich dort drei Tage lang erbittert bekämpft, 50 000 Tote und Verwundete hatte das Gemetzel auf beiden Seiten gekostet, gesiegt hatte die Armee der Nordstaaten, aber kriegsentscheidend war ihr Sieg zunächst nicht. Der Krieg sollte noch zwei weitere Jahre mit geschätzten 10 000 Toten jeden Monat andauern. Seit der Schlacht von Cannae (216 v. Chr.), in der Hannibals Söldner 70 000 römische Soldaten erschlugen, hatte es keinen vergleichbaren Soldaten-Massenmord gegeben. Insofern war es zwingend, den Friedhof würdig einzuweihen.

Historische Aufnahmen und nachgespielte Schlachten

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Alle Bilder anzeigen 1 von 9Foto: Library of Congress / p-a30.06.2013 16:26Der amerikanische Fotograph Timothy O’Sullivan nahm am ersten Tag der Schlacht von Gettysburg (1.-3. Juli 1863) dieses Bild von…Zurück

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An die 50 000 Besucher wurden erwartet und ein rhetorisch erfahrener Redner, ein in Göttingen promovierter Althistoriker und Harvard-Präsident, war für die gelehrte Festrede auserwählt. Den Präsidenten einzuladen, der bescheiden seine Teilnahme angekündigt hatte, war zunächst nicht vorgesehen. Edward Everett, Harvard-Professor, sprach zweieinhalb Stunden, gefolgt von Blasmusik, dann Abraham Lincoln. Der brauchte für seine langsam und ernst vorgetragene Rede knapp drei Minuten. Es waren nur ganz Wenige, die auch nur annähernd verstanden, was in diesen drei Minuten geschah – nämlich nichts Geringeres als die zweite Gründung der amerikanischen Republik, die „Neugeburt der Freiheit“.

Die meisten Zeitungsreporter waren sprachlos. Manche erwähnten lediglich, dass Mr. Lincoln auch gesprochen habe. Andere schrieben bösartig, sie übergingen „die einfältigen Worte des Präsidenten; um des guten Namens der Nation willen sind wir dafür, den Schleier des Vergessens darüber zu breiten. Etwas Dümmeres und Abgedroscheneres vorzubringen, würde nicht leicht fallen“, so die Londoner Times. Nur wenige ahnten wenigstens etwas von der Größe des Augenblicks: „Ein auserlesenes Juwel, unerwartet in ihrer sprachlichen Vollkommenheit und Schönheit.“ Recht behalten sollte wohl nur ein Berichterstatter: „Die Worte des Präsidenten werden in die Annalen der Menschheit eingehen.“ Und das gingen sie dann auch. Sie sind eingemeißelt im Sockel des Lincoln-Monuments in Washington (zum Wortlaut auf Wikisource). Zumindest in der heute älteren Generation, derjenigen, die noch mit dem Idealismus der Roosevelt-Jahre groß geworden sind, wird man immer wieder Einzelne finden, die diese 272 Wörter mit bewegter Stimme auswendig sprechen können und sie verinnerlicht haben:

„Vor viermal zwanzig und sieben Jahren haben unsere Väter auf diesem Kontinent eine neue Nation ins Leben gerufen, in Freiheit gezeugt und dem Grundsatz verpflichtet, dass alle Menschen gleich geschaffen sind.

Jetzt stehen wir mitten in einem gewaltigen Bürgerkrieg, der darüber entscheidet, ob dieser Staat – oder jeder so entstandene und solchem Grundsatz verpflichtete Staat – dauerhaft bestehen kann. Wir sind auf einem großen Schlachtfeld dieses Krieges zusammengekommen. Wir sind gekommen, um einen Teil davon denen als letzte Ruhestätte zu weihen, die hier ihr Leben ließen, damit diese Nation leben möge. Es ist nur recht und billig, dass wir das tun.

150 Jahre Gettysburg : Bis heute sind die USA eine unversöhnte Gesellschaft

Ekkehart Krippendorff ist Politikwissenschaftler und emeritierter Professor am John-F.-Kennedy-Institut für Nordamerikastudien an…Foto: Wikipedia

„Aber in einem tieferen Sinne können wir diesen Boden gar nicht weihen, können wir ihn nicht segnen und nicht heiligen. Die tapferen Männer, ob lebend oder tot, die hier gekämpft haben, haben ihn schon auf eine Weise geweiht, der wir auch nicht annähernd in der Lage sind, etwas hinzuzufügen oder wegzunehmen, was wir hier sagen – aber sie kann niemals vergessen. Die Welt wird kaum zur Kenntnis nehmen noch sich lange an das erinnern, was wir hier sagen – aber sie kann niemals vergessen, was jene hier taten. Es ist vielmehr an uns, dass wir uns der großen Aufgabe, die noch vor uns liegt, hier weihen, dass wir die Toten ehren durch noch mehr Hingabe an die Sache, für die sie das höchste Maß an Hingabe aufbrachten, dass wir hier feierlich erklären, diese Toten sollen nicht umsonst gestorben sein, dass die Nation, mit Gottes Beistand, eine Neugeburt der Freiheit erlebe und dass das Regieren des Volkes durch das Volk und für das Volk von dieser Erde nicht wieder vergehen soll.“ 19. November 1863, Abraham Lincoln.

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  • Lincoln ging es um den Erhalt der Union um jeden Preis
  • Barack Obama hatte das Potential, Lincoln nachzufolgen – doch er wird systematisch demontiert

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Eine Quelle: www.tagesspiegel.de

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